Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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wie einen Meuterer. Erst hat er gar nichts gesagt und nur tief Luft geholt. Ich glaube, er wollte mich schlagen. Der war genauso fertig wie ich. Ich habe ihn nur angesehen, da hat er nachgegeben und hat die Eintragungen gemacht, wie ich es verlangt hatte. Herr Bekker, sie können sich darauf verlassen, ich habe bis zum Ende meines Dienstes alles getan, was man bei Hirndruck konservativ tun kann. Die Krämpfe konnte ich mit einem Antikonvulsivum und etwas Valium unterbinden. Aber das alles ist natürlich Kosmetik.“

      „Herr Tanaka“, versuchte Bekker einzuhaken, aber der andere ließ ihn nicht zu Wort kommen.

      „Als wir telefoniert haben, stand Weiss direkt neben mir. Ich habe später erst erfahren, dass er behauptet hat, ich hätte über eine Besserung der Symptome berichtet. Das ist gelogen. Dem Patienten ging es unverändert schlecht, als ich gegen elf Uhr die Klinik verlassen habe. Kurz nach unserem Telefonat. Bis dahin war Professor Brücher noch nicht einmal erschienen. Aber er hatte bereits um sieben Uhr angerufen, um seine Anordnungen noch einmal zu bekräftigen. Ich war am Telefon. Er hat nur gefragt, ob der Befund unverändert sei. Ich habe das bestätigt und gesagt, der Patient zeige alle Symptome eines erhöhten Hirndrucks. Die Pupillen würden keinerlei Reaktion auf Licht zeigen, und man müsse ihn nach meiner Meinung dringend operieren, und zwar sofort.“

      Tanaka machte eine Pause, als könne er das alles nicht fassen. Bekker schwieg.

      „Professor Brücher hat kaum zugehört. Statt dessen hat er noch einmal ausdrücklich verboten, den Patienten zu transportieren. Das wäre viel zu gefährlich. Man müsste, so lange es geht, konservativ behandeln. Dann hat er noch erklärt, das alles hätte viel mit Erfahrung zu tun und so. Manchmal müsse man eben geduldig sein. Es bestünde kein Anlaß zur Panik. Er hat mit mir gesprochen wie mit einem kleinen Kind. Ich bin Facharzt, Herr Bekker, und in meiner Heimat wird auch am Kopf operiert.“ Tanaka war empört. Erneut machte er eine Pause.

      Bekker hatte den Japaner noch nie so viel und mit solcher Erregung reden hören, und wieder fiel ihm auf, welch tadelloses Deutsch er sprach.

      Birte war mit den Kindern inzwischen wieder herbei geschlendert. Sie stand jetzt unmittelbar vor ihm und sah ihn an. Mit dem Kopf machte sie ein Zeichen zur Anzeigetafel. Ihr Flug war soeben zum Einsteigen aufgerufen worden. Das bedeutete noch gut dreißig Minuten Zeit. Bekker verdrehte die Augen, als ob er einen lästigen Anrufer loswerden müsste und machte ein vages Zeichen, dass er gleich fertig wäre.

      Die drei entfernten sich wieder. Zenia war aufgewacht und wollte laufen. Birte stellte sie auf die Füße. Sie rannte zurück zu ihrem Papa und stand nun neben ihm, krallte ihre kleine Hand in sein Hosenbein und schaute erwartungsvoll zu ihm auf. Bekker legte geistesabwesend die Hand auf ihren Kopf und kraulte ihre blonden Locken. Tanaka redete weiter. Es war offensichtlich, dass er alles loswerden wollte.

      „Ich hätte Sie heute Nacht schon angerufen, aber Weiss war ständig bei mir. Ließ mich nicht aus den Augen. Ich glaube, er hat geahnt, was ich vorhatte. Er ist kein Dummkopf und auch ihm war hundertprozentig klar, dass sein Chef sich verrannt hat. Dass längst ein entlastender Eingriff hätte vorgenommen werden müssen. Der versteht das Ganze auch nicht, aber er hält die Schnauze. Herr Bekker, ich bin Gast hier und habe in der Klinik nichts zu sagen. Ich möchte auch nicht undankbar sein. Professor Brücher hat sich sehr für mein Stipendium eingesetzt. Aber was mit Ihrem Freund passiert, ist entsetzlich. Das ist eine Schweinerei. Ich begreife nicht, was in Professor Brücher vorgeht. Selbst die Schwestern schütteln den Kopf. Die wissen schließlich auch, was ein Hirndruck ist. Heute nachmittag beginnt der Dienst von Professor Müller. Dann passiert bestimmt etwas. Aber das sind im schlimmsten Fall noch mehrere Stunden, und dann ist es zu eh spät, dann hat der Patient irreversible Schäden und man kann das Operieren ganz lassen. Soviel steht fest.“

      Tanaka zögerte, versuchte offenbar zum Ende zu kommen. „Ich weiß, dass Sie auf dem Weg in den Urlaub sind. Wahrscheinlich ist ohnehin nichts mehr zu reparieren. Tut mir leid! Aber es ist Ihr Freund. Ich musste Sie informieren. Wenn der Patient noch eine minimale Chance haben soll, dann sofort! Jede Minute zählt!“ Den letzten Satz hatte er geflüstert. Im nächsten Moment war die Verbindung weg. Tanaka hatte aufgelegt.

