Das Hospital. Benno von Bormann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Hospital - Benno von Bormann страница 34

Автор:
Серия:
Издательство:
Das Hospital - Benno von Bormann

Скачать книгу

      „Dort wird man einen Kompromiss aushandeln. Ein Mann wie Brücher ist bestens abgesichert, und die Haftpflichtversicherer folgen überwiegend den Empfehlungen der Kommission und ihren Experten. Ihr Freund und seine Frau werden sehr, sehr viel Geld bekommen. Da verbürge ich mich. Geld, das sie dringend benötigen. Für die Rehabilitation, die Weiterführung oder Liquidierung der Firma. Eventuell die Pflege. Tut mir leid, aber auch daran muss man denken. Wie ich die Sache einschätze, steht zu befürchten, dass Ihr Freund nie mehr allein zurechtkommt.“

      Es war heraus, in aller Deutlichkeit, das erste Mal, seitdem sie zusammensaßen. Fritsche sah die medizinische Seite ebenso wie Bekker. Eher noch schlimmer. Nur bei der Beurteilung der Hintergründe wollte er sich offenbar bedeckt halten. Zumindest verfolgte er eine gänzlich andere Strategie.

      „Das Gericht ist die schlechteste Lösung. Ich weiß, was in Ihnen vorgeht. Sie wollen Gerechtigkeit. Sie wollen die Bestrafung des Mannes, der nach Ihrer Einschätzung, Ihrer ganz persönlichen Einschätzung“, Fritsche ließ keinen Zweifel, dass nicht jeder Bekkers Meinung teilen musste, zumindest nicht in dieser Konsequenz und keinesfalls offiziell, „die Gesundheit und Unversehrtheit ihres Freundes auf dem Gewissen hat. Ein schwerer Vorwurf. Durch einen angestellten Arzt der Universitätsklinik erhoben gegen einen ihrer Ordinarien, eine weltweit renommierte Kapazität auf seinem Gebiet, einen Mann mit enormem Einfluss in der Universität und auch außerhalb.“

      Fritsche malte ein vollkommen realistisches Szenario. Er übertrieb kein bisschen. Bekker wusste, dass es sich haarklein so verhielt.

      „Glauben Sie allen Ernstes, Herr Bekker, es fände sich in Deutschland oder anderswo im deutschsprachigen Ausland ein einziger anerkannter Fachmann, der als Gutachter gegen Brücher auftritt? Es wird Gefälligkeitsgutachten hageln. Am Ende ist der Patient selbst schuld gewesen. Die Anständigen werden die Begutachtung ablehnen, wegen Befangenheit oder angeblicher Überlastung. Aber die anderen – wie gesagt. Hören Sie auf zu träumen. Ein solcher Prozess wird ein Begräbnis erster Klasse für die Karriere und die Zukunft – schon wieder die Zukunft, wir kommen einfach nicht daran vorbei – eines gewissen Herrn Dr. Peter Bekker, aufstrebender anästhesiologischer Oberarzt mit besten Chancen. Peng! Das wird so schnell gehen, dass Sie es kaum wahrnehmen. Selbst ich könnte das nicht verhindern. Und Ihr Freund und seine Familie gehen womöglich leer aus. ‘Schicksalhafter Verlauf‘, Sie wissen doch. Vielleicht ein paar Mark von der Regenbogenpresse. Nicht der Rede wert im Vergleich zu dem, was die Versicherung zahlen wird. Zahlen muß, wenn der Anwalt und die Berater der Familie“, ein vielsagender Blick durch die Düsternis des Raumes, „es geschickt anstellen und vor allem kaltes Blut bewahren.“

      Bekkers Ablehnung war spürbar, auch wenn er noch nichts kommentiert hatte. Fritsche versuchte seinen Standpunkt mit unstreitigen Sachargumenten zu untermauern.

      „Machen Sie einen Haftpflichtschaden aus der ganzen Sache. Brücher wird sich zieren, aber er wird zustimmen. Natürlich hat er kein Interesse, durch einen Prozess vor die sensationslüsterne Öffentlichkeit gezerrt zu werden. So verrückt es klingen mag, aber Ihrer Beider Interessen sind ganz ähnlich gelagert. Ein Prozess nützt niemandem, außer den Rechtsanwälten. Oder glauben Sie allen Ernstes, vor Gericht gäbe es Gerechtigkeit?“

      Fritsche tastete nach der Stehlampe und machte in dem inzwischen stockdunklen Raum das Licht an. Er spähte hinüber zu Bekker, der aufmerksam zugehört hatte und sich jetzt räusperte.

      „Es ist in jedem Fall nett, dass Sie sich so bemühen, Herr Fritsche.“ Das war keine Floskel. Bekker meinte es ehrlich.

