Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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noch einmal in die Klinik musste oder nicht. Urlaub hin, Urlaub her. Verdammt! Er schaute auf die Uhr. In drei Stunden startete ihr Flieger.

      „Der Chef hat sich alles genauestens schildern lassen.“ Bekker entnahm daraus, dass Weiss heute Nacht alles gestoppt hatte, um sich zuerst bei seinem Chef rück zu versichern, den er dafür morgens um drei angerufen hatte.

      ‚Mein Gott‘, dachte er ‚was hast Du die Hosen voll gehabt.‘ Warum war in dieser Nacht nicht Müller zuständig gewesen? Dann wäre alles längst gelaufen, die Blutung ausgeräumt und der Hirndruck entlastet. Es musste eine Blutung gewesen sein, oder? Selbst wenn nicht, warum kein CT? Das war kein Hexenwerk. Wer weiß, was jetzt gerade ablief. Das Leben war ein einziger Zufall. Hätte ein tüchtiger und routinierter Oberarzt Dienst gehabt, wäre alles seinen normalen Gang gegangen. So war der Patient, nicht irgendeiner, sondern sein bester Freund, an eine devote Flasche geraten, der aus Feigheit und Kadavergehorsam womöglich ‘mal eben dessen junges Leben und seine Gesundheit ruiniert hatte.

      ‚Bleib ruhig‘, dachte Bekker und versuchte der Panik Herr zu werden. Vielleicht war ja tatsächlich alles halb so schlimm und er hatte heute Nacht zu schnell reagiert. Womöglich hatten sich die Hirndruckzeichen tatsächlich spontan zurückgebildet, und deshalb war alles abgeblasen worden. Doch nur ein lokales Ödem, das vorübergehend auf die andere Seite ausgestrahlt hatte. Möglich war alles. Anders konnte es gar nicht gewesen sein. War doch nur vernünftig, wenn Weiss trotzdem mit seinem Chef gesprochen hatte. Der hatte den Patienten schließlich operiert und war ein exzellenter Fachmann und Routinier. Bekker merkte, dass er dabei war, sich selbst zu belügen. Dennoch wurde er ruhiger, während der andere nach einer Pause, in der er sich seine Worte offensichtlich genau zurechtgelegt hatte, fortfuhr.

      „Professor Brücher war der Ansicht, dass der Transport des beatmeten Patienten mit dem Notarztwagen zur Computertomographie und zurück ein zu großes Risiko darstelle und man deshalb zuwarten solle. Der Patient hatte nicht mehr gekrampft, und die linke Pupille war kleiner geworden. Beide Pupillen waren rund und nicht deformiert. Beide haben auf Licht reagiert. Etwas verzögert, aber eindeutig reagiert. Das ist bis jetzt so geblieben. Sollte tatsächlich ein Hirndruck vorliegen, ist er nur sehr mäßig. Die neurologische Symptomatik weist in keinem Fall auf die Gefahr einer Einklemmung hin und ist auch nicht progredient.“

      Bekker spürte einen erneuten Adrenalinausstoß. Träumte oder wachte er? War das ein ausgewachsener Neurochirurg, der ihm gerade diesen Schwachsinn erzählte? Der allen Ernstes bei einer Hirnblutung zwischen einem ‘leichten‘ und einem ‘schweren‘ Hirndruck unterscheiden wollte, quasi wie ‘ein bisschen schwanger‘ oder ‘ein bisschen tot‘? Und das allein auf dem Boden banaler Beobachtung und der subjektiven Einschätzung seines Chefs, der zu Hause in seinem warmen Bett eine solch schwerwiegende Entscheidung traf, ohne einen einzigen validen klinischen Befund?

      Ein Transportrisiko? Da konnte man ja nur noch lachen. Bei einem jungen Patienten ohne Lungenprobleme war der Transport mittels Notarzt über eine so kurze Strecke eine Lappalie, eine tausendfach durchgeführte Routinemaßnahme. Wovon sprach der Kerl eigentlich? Was ging hier vor? In einer solchen Situation kein CT zu machen war ein Kunstfehler! Wehe, es war etwas passiert! Ein ‘leichter‘ Hirndruck konnte innerhalb weniger Momente zum dramatischen Notfall werden, wenn nämlich nur ein paar Tröpfchen Blut zuviel nachliefen, für die im Schädel kein Platz mehr war. Dann wurde aus einem leichten Hirndruck eine Einklemmung des Hirnstammes, und der Patient war in wenigen Minuten hirntot. Damit würde nicht einmal Brücher durchkommen. In Bekkers Kopf überschlugen sich die Gedanken.

      Weiss fuhr ungerührt fort, obwohl er gemerkt haben musste, wie sein Gesprächspartner die Luft anhielt. In seiner Stimme war plötzlich eine überraschende Zuversichtlichkeit.

      „Herr Bekker, es sieht so aus, als könnten wir uns beide entspannen. Um ganz offen zu sein, mir war das alles ja selbst nicht ganz geheuer.“ Weiss fuhr eine argumentative Achterbahn, und Bekkers Gefühle fuhren mit.

