Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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Pförtner im Vorbeigehen zu und nahm ihm damit die Chance, ein Gespräch zu eröffnen. Auf halber Treppe blieb er für einen Moment stehen. Es war wenig Publikumsverkehr, die Besuchszeit war lange vorbei. Bekker steckte das verschwitzte T-Shirt in die Hose und versuchte mit den Fingern, so gut es ging, die Haare zu ordnen. Den Schlüssel zu seinem Büro hatte er natürlich auch nicht, ebenso wenig den zu seinem Haus. Das war jetzt egal, entschied er. Was machten Fritsche und Brücher hier? War das Zufall? Er dachte nicht weiter darüber nach, wusste, dass er eh nicht mehr zurück konnte.

      Er öffnete vorsichtig die Tür zur neurochirurgischen Intensivstation. Der Flur war leer. Aus dem Stationszimmer klangen Stimmen, ruhige, unaufgeregte Stimmen. Sie mischten sich mit den vertrauten Geräuschen rhythmisch schnaufender Beatmungsgeräte. Wie ein Einbrecher schlich Bekker auf Zehenspitzen zu Jürgen Menzels Zimmer und trat ein. Das Bett war leer und frisch bezogen. Bekker machte auf dem Absatz kehrt und stand im nächsten Augenblick im Stationszimmer. Die Besatzung der Intensivstation bestand heute lediglich aus einer examinierten Krankenschwester, Martina Zech, sowie zwei Schülerinnen und einem Studenten im Praktischen Jahr. Man hatte sich gerade gemütlich zum Essen niedergelassen. Der Tisch stand voll mit allerlei Aufschnitt, Tomaten und Gurken. Ein großer Korb quoll über mit Semmeln und geschnittenem Brot.

      „Wo ist der Patient?“ fragte Bekker entgeistert in die Runde. Er lehnte sich gegen den Türrahmen, hatte plötzlich weiche Knie. Lieber Gott, Nein!

      „Welcher Patient, Herr Oberarzt?“ fragte Martina Zech, nicht weniger entgeistert. Sie war eine dralle Rothaarige in den späten Dreißigern, geschieden, kinderlos. Nicht hässlich, nicht hübsch, irgendwo dazwischen, immer perfekt geschminkt, die Fingernägel meist schrill lackiert. Vielen erschienen vor allem diese langen, sorgfältig lackierten Fingernägel widersinnig, bei der Knochenarbeit auf einer Intensivstation.

      Bekker hatte sich oft gefragt, wie sie es schaffte, die Patienten aus der Scheiße zu ziehen, zu waschen und neu zu betten, ohne dass ihr Outfit oder Ihre Frisur etwas abbekamen. Aber sie war tüchtig, und Bekker mochte sie deswegen und respektierte sie. Als Frau interessierte sie ihn wenig, auch wenn er nach wie vor gerne ein freundliches Auge auf einen hübschen weiblichen Hintern legte. Aber sie war nicht sein Typ. Bekker stand nicht auf Frauen mit dicken Oberarmen, die im Bett schrien und schwitzten. Martina Zech starrte Bekker immer noch an, auf den Lippen viele Fragen, die sie jedoch nicht aussprach. Sie hatte heute Ihren ersten Tag im Dienst nach einer Freiwoche und war über die nächtlichen Ereignisse nicht im Detail informiert. Vor allem nicht über die besondere Beziehung des anästhesiologischen Oberarztes Dr. Bekker zu dem neurochirurgischen Patienten Jürgen Menzel.

      „Menzel“, stieß Bekker hervor, „Jürgen Menzel, Box drei, Hirnblutung nach Kraniotomie, gestern.“

      „Ach so“, gedehnt, „der Patient vom Chef.“ Martina Zech betonte diesen Sachverhalt mit dem typischen Unterton, der Patienten in unterschiedliche Besitzkategorien einteilt. So wie man sagen würde, ‚Warum interessieren Sie sich für dieses Auto? Das gehört doch dem Scheich von Kuwait.‘ Es war eine Art subalterner Arroganz, mit der im Rahmen der täglichen Machtspiele innerhalb des Klinikums klargestellt wurde, wer wo was zu sagen und zu bestimmen hatte. Vor allem aber, wem ein bestimmter Patient ‘gehörte‘.

      Tatsächlich fiel dieser Begriff permanent, wörtlich oder sinngemäß. Dieser Patient gehört den Herzchirurgen, oder er gehört den Unfallchirurgen oder Onkologen und so weiter. Dies war eine Feststellung, oft genug eine Warnung, von dem Kranken die Finger zu lassen, es sei denn, man wurde ausdrücklich aufgefordert, eine Meinung abzugeben. Auf den einzelnen Fall zugeschnittene Sachkompetenz war oft genug zweitrangig innerhalb dieses bizarren Gefüges aus Anspruchsdenken, Ignoranz und Größenwahn. Nicht selten landeten Patienten aufgrund ihrer eigenen Unkenntnis oder durch blanken Zufall in einer Fachabteilung, die für das eigentliche Grundleiden in keiner Weise kompetent war. Machte nichts. Der Patient ‘gehörte‘ der Klinik, die ihn, aus welchen Gründen auch immer, als erstes in die Finger bekam. Der Bauchchirurg operierte die Gefäßanomalie ‘seines‘ Patienten mal eben mit, der Urologe entfernte die Gallenblase auf seinem Weg zur Prostata, und manch ein Patient staunte, dass offensichtlich nicht nur die Ärzte im Fernsehen Spezialisten für alles waren.

