Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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Egal wie groß die Liebe war, die Tatsache, dass seine Frau ihrer beider Lebensunterhalt aus der Portokasse finanzieren konnte, während der traditionelle Ernährer über das nächste gebrauchte Auto nachdenken musste, würde irgendwann zu Problemen führen.

      Doch Hartmann war bei allen Vorurteilen und Bedenken ein feiner Mensch. Er hintertrieb die Verbindung seiner Tochter nicht mit schmutzigen Tricks, wie sie ihm durchaus zur Verfügung gestanden hätten und wie sie in seinen Kreisen bei solchen Gegebenheiten gang und gäbe waren. Er führte statt dessen einige unaufgeregte, durchweg liebevolle Gespräche mit seiner Tochter, in deren Verlauf ihm klar wurde, dass er sich nicht weiter zu bemühen brauchte. Birte liebte diesen Mann und keinen anderen, und damit erübrigte sich jede Diskussion, denn ihr Wille war hart wie Granit. Da glich sie sehr ihrem Vater.

      „Papa, glaub mir, Dein Geld wollen wir beide nicht. Ich musste Peter versprechen, dass wir unseren Lebensstandard seinen finanziellen Verhältnissen anpassen. Ist das nicht süß?“ Hartmann fand es keineswegs süß, denn er hielt es für wohlfeile Attitüde oder aber bodenlose Weltfremdheit, ohne dass er hätte sagen können, was ihn mehr beunruhigte. Birte besaß Aktienpakete und Beteiligungen. Die waren da, ob sie wollte oder nicht.

      Die Familie fügte sich schließlich, wohl wissend, dass es auch schlechter hätte kommen können. Birtes einziger Bruder, Johannes, der seit mehreren Jahren mit seiner amerikanischen Frau in Kapstadt lebte und nur wenig Kontakt zu seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester hatte, schrieb ihr einen kurzen, aber sehr pointierten Brief, mit dem abschließenden Rat, ‚Wenn Du etwas wirklich willst, tu es. Wenn Du etwas wirklich liebst, halt es fest mit aller Macht, deren Du fähig bist. Das Leben wird nie mehr etwas ähnlich Wertvolles für Dich bereithalten.‘

      Sie feierten eine rauschende Hochzeit, aber ohne Flitterwochen, denn Bekker war in der Klinik mal wieder nicht entbehrlich, und Birte stand vor dem nächsten Examen. Bald war sie mit Jenny schwanger und fürs Lernen nicht mehr so motiviert wie am Anfang ihres Studiums, weshalb sie einen Prädikatsabschluss verpasste. Zudem entwickelte sie vollkommen neue Wertvorstellungen. Sie empfand das, was mit ihr vorging, als etwas Einzigartiges. Unendlich wichtiger und schöner als alles, was sie bisher erlebt hatte. Das Kind in ihrem Bauch war das Leben, war die Liebe, das Sein schlechthin. Es verkörperte für sie das Gute im Menschen und war eine einzige grandiose Belohnung durch die Natur. Was waren ein Studium, eine Karriere, Geld und Besitz gegen dieses Wunder der Menschwerdung?

      ‚Du bist mein Kind‘, flüsterte sie manchmal, wenn sie im Schaukelstuhl saß, das Kleine sich in ihr regte und mit den Füßen gegen ihren Bauch trat, ‚und ich bin Deine Mami, die Dich liebhat, Dich beschützt, die immer mit Dir spielt und Dich nie verlässt.‘ Manchmal weinte sie dabei, immer vor Glück. Wenn sie sich von der guten Fee etwas für sich wünschte, war es stets nur Gesundheit, damit sie ihr Kind niemals würde allein lassen müssen. Auch dann weinte sie, allerdings aus Sorge. Sie bekam ihre Tochter genau zum Termin und ohne großes Aufheben, wie das ihre Art war. Mit Zenia zweieinhalb Jahre später verlief es ebenso.

      *

      „Hurra, hurra, der Papi, der ist da.“ Bekker hatte sich eine Jeans und ein altes T-Shirt angezogen und trat hochmotiviert zur Aktion Koffertragen an. Die Kinder jubelten ihm zu, als er die zwei größten Stücke hochzuheben suchte und dabei in Schieflage geriet, da eine Seite erheblich mehr Gewicht hatte als die andere.

      „Birte, Mutter aller Mütter, edle Herrin, was hast Du hier geladen? Sind’s gar Wackersteine?“ rief er mit gespieltem Entsetzen, und die Kinder johlten vor Begeisterung.

      „Oh Bekker, Vater aller Väter, nur das Notwendigste, wie stets“, kam es aus dem Schlafzimmer der Kinder.

      „Na denn“, seufzte Bekker mit zerknirschter Miene, um dann laut zu deklamieren,

      „Sklaven haben nicht zu diskutieren, sondern zu arbeiten. Verzeiht Herrin, dass ich fragte. Bitte nicht die Peitsche und heute Abend vielleicht ein kleines Schälchen Wein.“ Inzwischen hatte er es mit den beiden Koffern bis zur Treppe geschafft, begleitet von den Kindern, die atemlos auf eine Fortsetzung des Schauspiels warteten.

