Virus. Kristian Isringhaus

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Virus - Kristian Isringhaus страница 18

Автор:
Серия:
Издательство:
Virus - Kristian Isringhaus

Скачать книгу

musste mit jemandem sprechen. Zu zweit kam man häufig schneller auf eine Lösung. Außerdem musste sie Bobby ohnehin anrufen. Er sollte nicht aus der Zeitung erfahren, was passiert war.

      Bobby Ecram war ihr Forschungsassistent an der University of Minnesota in Minneapolis. Er war ein gutaussehender Kerl, Typ Quarterback, und versuchte seit dem ersten Tag ihrer Zusammenarbeit, bei Debbie zu landen. Die meisten Studentinnen vergötterten ihn und Debbie war sich ziemlich sicher, dass er trotz seiner Schwäche für sie nicht jeden Abend alleine ins Bett ging. Doch er war nicht ihr Typ. Er war lustig, aufgeweckt, intelligent – aber trotz seiner siebenunddreißig Jahre doch noch reichlich unreif.

      Bobby hatte vier Jahre lang bei der Navy gedient und Debbie war überzeugt, dass es zu viel Testosteron auf amerikanischen Kriegsschiffen gab. Sie hatte sich gelegentlich vorgestellt, wie es gewesen sein musste, wenn Bobby mit seinen Kameraden nach Wochen auf See in eine Kneipe eingefallen war, in der auch Frauen waren. Diese Gedanken hatten stets eine Mischung aus Ekel und Belustigung in ihr hervorgerufen. Einige Verhaltensmuster von damals hatte Bobby bis heute nicht abgelegt. Doch trotz seines häufig machohaften Auftretens und seiner ständigen zweideutigen Bemerkungen mochte Debbie ihn wegen seines Humors als Freund und schätzte ihn wegen seiner großen Sachkompetenz und seines ungebremsten Forschungsdrangs als Kollegen.

      Die horrenden Telefongebühren, die das Hotel berechnete, waren ihr in diesem Moment egal. Mit ein bisschen Glück würde auch das der deutsche Steuerzahler übernehmen. Bei geplanten Kosten von knapp hundert Millionen Euro für den Gipfel würde ihr Telefongespräch den Braten auch nicht mehr fett machen.

      Sie blickte auf ihre Armbanduhr, dieses wunderschöne goldene Schmuckstück, das ihre Mutter ihr auf ihrem Sterbebett gegeben hatte, und das sie, obwohl es so gar nicht zu ihrem Stil passte, nur im Labor und zum Duschen ablegte. Eine plötzliche innere Wärme überkam Debbie; der Gedanke an ihre Mutter gab ihr Kraft. Sie hätte früher auf die Idee kommen sollen, auf die Uhr zu gucken.

      Kurz nach acht Uhr abends bedeutete, dass es in Minnesota kurz nach ein Uhr mittags war. Debbie hoffte inständig, Bobby würde nicht gerade Mittagspause machen. Ohne das Licht einzuschalten griff sie nach dem Telefonhörer auf ihrem Nachttischchen und wählte seinen Apparat im Labor an. Zu ihrer Erleichterung nahm er bereits nach kurzem Klingeln ab.

      „Hallo.”

      „Hi Bobby, hier ist Debbie.”

      „Debbie! Ich wusste, du würdest mich schnell vermissen.” Freudige Erregung schwang in Bobbys Stimme mit. „Wie geht es dir? Wie ist der Gipfel? Hat der Professor seinen Vortrag schon gehalten?”

      „Der Professor ist tot, Bobby”, sagte Debbie mit leicht zitternder Stimme. Es war das erste Mal, dass sie es selbst ausgesprochen hatte und es verlieh der Sache eine seltsame Endgültigkeit, die ob der Umstände des Todes eigentlich sowieso gegeben war. Aber als die Worte Debbies Lippen verließen überkam sie urplötzlich ein unkontrollierter Weinkrampf. Die ganze Anspannung der letzten Stunden entlud sich.

      Es dauerte fünf Minuten, bis sie sich soweit beruhigt hatte, dass sie wieder sprechen konnte. Sie bekam fast sogar ein wenig Mitleid mit Bobby, denn sie merkte, wie unsicher ihn ihr Heulen machte. Die ganzen fünf Minuten lang hatte er gestammelte Versuche unternommen, sie zu beruhigen. Der Umgang mit herzzerreißend heulenden Frauen gehörte wahrscheinlich nicht zur Grundausbildung eines Soldaten der U.S. Navy.