      Ein ‘Patient vom Chef‘ war die maximale Steigerung des Besitzanspruches, eine Art Unberührbarer, nur zugänglich speziell autorisierten Personen, ‘denen mit den geweihten Händen‘, wie Bekker das gerne spöttisch nannte. Ein Privatpatient wurde Spezialisten anderer Fachrichtungen nur in größter Not vorgestellt und an andere Kliniken bestenfalls unter Waffengewalt abgegeben, oder wenn der Patient ausdrücklich darauf bestand, was man in der Regel durch geschickte Manipulation seiner Ängste zu verhindern wusste.

      Bekker starrte verständnislos auf die Schwester, die sich, ohne weitere Erläuterungen, erneut ihrem Brunch zugewendet hatte, offenbar in der felsenfesten Überzeugung, der so unwillkommen Hereingeplatzte sei nun ausreichend informiert und würde seiner Wege gehen, ohne den gemütlichen Brunch weiter zu stören. Bekker fühlte, wie ihm der Kamm schwoll. Er ging neben der rothaarigen Schwester in die Knie, so dass er ihr von unten ins Gesicht blickte. Er war kreideweiß, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

      „Hör zu, Mausi,“ sagte er, ohne die Stimme zu heben, „ich habe eine freundliche Frage gestellt und ich will nicht mehr als eine Antwort, freundlich oder unverschämt, das ist mit so egal wie der Kuh der Sonntag, nur eine Antwort. Wo ist mein Freund Jürgen Menzel? Seit gestern Patient auf dieser verdammten Station. Du kennst doch deine Patienten“, immer noch flüsterte er, so dass die beiden anderen kaum etwas verstanden, „oder wird erst diniert und dann werden die Patienten versorgt? Nach dem Nachtisch, und wenn nichts Wichtigeres ansteht?“ Er stand auf, und im selben Moment bereute er, was er gesagt hatte. Er fuhr sich durch die Haare und war wieder der unstete Junge in seinem verschwitzten Freizeitoutfit, voller Sorge um seinen besten Freund. Martina Zech war über und über rot geworden, und für einen Moment hatte es ihr die Sprache verschlagen, was nicht häufig vorkam. Sie holte tief Luft, aber Bekker kam ihr zuvor.

      „Tut mir leid“, murmelte er, und fasste sie an der Schulter, als wolle er verhindern, dass sie wie eine Furie aufsprang, „verflucht nochmal, tut mir leid! Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Irgendwie ein bisschen viel seit gestern.“ Er griff sich einen freien Stuhl und setzte sich, die Wand zum Flur unmittelbar im Rücken. „Hab’ gerade meinen Urlaub geschmissen, weil“, er brach ab. Er dachte plötzlich an Birte und die Kinder. Für einen Moment musste er gegen die Verzweiflung kämpfen, die ihn überkommen wollte. Er schwieg, und es ließ nach. Was ging das alles die Leute an? Wen interessierte es, wie er sich fühlte? Auch die Pose des Staatsanwaltes stand ihm nicht zu, etwa, ‚Ich stehe hier, weil der Patient Jürgen Menzel offensichtlich Opfer eines Behandlungsfehlers geworden ist‘. Statt dessen hob er die Schultern und murmelte,

      „Na ja, der Jürgen und ich, wir sind schon zusammen in die Schule gegangen“, und beinahe trotzig, „Ich kann doch nicht einfach in Urlaub fahren, und er liegt hier...“ Wieder beendete er seinen Satz nicht. Er sprach nicht zu den Anwesenden, sondern zu seiner Familie weit weg im Flieger nach Rom, aber das wusste hier natürlich keiner.

      „Ich bin einfach in Sorge“, ergänzte er schließlich vage und fügte schnell hinzu, „Die Familie des Patienten auch.“

      „Die Familie sitzt bereits seit mehr als einer Stunde im Zimmer vom Chef“, sagte die Schwester spitz, wobei sie ‘Familie‘ betonte. Offensichtlich hatte sie ihre Sprache wiedergefunden.

      „Die Frau“, ergänzte sie schließlich, und machte Bekker klar, dass seine Rolle als Anwalt der Angehörigen nicht verfing. Dennoch wurde ihr Ton freundlicher. Sie hatte nichts gegen Bekker. Er war von den ungezählten Oberärzten auf der universitären Überholspur einer der ganz wenigen, die bei ihr nicht unter der Rubrik ‚skrupelloses, karrieregeiles Arschloch‘ abgelegt waren. Er war wirklich der Letzte, mit dem sie Streit haben wollte, auch wenn sie nicht verstand, worüber er sich so aufregte.

      „Ihr

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