Virus. Kristian Isringhaus

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Virus - Kristian Isringhaus

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denn wenn mal ein Vorgesetzter aus Schwerin vorbeischaute, sah dieser zu jeder Zeit einen in Arbeit versinkenden Kommissar und kam nie auf die Idee, ihn zur Unterstützung unterbesetzter Dienststellen abzukommandieren. Zum anderen Teil diente die Camouflage des Gestressten der Befriedigung seiner Eitelkeit. Wegmann war ein Mann, der sehr auf seine Außenwirkung achtete, und in seiner Vorstellung hinterließ ein vielbeschäftigter Mann einen professionelleren, fleißigeren und insgesamt einfach tieferen Eindruck als ein unterbeschäftigter.

      Zur Unterstützung dieses Anscheins hatte er auch die Magnetwand zweckentfremdet. Etliche Fotos oder Zeitungsartikel hafteten an ihr, waren mit handschriftlichen Notizen versehen, durch geschwungene Klammern zusammengefasst und durch Linien und Pfeile miteinander verbunden. Regelmäßig änderte Wegmann die Anordnung oder tauschte Bilder aus. Er betrachtete die Perfektion, die er in dieser Illusion der Geschäftigkeit entwickelt hatte, nicht ohne einen gewissen Stolz.

      Wegmann saß hinter seinem Schreibtisch und hatte die Füße auf selbigen gelegt. Es war lange nach dem normalen Feierabend. Normalerweise ließ er um Schlag 17:30 Uhr den Stift fallen, doch dieser Tag ließ es nicht zu. Es galt jetzt, Schadensbegrenzung zu betreiben, um wenigstens für die nächsten Tage wieder einen halbwegs geregelten Ablauf zu garantieren. Später wollte noch ein Brandursachenermittler der Feuerwehr vorbeischauen. Mit ein bisschen Glück konnte der Fall danach als so gut wie abgeschlossen betrachtet werden.

      Wegmann griff nach einer Fernbedienung und schaltete den Fernseher in der vorderen linken Ecke des Raums ein. Er konnte die Zeit genauso gut damit überbrücken, zu sehen, was die Medien über die Ereignisse des Nachmittags in Erfahrung gebracht hatten.

      Auf fast allen Kanälen liefen Sondersendungen über den Gipfel und natürlich waren der Auflauf an Rettungskräften vor dem Kongresszentrum und die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Globalisierungsgegnern und Polizei die vorherrschenden Themen. Wegmann entschied sich für einen Privatsender, weil Tanja Franke hier berichtete. Wahrscheinlich war Tanja Franke keine besonders gute Journalistin, wenn man Seriosität als Maßstab ansetzte, aber das konnte Wegmann weder beurteilen, noch war es der Grund, warum er ihre Reportagen gerne sah. Der Grund war weit profaner: Er fand sie geil.

      Es war nicht allein ihr Aussehen, das ihm an ihr gefiel. Natürlich waren ihre halbkurzen, nur bis gerade über die Ohren reichenden, dunkelblonden Haare stets perfekt gestylt und ihr Make-Up zeigte nie auch nur den geringsten Makel. Auch ihre Kostüme waren stets ebenso modisch wie figurbetont, doch das alles war es nicht, was ihn an ihr anturnte. Es musste irgendetwas in ihrer Ausstrahlung, in ihrem Selbstbewusstsein sein. Sie wirkte dominant und energetisch. Wegmann stellte sich vor, wie sich ihre Energie im Bett in manische Lust verwandelte und verspürte eine leichte Erregung.

      Jäh wurde er allerdings vom Inhalt ihrer Worte aus seinen Träumen gerissen, denn der war im Moment sogar noch besser als die Vorstellung, sie zu beschlafen.

      Tanja Franke führte soeben das große Aufgebot von Rettungskräften und Feuerwehr im eingezäunten Bereich auf den Medien nicht bekannte Probleme mit Globalisierungsgegnern zurück und verwies auf die nachfolgenden Ausschreitungen jenseits des Zauns.

      Sie hatten also keine Ahnung von dem Blitz und dem Tod des Professors. Sehr gut. Es gab kein Leck.

      Wegmann schaltete durch die Kanäle und stellte befriedigt fest, dass auch deren Reporter völlig im Dunkeln tappten. Sie alle vermuteten Globalisierungsgegner hinter dem kompletten Chaos.

      Es sah ganz danach aus, als würden die nächsten Tage wieder ruhiger werden.

       13.

      Draußen ging das Dunkelgrau des Tages langsam in die Schwärze der Nacht über und es drang kaum noch Licht durch die großen Fenster in Debbies Hotelzimmer. Elektrisches Licht hatte sie ebenfalls nicht eingeschaltet. Sie lag im Halbdunkel auf ihrem Bett und starrte an die Decke.

