Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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als Bordgepäck mit ins Flugzeug nehmen wollte, unter der Bank stand, und nahm die erste Illustrierte zur Hand. Ganz in der Nähe rannten die Kinder hinter ihrem Vater her. Er hatte die Arme schräg ausgebreitet und war offensichtlich ein Flugzeug. Die Kinder taten das gleiche und flogen atemlos hinter ihm her. Birte konnte von ihrem Platz aus hören, wie sie keuchten. Niemals würden sie zugeben, dass der Papa ihnen davonflog. Erneut überkam sie ein überwältigendes Glücksgefühl. Das war ihre Familie, und sie waren zusammen. Nichts, absolut nichts auf der Welt war für sie wichtiger. Hab und Gut, arm oder reich, das alles war Birte Bekker so gleichgültig wie nur irgend etwas. Ihre Wünsche, ihre Träume, ihre Gebete kreisten nur um den Erhalt und die Unversehrtheit ihrer Familie.

      Das war keine Obsession. Sie war gefestigt, wusste nun, was Liebe ist. Liebe ist viel mehr als Aufwallung und inniges Gefühl für einen anderen Menschen, viel mehr als begehren, besitzen, festhalten. Dies mag der zündende Funke sein. Liebe gehört einem und doch gehört sie allen, sonst ist sie nur Besessenheit. Liebe macht frei, denn sie ist ohne Eigensucht. Sie ersehnt alles, aber fordert nichts. Sie ist bettelarm und deshalb so unermesslich reich, dass keine Schätze der Welt eine einzige Liebe aufwiegen könnten.

      Birte war zwar verwöhnte Tochter aus reichem Hause doch schon immer ein gutherziger, offener Mensch. Bekker wusste sehr genau, wen er geheiratet hatte, und es machte ihm gelegentlich Angst. Er wurde geliebt ohne jeden Anspruch, eine Verantwortung, der er sich nicht gewachsen fühlte. Er hatte wenig zu geben und litt darunter. Er liebte seine Frau, aber manchmal wünschte er sich, sie wäre gleichgültiger.

      Ein Flug nach Rom wurde in drei Sprachen aufgerufen. Birte Bekker, die über dem Titelblatt ihrer Illustrierten döste, schreckte auf. Es war jedoch eine andere, frühere Maschine, für die sie keine Plätze mehr bekommen hatten. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie Ruth Menzel hatte anrufen wollen. Wo war nur das verdammte Handy? Sie fand es schließlich in einem Seitenfach ihrer Reisetasche. Die Nummer der Menzels war gespeichert, und sie drückte die Taste. Sie ließ den Ruf zweimal durchklingeln, ohne dass abgehoben wurde. Auch der Anrufbeantworter meldete sich nicht.

      ‚Eigenartig‘, dachte sie. Eigentlich meldete sich unter dieser Nummer immer jemand, schon wegen des Geschäfts. Sie wählte Ruth Menzels Handynummer. Bereits nach wenigen Sekunden meldete sich die Mailbox mit der üblichen Aufforderung, eine Nachricht zu hinterlassen.

      „Hallo Ruth, hier ist Birte. Bitte melde Dich, sobald du diese Nachricht hörst. Wir sind auf dem Flughafen und warten auf unsere Maschine. Peter sagt, mit Jürgen ist alles okay. Ich drück Euch die Daumen. Wirst sehen, Jürgen ist bald wieder auf dem Damm. Bussi – melde Dich. Sprich auf die Mailbox, wenn ich mich nicht melde. Nicht vergessen.“

      Ihr Finger war bereits auf dem Knopf, um die Verbindung zu beenden, als sie, einer plötzlichen Eingebung folgend, schnell hinzufügte, „Ich bete für Euch.“ Das Gerät machte ‚piep, piep‘. Die festgelegte Sprechzeit für eine Nachricht war um.

      Warum hatte sie das bloß gesagt? Es klang so dramatisch. Sie wusste es selbst nicht. Eine Ahnung? ‚Quatsch‘, dachte sie. Birte war ein intuitiver Mensch und manchmal selbst erschrocken über ihre Ahnungen und darüber, wie oft sie eintrafen. In diesem Moment plumpste Bekker neben ihr auf die Bank. Die Kinder nahmen praktischerweise gleich auf dem Boden Platz. Sie waren vollkommen verschwitzt und restlos außer Atem. Auch ihr Mann keuchte gehörig. „Na, Rundflug beendet? Oder nur Tankstop?“

      „Mami, Mami! Wir sind Düsenjäger, und der Papi ist ein Jumbo, und wir müssen ihn bewachen, weil der Präsident drin sitzt.“ Jenny war ganz aufgeregt und durchdrungen von der Wichtigkeit ihrer Mission.

      „Bin ein kleiner Düsenjäger“, lispelte Zenia, um klarzumachen, dass auch sie eine besondere Aufgabe hatte. Und dann legte sich der kleine Düsenjäger, dort am Boden, auf die Seite und schlief im selben Moment ein. Birte hob ihre Tochter hoch, ohne dass die sich rührte, und legte sie quer auf ihren Schoß. Bekker rückte neben sie, so dass der Kopf des schlafenden Kindes auf seinem Oberschenkel lag.

