Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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hängen und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, als würde es regnen.

      Bekker stand vor den dreien wie ein zu-ewiger-Verdammnis Verurteilter. Es waren die Menschen, die ihm am meisten auf der Welt bedeuteten. Für die er jederzeit sein Leben geben würde. Jetzt aber blickten sie auf ihn wie die Richter eines hohen Tribunals. Es gab keine Antworten. Nichts ließ sich rückgängig machen. Sie liebten ihn, und er liebte sie. Aber er gehörte nicht dazu. Er war ausgestoßen, weil er selbst es so wollte.

      Ein Gefühl unendlicher Verlassenheit, wie er es seit seiner Kindheit nicht mehr verspürt hatte, schnürte ihm die Kehle zu. Er konnte nicht sprechen, wusste, dass er sie nicht erreichen würde. Mit einer hilflosen Geste wandte er sich ab, strebte kurz darauf mit eiligen Schritten dem Ausgang zu. Bekker kannte das Risiko. Er war dabei alles zu verlieren, was ihm wichtig war, und dennoch setzte er seinen Weg unbeirrt fort, ohne das geringste Zögern. Dies war sein Schicksal. Eine Schere, die sich nicht schließen ließ. Er sehnte sich so sehr danach, geliebt zu werden, aber er ertrug keine Nähe. Er trat aus der Halle und winkte nach einem Taxi.

       11. Kapitel Universitätsklinik

      „Wo soll’s denn hingehen?“ Der Taxifahrer hatte sich halb zu dem verschwitzten Mann umgedreht, der im Fond seines Wagen Platz genommen hatte und seit einer Minute vor sich hin stierte, ohne etwas zu sagen. Bekker schrak auf, als wäre er gerade aufgewacht.

      „Ach ja, Entschuldigung. Bitte zur Universitätsklinik. Haupteingang Chirurgie. Clemensstraße, na, Sie wissen schon, oder?“ Der Fahrer hatte sich bereits umgedreht und den Anlasser betätigt. Natürlich wusste er, wo die Chirurgie der Unikliniken war. Seine Schwiegermutter wurde dort seit mehreren Wochen behandelt. Darmkrebs. Sah nicht gut aus, was die Ärzte so sagten.

      „Ist was passiert?“ gab er sich leutselig. Der Mann auf dem Rücksitz seines Wagens machte einen verstörten Eindruck, und er versuchte, ihn ein bisschen aufzumuntern. Wahrscheinlich ein Unfall in der Familie. Der sah aus, als käme er gerade vom Sportplatz oder einem Gartenfest mit Kindern.

      Bekker sagte nichts, da er nicht hingehört hatte. Er war mit sich selbst beschäftigt, hatte angefangen nachzudenken. Er saß jetzt also im Taxi auf dem Weg zur Klinik. In weniger als zehn Minuten würden sie da sein. Und dann? Würde er in das Gebäude stürmen, Excalibur aus der Scheide reißen und eine feurige Spur der Vergeltung durch die hohen Gänge des altehrwürdigen Gebäudes ziehen? Würde er persönlich die zweifelsohne lebensrettende Operation beginnen, unterstützt nur von einer treuen Nonne, die als einzige zu ihm hielt?

      Er lächelte. Die verrücktesten Assoziationen kamen ihm in den Sinn, und die Gedanken schlugen in seiner aufgewühlten Seele Purzelbäume. Ja, tatsächlich, was genau wollte er eigentlich hier? Er hatte keine Ahnung. Ihm wurde klar, dass er keinerlei Rechte besaß und viel wichtiger, dass er von den nächtlichen Ereignissen eigentlich gar keine Kenntnis haben konnte. Tanakas Auskünfte, sein verzweifelter Anruf waren vertraulich gewesen, absolut vertraulich. Offiziell ging es dem Patienten Jürgen Menzel blendend. Was also wollte er hier? Wenn er für seinen Freund etwas tun wollte, musste er überlegt vorgehen. Ein Eklat nützte niemandem. Im Gegenteil, man würde ihn in die Schranken weisen, möglicherweise suspendieren. Fritsche würde ihm in keinem Fall den Rücken stärken, würde es nicht können, nicht wollen. Unter solchen Umständen.

      Welchen Umständen eigentlich? Je näher sie der Klinik kamen, desto deutlicher wurde er sich der Tatsache bewusst, dass er keinerlei Plan hatte, auf keinerlei Eventualitäten vorbereitet war. Er begann seine Gedanken zu ordnen. Tanakas Beurteilung der medizinischen Fakten stand für ihn außerhalb jeden Zweifels. Daran musste er jetzt keinen einzigen Gedanken verschwenden. Dem Japaner war der Anruf schwer genug gefallen. Er hatte sich aus Gewissensgründen dazu entschlossen. Als exzellenter Fachmann wusste er genau, wovon er sprach. Möglicherweise hatte er als Folge seines inneren Widerstreits sogar noch untertrieben.