      Irgendwann hatte ein Polizeibeamter sie gebeten, das Kongresszentrum zu verlassen. Er hatte ihr erneut die Polizeipsychologen ans Herz gelegt und Debbie war, versichernd, dass alles in Ordnung sei, in ihr Hotel geflohen.

      Natürlich war überhaupt nichts in Ordnung. Nicht im Geringsten. Aber ein Psychologe hätte daran auch nichts ändern können, es sei denn, er hätte den Mörder des Professors gefunden.

      Das Zimmer war nicht übertrieben groß, aber durchaus komfortabel. Neben dem bequemen Doppelbett gab es eine kleine Sitzecke mit zwei Sesseln und einem kleinen Tischchen, abstrakte Gemälde und ein Flachbildfernseher schmückten die Wände. Ein geräumiges und überaus sauberes Badezimmer aus weißen Marmorkacheln komplettierte das Bild des guten Businesshotels.

      Die Hotelkosten und sogar ihr Flugticket waren komplett vom deutschen Staat übernommen worden. Debbie dachte daran, wie sehr sie sich auf diese Reise gefreut hatte, wie aufgeregt sie gewesen war, als der Professor sie gebeten hatte, ihn zu begleiten. Ob das ein Scherz sei, hatte sie erwidert. Wochenlang hatte sie sich in Vorfreude vorgestellt, wie es sein würde, wenn der Professor ihre Forschungsergebnisse den mächtigsten Menschen dieser Erde präsentierte. Doch die Ereignisse des Nachmittags waren nie Teil dieser Vorstellungen gewesen.

      Nachdem sie zurück in ihr Zimmer gekommen war, hatte Debbie kurz geduscht, sich den Hotelbademantel übergeworfen und sich auf das Bett gelegt.

      Während die schrecklichen Bilder des Nachmittags in einer Endlosschleife wieder und wieder vor ihrem inneren Auge abliefen, versuchte sie krampfhaft, einen klaren Gedanken zu fassen. Wer konnte einen Grund gehabt haben, den Professor umzubringen? Ein Konkurrent? Ein Neider? Oder – ganz profan – womöglich ein Angehöriger wegen Erbe und Lebensversicherung?

      Und warum auf diese Art und Weise? Das Ganze hatte eher wie eine Inszenierung gewirkt, als wolle der Mörder ein Zeichen setzen, etwas aussagen. Aber was? Hierauf gab es nur einen einzigen Hinweis und dessen Sinn wollte sich Debbie einfach nicht erschließen.

      A87. Was hatte A87 zu bedeuten? Oder vielmehr: Was hatte es mit dem Professor zu tun? Denn was es bedeutete, wusste sie natürlich. Jeder Virologe wusste das.

      Es handelte sich um von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebene Codes zur Klassifizierung von Krankheiten, die sogenannten ICD Codes. ICD stand für International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems. Die Codes waren zur weltweiten statistischen Erforschung von Morbidität und Mortalität eingeführt worden, also von Krankheitswahrscheinlichkeit und Sterblichkeit.

      Der Vorläufer dieser Klassifikation war bereits 1893 von Jacques Bertillon erarbeitet worden, das sogenannte Internationale Todesursachenverzeichnis. Nachdem bereits mehrere Länder dieses Verzeichnis übernommen hatten, hatte 1898 die amerikanische Gesundheitsorganisation vorgeschlagen, dass auch die USA, Kanada und Mexiko der Codierung folgen sollten, und dass das Verzeichnis, um dem Fortschreiten der Forschung stets gerecht zu werden, alle zehn Jahre überarbeitet werden sollte. 1900 dann hatte die erste internationale Konferenz zur Klassifizierung von Todesursachen stattgefunden. 1948 hatte die WHO die Verantwortung übernommen.

      Heute befand man sich in der zehnten Überarbeitung, weshalb das aktuelle Verzeichnis auch unter dem Namen ICD-10 bekannt war.

      In ICD-10 stand die Gruppe A80-A89 für Virusinfektionen des Zentralnervensystems. A87 stand für eine Virusmeningitis, also eine durch ein Virus hervorgerufene Hirnhautentzündung. Aber was für einen Sinn machte das in diesem Zusammenhang? Professor Wang hatte nie in diese Richtung geforscht. Oder vielleicht doch? Bevor er angefangen hatte, über SARS zu forschen? Oder sogar weit davor in seinen ganz jungen Jahren?

      Doch ganz offensichtlich wollte der Mörder ja eine Botschaft übermitteln und dementsprechend uninteressant war es im Prinzip, ob der Professor mal über

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