      „Mein Gott, Du brauchst ’ne Dusche, Bekker“, flüsterte Birte und rümpfte die Nase. Er war tatsächlich schweißüberströmt.

      „Sorry“, sagte er gut gelaunt. In diesem Moment klingelte sein Handy.

      „Nein, Bekker! Ich dachte, Du hättest das verdammte Ding zu Hause gelassen. Wer uns wirklich erreichen muss, hat meine Nummer. Schmeiß es an die Wand, das ist bestimmt die verfluchte Klinik auf der Suche nach ‚Mister Unersetzbar‘. Please, Bekker, geh nicht dran. Wir sind im Urlaub und damit für die schnöde Welt verschollen.“ Ihr Ton war flehentlich. Bekker blickte schuldbewusst. Das Handy klingelte unverdrossen. Er hatte es tatsächlich aus Gedankenlosigkeit in der Tasche seiner Jacke gelassen. Schließlich drückte er den Annahmeknopf.

      „Last call, danach schalte ich’s ab, versprochen“, flüsterte er seiner Frau zu. Birte Bekker nickte resignierend. Sie stand auf, mit dem schlafenden Kind auf dem Arm, das jetzt den Kopf an ihre Schulter kuschelte, und ging in Richtung der Flughafenboutiquen. Sie wollte nicht wissen, wer anrief und um was es ging. Fast hoffte sie, wenn sie nicht zuhörte, würde es sich als unwichtig herausstellen. Vielleicht hatte sich jemand verwählt. Jenny zuckelte hinter ihr her.

      „Ja, hallo, Bekker hier“, er gab sich geschäftsmäßig, um Anrufer mit banalen Anliegen abzuschrecken. Im nächsten Moment saß er kerzengerade. Die Stimme am anderen Ende hatte er nicht erwartet. Tanaka. Der Japaner hielt sich nicht mit Begrüßungsfloskeln auf.

      „Herr Bekker, ich habe Sie heute Morgen angelogen.“ Die Stimme klang gepresst und zitterte. Tanaka zeigte normalerweise keine Gefühle. Bekker wusste sofort, dass etwas Besonderes vorgefallen sein musste. Einen winzigen Moment lang wünschte er, den Anruf nicht entgegengenommen zu haben.

      „Ihrem Freund, Herrn Menzel, geht es keineswegs gut. Tatsächlich geht es ihm ziemlich schlecht. Er hat typische Hirndruckzeichen, die heute Nacht noch schlimmer geworden sind. Sie waren kaum weg, da hat er wieder gekrampft, typische Streckkrämpfe der Arme mit Innenrotation. Als ich ihn untersuchte, waren beide Pupillen mittelweit und lichtstarr.“

      Einige Sekunden lang war Schweigen. Bekker konnte nicht glauben, was er hörte. Er kämpfte gegen ein eigentümliches Gefühl der Lehre und der Kälte. Ihm war, als führe ein anderer das Gespräch und er höre nur zu. Zufällig. Dann traf ihn der Schock. Es war also passiert. Er presste das Mobiltelefon ans Ohr in der Hoffnung, er hätte falsch verstanden. Der Japaner machte ein Geräusch, das Bekker nicht einordnen konnte. Es dauerte eine ganze Weile, bis Tanaka weitersprach.

      „Ich weiß, dass ich ihnen das alles nicht sagen darf, aber ich verstehe meinen Chef nicht mehr.“ Wieder eine Pause. Wieder musste Tanaka sich sammeln.

      „Herr Weiss hat dem Chef alles korrekt übermittelt, alle Befunde über den klinischen Verlauf. Trotzdem hat Professor Brücher den Transport des Patienten in das CT verboten. Statt dessen hat er Maßnahmen angeordnet, die man bei einem Hirnödem anwendet, also Kortison, Diuretika und die üblichen Lagerungsmanöver. Ich habe Weiss mehrfach darauf hingewiesen, dass hier eine Blutung ausgeschlossen werden muss und dass abschwellende Maßnahmen bei einer Blutung einen...“, Tanakas Stimme überschlug sich plötzlich, „...einen Scheißdreck wert sind!“ Für einen Moment verlor er die Contenance. Trotz der Dramatik der Situation wunderte Bekker sich, welchen Wortschatz sich der Japaner angeeignet hatte.

      „Es hat nichts genützt. Weiss hat zwar indirekt zugegeben, dass ein CT gemacht werden müsste, um eine Blutung auszuschliessen beziehungsweise die mögliche Blutungsquelle zu sichern und zu orten, aber es wäre nun mal ein Patient vom Chef, und der hätte die größte Erfahrung von uns allen. Und so weiter. Ich habe ihn gebeten, seine Anordnungen und die des Chefs in der Kurve schriftlich zu vermerken, da ich sonst die Station verlassen würde.“ Wieder eine Pause in der Tanaka sich zu sammeln suchte.

      „Glauben

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