Das Hospital. Benno von Bormann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Hospital - Benno von Bormann страница 32

Автор:
Серия:
Издательство:
Das Hospital - Benno von Bormann

Скачать книгу

Andererseits haben Sie mich zu diesem Gespräch aufgefordert, und ich bin sicher, Sie werden mir Gelegenheit geben, meinen Standpunkt vorzutragen.“ Warum so geschraubt? Herrgott, wo war seine berühmte Unbeschwertheit. Stattdessen schwitzte er und fühlte sich in der Enge. Fritsche zeigte keine Reaktion. Er hielt Bekkers Blick fest und auf seiner Stirn zeigte sich eine gerade Falte.

      „Ich muß allerdings von vorne anfangen. Bitte hören Sie mir in Ruhe zu und lassen Sie mich alles erzählen. Ich will versuchen, das Unwesentliche wegzulassen. Ich weiß, Sie sind zornig, aus Gründen, die ich nur ahnen kann. Die ich aber, offen gesagt, ganz sicher nicht verstehe und auch nicht akzeptiere. Ich bin, so denke ich, nicht irgendwer für Sie, Herr Fritsche.“ Bekkers Sicherheit begann zurückzukehren und auch seine Empörung über das, was geschehen war. Er vergaß, dass er noch vor wenigen Momenten wie ein ertappter Schuljunge in seinen verdreckten Klamotten auf dem edlen Ledersofa Platz genommen hatte, bemüht, nur nichts zu beschmutzen.

      „Ich bin nun seit beinahe acht Jahren an dieser Abteilung, habe alle Stationen in verantwortlicher Position durchlaufen, vertrete Sie regelmäßig in der Klinik und in der Fakultät und bin damit eine wesentliche Speiche im Räderwerk Ihres Instituts. Dies verhält sich so, weil Sie es wollten, Herr Fritsche, und ich will nicht begreifen, dass nun wegen eines Vorfalles, über den Sie offensichtlich keine ausreichenden Informationen besitzen, alles falsch gewesen sein soll und Sie mir einen Tritt geben.“ Im Kontrast zu seinen bitteren Worten lächelte Bekker plötzlich. Er hatte das Kinn, ohne es zu merken, kampfeslustig vorgereckt. Er war wieder zurück im Ring, und Fritsche hatte es registriert.

      „Doch es geht nicht um mich. Wirklich nicht! Es geht um einen jungen Mann, Sportler, erfolgreicher Jungunternehmer, Ehemann und außerdem mein bester Freund.“ Seine Stimme wollte brechen. Er holte tief Luft. Jetzt bloß nicht weich werden.

      „Ach ja, und das wichtigste, Privatpatient.“

      „Bleiben Sie sachlich, Herr Bekker. Erzählen Sie Ihre Version. Ich bin bereit zuzuhören, aber bleiben Sie bei den Fakten und lassen Sie die dämliche Polemik.“ Fritsche war erstaunlich ruhig. Wenn er immer noch verärgert sein sollte, so ließ er es sich nicht anmerken. Sein Blick ruhte prüfend, beinahe ein wenig melancholisch auf seinem Mitarbeiter.

      Bekker war ihm der Liebste von allen, vielleicht weil er vieles hatte, das ihm selbst fehlte. Aber davon wusste niemand, nicht einmal die leitende Sekretärin, der er mehr anvertraute als seiner Frau. Natürlich hatte auch Bekker keine Ahnung. Wahrscheinlich hätte er es auch gar nicht wissen wollen. Er war nicht interessiert, was andere über ihn dachten. Vielleicht, um sich seine Illusionen zu bewahren.

      Bekker lehnte sich zurück und begann zu erzählen. Begann mit der gemeinsamen Jugend, dem Sport, den Verrücktheiten. Das Werben um die gleiche Frau ließ er aus. Dann Jürgen Menzel und seine Kopfschmerzen. Schließlich die Einweisung in die Uniklinik und die niederschmetternde Diagnose intrakranielles Aneurysma.

      „Nach sechs Stunden Diagnostik“, sagte Bekker bitter, „eigentlich hat da die ganze Schweinerei schon angefangen.“ Er ignorierte Fritsches mahnenden Blick.

      „Ja, Herr Fritsche, bereits da hat es angefangen, die Ignoranz, die Menschenverachtung. Riesig viel Zeit haben Sie gehabt, die Herren Nussknacker. Während dem Jürgen, der armen Sau, fast der Schädel weggeflogen ist vor Schmerzen und die Diagnose längst feststand, ist Brücher zu den Rotariern gefahren zum gemütlichen Brunch. Zerres hat erzählt, in welchem Zustand er den Patienten im OP vorgefunden hat. Wo man ihn übrigens ohne Anmeldung hin gekarrt hatte, nachdem die Diagnoseorgie abgeschlossen war. Soviel zu den berühmten Absprachen; aber das nur am Rande.“ Bekker erzählte alles. Die Hirndruckzeichen in der Nacht. Die Vorbereitung zur Operation. Wie er, überzeugt, alles nähme seinen regelhaften Gang, todmüde nach Hause gefahren war.