      „Leb wohl, schnöde Welt. Die Ballen von Samt und Seide werden mich jetzt bestimmt in den Abgrund ziehen und zerschmettern. Aber ich bin ja nur ein Sklave. Wen kümmert das? Hauptsache, die Gewänder der Herrin bleiben unbeschädigt und unbefleckt.“ Damit stolperte er die Treppe hinunter, sorgsam darauf bedacht, dass er nicht wirklich ins Straucheln geriet. Die Kinder kreischten und lachten vor Wonne.

      Oben stand Birte, während ihr Mann mit dem Fuß die Haustür aufstieß. Sie lächelte. Ein warmes, glückliches Lächeln. Sie seufzte tief. Es würde alles gut werden. Alles. Schließlich saß die ganze Familie im Wagen. Bis zum Abflug der Maschine war noch reichlich Zeit. Bekker bemerkte, dass er während der letzten dreiviertel Stunde nicht eine Sekunde an die Klinik gedacht hatte. Das war ein gutes Zeichen. Vielleicht würde er ja doch noch ein ganz stinknormaler Familienvater werden. In diesem Moment wünschte er es sich sogar.

      Birte Bekker streckte sich und warf noch einmal einen Blick auf die große Anzeigetafel mit den Abflugzeiten. Noch über eine Stunde Zeit. Sie würde sich ein paar von den bunten Zeitschriften kaufen, mit den reich bebilderten Artikeln, die angeblich für Frauen, tatsächlich aber ausschließlich über Frauen geschrieben wurden. Sie schlenderte zum Kiosk, während Bekker mit den johlenden Kindern irgendwo in den langen Gängen das Abfluggebäudes umher rannte. Eigentlich war er kein so schlechter Vater, wenn er nur wollte. Sie wusste, dass sie sich gerne etwas vormachte, aber heute war sie einfach nur glücklich. Endlich war die Familie zusammen. Vielleicht war dieser Urlaub ihre Chance, wieder näher zusammenzurücken. Sie alle.

      Natürlich drückte Bekker sich gerne vor dem Familienleben. So manches, was er dringlich zu erledigen hatte, war vorgeschoben, um der häuslichen Umgebung zu entfliehen. Birte Bekker war nicht dumm. Die Universitätsklinik beschäftigte einige hundert Ärzte, davon allein mehr als fünfzig in der Anästhesie. Schwer vorstellbar, dass dieser Riesenbetrieb zusammenbrach, weil Oberarzt Peter Bekker Sonntagnachmittag einmal zu Hause blieb. Sie setzte sich auf eine der futuristisch gestalteten, erstaunlich bequemen Bänke.

      Nebenan auf einer Bank hatte sich ein Pärchen zusammengekuschelt. Sie schliefen beide fest, offensichtlich total erschöpft. Nach dem Gepäck zu urteilen, das sich um ihren Platz türmte, hatten sie bereits eine lange Reise hinter sich. Der junge Mann lag auf dem Rücken. Sein Mund stand offen, und er schnarchte leise. Seine Freundin lag auf der Seite, mit der Lehne der Bank im Rücken, ihren Kopf und den halbschrägen Oberkörper auf seiner Brust. Wie sie so da lag, war sie das Sinnbild totaler Geborgenheit und Unverwundbarkeit. Jedenfalls empfand Birte Bekker das so, und einen winzig kleinen Moment verspürte sie so etwas wie Neid, fast ein wenig Bitterkeit, was jedoch verflog wie eine Mücke, die sich hinsetzt, aber nicht zusticht.

      Ansonsten war wenig los in der riesigen Halle. Die üblichen Ferienflieger starteten erst gegen Abend. Sie würden mit einer Linienmaschine nach Rom fliegen und erst am späten Nachmittag von dort nach Sardinien weiter reisen. Birtes Vater hatte sie um diesen Umweg gebeten. Er befand sich wegen geschäftlicher Angelegenheiten in Rom und wollte sie alle endlich einmal wiedersehen.

      Hartmann war immer noch sehr viel unterwegs, obwohl er längst alles delegieren konnte. Er unterlag offensichtlich dem gleichen Unersetzlichkeitswahn wie sein Schwiegersohn, den er inzwischen mehr und mehr schätzen gelernt hatte. Sicher war er auch in Sorge, über Nacht zum alten Eisen sortiert zu werden.

      „Äuget ihr Wölfe, äuget genau!“, war Hartmanns Lieblingspassage des Dschungelbuchs, denn es steckte die ganze Weisheit des Lebens darin, das unumstößliche Gesetz des Kommens und Vergehens als ewiger Kreislauf. Noch packte der alte Führer des Rudels den gestellten Bock als erster und zwang ihn in die Knie. Verfehlte er ihn ein einziges Mal, würde das gleiche Rudel, das ihm bis dahin blind gefolgt war, ihn in Stücke reißen. Das war in Ordnung, fand

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