      „Gerade signalisiert mir Herr Tanaka, der den Patienten in diesem Moment ein weiteres Mal untersucht hat, dass beide Pupillen normal weit sind und auf Licht reagieren. Streckkrämpfe sind nun seit über sieben Stunden nicht mehr aufgetreten. Ich denke, wir können beruhigt sein.“ Sein Ton war ungewöhnlich verbindlich, beinahe freundlich. Bekker fühlte sich hin und hergerissen zwischen Ungläubigkeit und Erleichterung. War alles noch einmal gut gegangen? Für einen kurzen Moment wurden ihm die Knie weich, und er musste sich an die Küchenwand lehnen.

      „Wie siehst Du denn aus?“ Birte war in die Küche gekommen, um zu sehen, wo er blieb, und starrte ihn jetzt erschrocken an. Bekker war kreidebleich und schweißgebadet, den Telefonhörer krampfhaft ans Ohr gepresst. Aber er stand schon wieder auf festen Füßen.

      „Alles okay, Schatz. Irgendwie ist es hier stickig. Außerdem ist der Backofen noch warm vom Semmeln aufwärmen. Bussi – ich komm’ gleich. Will nur eben das Gespräch beenden.“ Sie verließ den Raum, nicht ohne ihm einen sorgenvollen langen Blick zuzuwerfen.

      Bekker atmete tief durch. Es war alles gut. Das waren klare, unbestechliche Fakten, und Weiss würde nicht lügen. Der Super-Gau war gegen alle Regeln ausgeblieben. Doch ein Ödem! Er hatte sich selbst schon in die Klinik rasen und seine Ehe aufs Spiel setzen sehen. Dennoch traute er der Sache nicht völlig. Immerhin hatte Weiss vor der frohen Botschaft ziemlichen Unsinn verzapft und damit klar gemacht, dass er entweder einer wirklichen Notfallsituation nicht gewachsen war, oder aber keine Hemmungen hatte, auf höchste Anordnung hin fahrlässige Entscheidungen mitzutragen. Es war dieser plötzliche Stimmungsumschwung, der ihn stutzig machte. ‚Du hörst mal wieder die Flöhe husten‘, schalt er sich. Dennoch, er musste Gewissheit haben, bevor er den Urlaub unbeschwert würde genießen können.

      „Ist Herr Tanaka noch da? Ich wollte mich gern bei ihm dafür bedanken, dass er heute Nacht so gut aufgepasst hat.“ Das klang unverfänglich. Tatsächlich hatte Bekker nichts Derartiges vor. Tanaka hatte seinen Job gemacht, wie jeder andere Nacht für Nacht auch. In dieser Klinik, in dieser Stadt, in diesem Land, auf der ganzen Welt. Dafür musste man sich wirklich nicht bedanken. Tanaka wäre über eine solche Geste selbst am meisten erstaunt. Bekker wollte, dass er die von Weiss geschilderte Sachlage bestätigte. Tanaka war absolut vertrauenswürdig. Weiss war der Knecht seines Herrn und würde stets nur berichten, was ihm aufgetragen wurde. Weiss schien arglos zu sein, denn Bekker hörte, wie er nach Tanaka rief und ihm kurz darauf den Hörer übergab.

      „Der Herr Bekker möchte Sie noch einmal sprechen.“ Obwohl die Worte des neurochirurgischen Oberarztes wegen der vielfältigen Nebengeräusche kaum zu verstehen gewesen waren, klangen sie für Bekker eigenartig, als wäre da ein undefinierbarer Unterton.

      „Hallo, Herr Tanaka. Ich hoffe Ihr Dienst war einigermaßen erträglich.“ Und leiser, „Steht der Weiss noch neben ihnen?“ Tanaka antwortete unverbindlich, ohne auf die letzte Frage einzugehen.

      „War nicht so schlimm, Herr Bekker. Danke, dass Sie fragen. Es gab keine weiteren Neuzugänge, und die paar Patienten, die wir derzeit haben, waren problemlos.“ Es entstand eine kurze Pause, bevor Tanaka hinzufügte,

      „Sie rufen bestimmt wegen Herrn Menzel an. Alles okay.“ Mehr nicht. Irgendwie klang das alles wie einstudiert. Ohne es zu wissen, spürte Bekker, dass der Japaner nicht allein im Raum und deswegen so einsilbig war. Er beschloss, gezielt nachzufragen. Die Antworten würden ihm eine Beurteilung auch hier von zu Hause aus ermöglichen.

      „Hat er noch mal gekrampft? Sind die Pupillen beweglich?“ Eigentlich waren das rhetorische Fragen, die zwischen erfahrenen Klinikern gar nicht gestellt werden mussten, wenn der Patient okay war. Dann gab es auch keinen Hirndruck. Tanaka sah dies offensichtlich genauso, denn er schwieg.

      „Blöde Frage“, sagte Bekker schnell, „wenn alles in Ordnung ist. Sorry. Ist er extubiert, bewegt er alles?“ Er überlegte, ob

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