      Bekker sah auf die Uhr. Die Zeit raste. Er musste sich als erstes einen Überblick verschaffen. Vielleicht war ja inzwischen bereits etwas geschehen. Ihm fiel ein, dass Müller heute Dienst hatte. Der würde bei einer solchen Situation in keinem Fall tatenlos zusehen, das war vollkommen ausgeschlossen. Müller hatte sich in jeder Beziehung von seinem Chef abgenabelt und war auf dem Sprung eine leitende Position an einer anderen Klinik zu übernehmen. Mehrere Universitäten buhlten derzeit um ihn. Er brauchte Brücher nicht und würde keine Rücksicht nehmen. Eine solche Fehlentscheidung und alles, was daraus für die Beteiligten erwachsen konnte, würde er nicht mittragen.

      Bekker grübelte. Normalerweise wechselten die Oberärzte ihren Bereitschaftsdienst am Wochenende gegen zehn Uhr morgens. Tanakas Anruf aber war erst gegen Mittag erfolgt. Also war Müller gar nicht im Dienst. Hatte vielleicht ein Tausch stattgefunden, womöglich auf Brüchers Betreiben hin? Oder hatte er den Dienstplan der Neurochirurgie nicht richtig im Kopf? Wäre Müller seit vormittags im Dienst, wäre längst etwas passiert. Da fiel ihm ein, dass Tanaka ausdrücklich erwähnt hatte, Müller sei im Dienst, allerdings ab nachmittags. Warum erst nachmittags? Das war ungewöhnlich. Bekker schüttelte den Kopf. Es würde eine ganz banale Ursache haben. Er sah schon Gespenster. Es hieß jetzt kühlen Kopf bewahren.

      Das Taxi hielt vor dem Haupteingang. Bekker fasste in die Hosentasche. Verdammt, die falsche Hose. Er hatte gar kein Geld dabei. Dies waren seine alten Schmuddel-, Kinder-, Reise-Jeans. Heiß geliebt, eingerissen und immer wieder geflickt. Das Geld war in seiner Lederjacke, und die mit Birte und den Kindern auf dem Weg nach Rom.

      „Moment“, an den Fahrer gewendet, „ich hole eben Geld. Bin einfach losgerannt, als ich erfahren habe...“, er sprach nicht weiter und ließ den Fahrer in der romantischen Illusion, es handele sich um einen plötzlichen, spannenden Notfall. War es ja eigentlich auch. Der Fahrer nickte verständnisvoll und griff zur Zeitung auf dem Beifahrersitz, um zu warten. Bekker rannte die steinerne Zufahrt zur Eingangstür hoch. Gott sei Dank, Pfleiderer, einer von den jüngeren Pförtnern, hatte Dienst. Den konnte er problemlos anpumpen.

      Pfleiderer verwickelte ihn gelegentlich in Fachgespräche. Entweder hatte er gerade etwas in der Zeitung gelesen, oder in seiner Familie gab es einen nach seiner Meinung rätselhaften Krankheitsfall. Bekker war immer freundlich und interessiert, womit er seinem Gesprächspartner das Gefühl gab, ernstgenommen zu werden. So machte er es eigentlich immer. Er war so erzogen, und es entsprach seinem Naturell. Eigentlich liebte er alle Menschen, nur für seine eigene Familie reichte es nicht.

      „Aber Herr Doktor, wie sehn denn Sie aus! Ich denke, Sie sind im Urlaub.“ Pfleiderer sah auf den vor ihm liegenden Plan, der stets die aktuellen diensthabenden Ärzte des Gesamtklinikums auswies, ihre Pipernummern, privaten Telefonnummern und seit neuestem auch ihre Urlaubszeiten, zumindest für die in leitender Funktion. Was das sollte, wusste niemand so recht. Der Dekan hatte es eines Tages angeordnet und forcierte auf diese Weise, zumindest indirekt, den allgemeinen Unersetzlichkeitswahn. Für Bekker war es überflüssige Wichtigtuerei. Dabei reflektierte er nicht, dass er selbst ein maßgebliches Element dieses Irrsinns war.

      „Hab’ ein Taxi warten“, murmelte er hastig, ohne auf die Frage einzugehen, während Pfleiderer schon die Geldbörse zückte. Er war derartige Ansinnen gewohnt. Die Herren Doktores vergaßen so allerlei, und nicht immer ging es um Geld. Pfleiderer war gerne hilfreich. Eine Hand wäscht die andere. Bekker zahlte das Taxi mit einem Riesentrinkgeld, weil er auf das Wechselgeld nicht warten wollte. Als er zurück in die Klinik hastete, musterte er mit einem Blick den ‚Prominenten-Parkplatz‘, wie die Klinikangehörigen die reservierten Stellplätze direkt neben dem Eingang nannten und wo Klinikleiter und diensthabende Oberärzte ihre Wagen bequem abstellen konnten. Es standen nur wenige Autos auf ihrem Platz. Zwei erkannte er sofort. Sie gehörten Fritsche und Brücher. Auf dem Platz für den neurochirurgischen Oberarzt stand ein nagelneues T-Modell. Das war ganz sicher nicht Weiss’ Auto, denn der fuhr einen gebrauchten 911er, darüber hatten sie sich kürzlich erst unterhalten. Also musste es Müllers Wagen sein.

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