      Bekker stand einen Moment wie gelähmt. Er überlegte fieberhaft. Der Flug war bereits aufgerufen. Eben in die Klinik rasen, alles geradebiegen und auf den letzten Drücker in den Flieger springen, das ging im Kino, aber nicht hier. Wenn er in die Klinik zurückkehrte, und daran bestand für ihn schon jetzt kein Zweifel, dann würde es eine Auseinandersetzung auf Biegen und Brechen werden. Das wäre in ein paar Stunden nicht erledigt, denn er würde erst wieder von der Seite des Freundes weichen, wenn jegliche weitere Komplikationsmöglichkeit ausgeschlossen werden konnte. Aber die Komplikation war längst eingetreten, da war nicht mehr viel zu reparieren. Nach allen Regeln der Neurophysiologie war dieser Fall gelaufen. Was genau konnte er überhaupt noch tun? Und die Familie? Birte, die Kinder?

      „Papa, Paapaa!“ Zenia zerrte an seiner Hose und deutete in die Richtung, wo Birte und Jenny standen und warteten. Schließlich rannte sie zur ihrer Mama zurück, fiel hin dabei und begann im gleichen Moment zu brüllen. Birte hob sie hoch, um sie zu trösten, während Bekker langsam auf die Szene zuging.

      Birte hatte das schreiende Kind auf dem Arm, aber sie beobachtete ihn genau. Sie ahnte, es war etwas passiert, und als er schließlich mit hängenden Schultern und diesem typischen schuldbewussten Gesichtsausdruck, den sie so gut kannte, vor ihnen stand, wusste sie, dass er nicht mit ihnen fliegen würde. Sie sah ihn an wie einen Fremden, ohne Vorwurf und ohne Trauer, nur einfach so. Bekker versuchte ihren Blick zu erwidern und erschrak. Irgend etwas in ihren Augen war erloschen.

      „Ich komme nach, ich verspreche es. Es ist ein Notfall, nicht das Übliche. Tanaka hat mir reinen Wein eingeschenkt. Die angebliche Besserung, alles gelogen. Auf höchste Anordnung. Bitte, Birte, versteh mich, es geht doch nicht um irgend jemanden. Es ist unser bester Freund, und man ist gerade dabei, ihn zum Krüppel zu machen. Brücher ist wahnsinnig, anders kann ich es mir nicht erklären. Altersstarrsinn, was auch immer. Er setzt sein Lebenswerk aufs Spiel, denn das ist ein ärztlicher Fehler, den ihm jede Schwesternschülerin um die Ohren haut. Aber das hilft Jürgen hinterher auch nicht mehr. Ich muss ihn da heraushauen. Er würde dasselbe für mich tun. Bitte, Birte.“ Er beschwor sie, war völlig aufgelöst, außer sich, schielte bereits zum Ausgang, weil wertvolle Zeit verrann.

      „Hör zu, Peter“, Birtes Stimme schien von einem fremden Planeten zu kommen, „Lass Dich nicht aufhalten. Gut, diesmal ist es unser bester Freund, und Freunden hilft man. Aber das ist reiner Zufall, Hand aufs Herz. Wäre es irgendein anderer von Deinen Patienten, hätten wir die gleiche Arie vom unersetzbaren Retter Peter Bekker, also erzähl mir nichts. Sieh Deine Kinder nochmal an, Du Wohltäter. Wer weiß, wann Du sie wiedersiehst und ob Du sie dann auf Anhieb erkennst.“

      Sie hielt inne, wirkte erschöpft wie nach einem sehr langen Weg. Als sie fortfuhr, sah sie ihn nicht an, sprach nicht zu ihm, sondern zu einem imaginären Auditorium. Es war ein makabrer, verzweifelter Monolog, ein Schrei um Hilfe, den Bekker nie mehr vergessen würde, solange er lebte.

      „Es ist meine Schuld. Ich weiß jetzt auch, was ich falsch gemacht habe.“ Tränen rannen über ihr Gesicht, mehr und immer mehr. Sie achtete nicht darauf, schluchzte nicht. Ihre Stimme war monoton und ohne jede Regung.

      Sie deutete auf die Kinder. „Ich hätte die beiden doch einfach nur vor ein Auto stoßen müssen oder in den Fluss schmeißen.“ Sie hielt inne, als ob sie nachdenke und wäre zu einer schlüssigen Erkenntnis gelangt. Sein entsetztes Gesicht beachtete sie nicht.

      „Dann wären sie mit etwas Glück schwer verletzt worden oder halb ertrunken und zu ihrem Papa in die Klinik gekommen.“ Ihre Tränen saugten sich in den Kragen ihrer Jacke, aber sie schien es nicht zu bemerken. Ihre Stimme war plötzlich fest und klar, „Und dann, aber nur dann hätten sie vierundzwanzig Stunden am Tage die ganze ungeteilte Aufmerksamkeit und Fürsorge ihres

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