      Immer noch gelegentlich schluchzend berichtete sie ihm von den schrecklichen Ereignissen des Nachmittags. Von dem Ton, dem Blitz und der Schrift, von dem Leichenschauschein und dem angenommenen natürlichen Tod, von dem arbeitsscheuen Kommissar und dem nervigen Pfarrer.

      Als sie fertig war, herrschte für einige Sekunden Stille. Debbie hatte ihre Geschichte erzählt und für den Moment nicht mehr zu sagen. Bobby hingegen musste das Gesagte offenbar kurz sacken lassen, die Flut an Informationen verarbeiten, bevor er etwas dazu beitragen konnte.

      „Du meinst also, es war eine Inszenierung?” fragte er schließlich.

      „So wirkte es. Als wolle jemand etwas aussagen.” Debbie klang jetzt wieder sicherer, gefasster. Es tat gut, Bobbys vertraute Stimme zu hören. Sie verlieh ihr das Gefühl, nicht mehr völlig allein zu sein.

      „Was, sagst du, stand da? A87?” fragte er nach.

      „Ja. A87. Es war eine Botschaft – ganz eindeutig. Ich verstehe sie nur nicht. Was will der Mörder uns sagen?”

      „Keine Ahnung. Meinst du A87 wie der ICD Code?”

      „Ja. Virusmeningitis. Das ist mehr oder weniger seine Botschaft. Aber was für eine Scheißbotschaft ist das? Weißt du zufällig, ob der Professor mal über Virusmeningitis geforscht hat?”

      Bobby überlegte kurz. „Keine Ahnung. Aber das kann ich herausfinden.”

      „Aber selbst wenn. Würde es dann einen Sinn machen?”

      Diesmal dachte Bobby länger nach und begann dann zögernd. „Vielleicht soll es auf einen bestimmten Zeitraum verweisen. Vielleicht hat der Professor in einem bestimmten Jahr über Virusmeningitis geforscht”, sagte er schließlich.

      „Okay, das könnte sein. Aber was soll der Verweis auf ein Jahr oder einen Zeitraum?”

      „Das kommt ganz darauf an, aus welchen Motiven der Mörder handelt. Du sagst, er will eine Aussage treffen. Dann ist doch mit Sicherheit auch der Rahmen, den er sich ausgesucht hat, nicht zufällig.”

      „Der G8-Gipfel”, sagte Debbie nachdenklich. Noch immer lag sie auf ihrem Bett und starrte in die inzwischen fast vollständige Dunkelheit des Raums. Langsam schlich sich bei ihr das Gefühl ein, sie gingen in eine viel versprechende Richtung. „Du meinst, es ist ein Globalisierungsgegner?”

      „Nur mal angenommen, es ist ein Globalisierungsgegner und er will mit großem Effekt zeigen, dass er die G8 hasst”, antwortete Bobby. „Also inszeniert er diesen schrecklichen Mord und verweist durch einen Schriftzug auf das Jahr, in dem die G8 gegründet wurde. Nur mal so in die Tüte gesprochen.”

      „Die G8 wurde 1975 gegründet, das habe ich hier gelesen. Da hat der Professor selbst noch studiert.” Ein Hauch von Enttäuschung schwang in Debbies Stimme mit. Sie hatte das Gefühl gehabt, eine durchaus vielversprechende Theorie zu entwickeln, und die frühe Sackgasse raubte ihr den Mut.

      „Hm. War ja nur eine Idee”, sagte Bobby nachdenklich.

      „Obwohl – mir fällt gerade ein, dass die G8 ‘75 nur als G6 gegründet wurde. Kanada kam erst ein Jahr später hinzu und Russland sogar erst 1998”, sagte Debbie mit frischem Elan, nur um dann mit erneuter Enttäuschung hinzuzufügen: „Aber da kannte ich den Professor schon und er hat nicht über Virusmeningitis geforscht.”

      „Die Gründung der G8 war ja auch nur so dahingesagt”, versuchte Bobby sie zu ermutigen. „Vielleicht geht es um was ganz anderes. Ich werde einfach herausfinden, ob der Professor jemals in diesem Gebiet gearbeitet hat. Wenn ja, dann wissen wir, in welchem Zeitraum das war, und können gezielt herausfinden, was in der Welt damals alles passiert ist. Dann werden wir sehen, ob irgendetwas einen Sinn ergibt.”

      Doch Debbie kam das alles plötzlich viel zu kryptisch vor. Sie war schnell auf Bobbys Idee eingegangen, weil es die erste gewesen war, die Sinn machte, doch inzwischen erschien ihr das alles sehr kompliziert und konstruiert.

      „Und warum hat der Mörder dann nicht einfach das Jahr an die Wand gebrannt? Warum dann dieser kryptische Code?”

Скачать книгу