      „Ich hätte nicht gehen dürfen. Ich sag das nicht nur aus der Retrospektive. Es ist auch keine Selbstzerfleischung. Ich versuche einfach nur, ehrlich zu sein, auch wenn’s nicht rühmlich ist für mich. Ich habe das Krankenhaus mit einem mulmigen Gefühl verlassen. Sie wissen ja, Intuition ist nicht meine schwächste Seite.“ Zum ersten Mal lächelte Fritsche freundlich. Da hatte Bekker wahrhaftig Recht. Er war gelegentlich zwar chaotisch und anstrengend, aber seine Intuition war phänomenal.

      „Der Kerl hat einen Riecher, so was kann man nicht lernen. Ich kann mich nicht erinnern, dass er bei einer kritischen Fragestellung schon mal daneben gelegen hätte“, sagte Fritsche in vertrautem Kreise, wenn es gelegentlich um seine Mitarbeiter ging, und das sollte etwas heißen, denn Fritsche hielt sich selbst für den Besten und sprach nicht gern über herausragende Qualitäten von anderen. Schließlich das Telefonat mit Tanaka am nächsten Morgen. Der Japaner war eigenartig gewesen, hatte auf viele Fragen gar nicht oder nur sehr knapp geantwortet.

      „Spätestens da hätte ich etwas merken müssen, Herr Fritsche. Ich kenne Tanaka ziemlich gut. Sie haben doch auch eine Meinung über ihn, oder? Er war ganz anders als sonst. Irgendwie extrem angespannt. Dabei hat er gar keine großen Gefühlsvariationen drauf, der ist eigentlich immer gleich. So wie all die Jungs aus Japan.“ Fritsche war genau der gegenteiligen Meinung und hielt Bekkers Ansicht für grenzenlos naiv, sagte aber nichts.

      „Dann der ‘reversible’ Hirndruck.“ Bekker schlug sich an die Stirn, „so ein Schmarren, so ein ausgemachter Schwachsinn. In der Schwesternschule würden sie einen für so eine Story auspfeifen. Ich muss Ihnen ja wohl nichts über intrakranielle Blutung und Hirndruck erzählen? Ich kann mich selbst nicht verstehen. Aber ich hab’s glauben wollen. Ich wollte meine Familie endlich einmal nicht enttäuschen und hab’ dafür einen Patienten im Stich gelassen.“

      Wieder hatte Bekker zu kämpfen. Er schwieg. Es war eigentlich eh alles erzählt. Es gab nichts hinzuzufügen. Er wartete, dass Fritsche sich äußern würde. Wenn nicht, dann hatte er sich offensichtlich für die politische Lösung des Problems entschieden. Die hohen Herren würden die Sache gemeinsam auskungeln. Relativieren als schicksalhaften Verlauf. Dann stand Bekker allein, als Michael Kohlhaas, als Eiferer oder Querulant.

      Fritsche sagte immer noch nichts und schaute an Bekker vorbei. Wind war aufgekommen und schlug eines der geöffneten Fenster gegen die Fassung. Fritsche stand auf, es zu schließen. Er zog die Gardinen vor und ließ die hereinbrechende Dämmerung draußen. Anschließend kehrte er nicht an seinen Platz zurück, sondern setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Offensichtlich hatte er sich entschieden. Bekker wertete sein Verhalten als Hinweis, dass das vertraute, offene Gespräch beendet sei.

      Fritsche zündete erneut seine Pfeife an. Als er schließlich zu sprechen anfing, war es so leise, dass Bekker Mühe hatte, ihn zu verstehen.

      „Herr Bekker, wie lange sind Sie jetzt in der Neurochirurgie. Als Oberarzt, meine ich.“

      „Ziemlich genau vier Jahre.“

      „Vier Jahre. Ganz schön lang. Normalerweise lasse ich die Oberärzte in kürzeren Intervallen zwischen den operativen Kliniken rotieren. Zwei Jahre war eigentlich immer das Äußerste. Wissen Sie, warum ich bei Ihnen eine Ausnahme gemacht habe?“

      „Sicher nicht, weil ich mit Herrn Brücher so besonders gut harmoniere“, sagte Bekker trotzig. „Ich mochte ihn von Anfang an nicht, um ehrlich zu sein“, fügte er hinzu, da er eine solche Frage erwartete. Und, um seiner Äußerung die Arroganz zu nehmen, „Das beruht wohl auf Gegenseitigkeit.“

      „Da sind Sie im Irrtum, Herr Bekker. Brücher ist zwar alles andere als ein angenehmer Mensch, aber er schätzt Sie außerordentlich. Das ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Ich weiß es von Dritten. Mir gegenüber würde er natürlich niemals zugeben, dass er Respekt vor der Leistung eines Anästhesisten hat. Unmöglich! Aber wissen Sie, das ist auch ein bisschen ein Generationsproblem. Brücher stammt aus einer Zeit, als es die Anästhesie bestenfalls als notwendigen,

Скачать книгу