      „Ich weiß, dass Sie mir helfen wollen, und dass es Ihnen nicht nur darum geht, einen Skandal abzuwenden. Aber ich bin grundsätzlich anderer Ansicht. Unrecht hat immer eine Wurzel und beginnt dort, wo man wegsieht oder vertuscht, seien die Argumente dafür auch noch so schlüssig. Recht, mag dieser Begriff durch die menschliche Gesellschaft inzwischen auch noch so pervertiert sein, folgt keiner opportunistischen Logik. Recht ist unteilbar und sollte eigentlich unser höchstes Gut sein. Sollte! Um es zu erhalten, so wie ich es verstehe, müssen schmerzhafte Auseinandersetzungen in Kauf genommen werden. Ich habe nicht vor, Herrn Brücher zu vernichten. Das kann ich gar nicht.“ Es war offensichtlich, wie schwer es ihm fiel, den Namen auszusprechen.

      „Glauben Sie mir, Rachegefühle sind mir fremd. Aber ich werde mich dafür einsetzen, dass ein Gericht sagt, hier ist Schuld. Hier wurde ein verhängnisvoller Fehler begangen, gegen alle Regeln der Medizin und gegen den Widerstand fachkundiger Ärzte vor Ort. Hier wurden gegen jede Vernunft falsche Maßnahmen durchgesetzt. Nicht mittels überragender Kompetenz, sondern ausschließlich durch Machtmissbrauch in einem erstarrten, anachronistischen hierarchischen System, das zu derartigen Katastrophen geradezu einlädt. Dafür werde ich als Zeuge zur Verfügung stehen, und wenn ich ganz allein bin. Brücher hat ein Verbrechen gegen seinen Eid begangen, den man außer ihm wohl niemandem durchgehen lassen würde. Alles spricht dafür, dass er damit durchkommt. Ich will und werde all meine Kraft einsetzen, dass dies nicht geschieht.“

      Bekker spürte Fritsches Enttäuschung beinahe körperlich.

      „Tut mir Leid, Herr Fritsche. Wirklich. Ich werde Sie auch in keiner Weise in Bedrängnis bringen und nichts von Ihnen erwarten. Nur Fairness, aber da habe ich keine Sorge.“ Er stand auf. Das Gespräch war für ihn beendet. Er erwartete, dass Fritsche dies respektierte.

      „Ich hab’ Sie lang genug aufgehalten und gehe jetzt nach Hause.“ Er fasste in die Hosentasche.

      „Oh je, ich hab’ ja gar keine Schlüssel“, und mehr zu sich selbst, „Hoffentlich ist mein Vermieter zu Hause.“ Fritsche hatte seine Ernüchterung bereits wieder im Griff. Er war ebenfalls aufgestanden und nahm seinen Mantel, der an einem Haken hinter ihm aufgehängt war.

      „Schon okay, Herr Bekker, ich fahr Sie heim, und vorher besuchen wir Ihren Vermieter. Ansonsten ruf’ ich übers Handy einen Schlüsseldienst. Haben Sie Geld?“ Bekker nickte.

      „Ja, zu Hause.“ Sie gingen nebeneinander durch die hohen Flure des altehrwürdigen Gebäudes. Als Sie im Auto saßen, sah Fritsche Bekker von der Seite an. Er tat ihm Leid, und gleichzeitig beneidete er ihn glühend, auch wenn er das niemals zugeben würde. In einer spontanen Geste legte er kurz die Hand auf die Schulter seines Mitarbeiters.

      „Keine Angst, keine weiteren Indoktrinationen. Ich hoffe aber, Sie überlegen sich alles noch einmal sehr genau. Wenn Sie sich entschieden haben, sagen Sie es mir als erstem. Ich werde Sie nicht weiter bedrängen. Meine Meinung kennen Sie, aber ich werde nie ihr Feind sein. Merken Sie sich das.“ Bekker fühlte eine kurze, heiße Welle von Dankbarkeit, die ihm für einen Moment die Kehle zuschnürte. Sie waren nicht auf der gleichen Seite, soviel war klar. Aber Fritsche würde ihn nicht fallenlassen. Das war mehr, als der Rest dieses Tages für ihn bereit gehabt hatte.

      13. Kapitel

      Universitätsklinik

      Endlich zu Hause. Bekker schloss die Haustür auf, tapste im Dunkeln ins Wohnzimmer und setzte, noch bevor er Licht anmachte, den Anrufbeantworter auf dem Beistelltisch neben dem alten braunen Ledersofa in Gang. Das Band war leer. Keine Meldung von Birte und den Kindern. Sie hätte wenigstens anrufen können, ob die Reise gut verlaufen war. Das war rücksichtslos. Was hatte sie nur? Inzwischen war genügend Zeit gewesen, um über alles nachzudenken. Sie musste ihn verstehen. Warum meldete sie sich nicht? Er musste endlich mit jemandem reden, der ihn verstehen und der zu ihm halten würde. Er würde ihr alles erklären. Sie war stur und fanatisch in ihrer Fürsorge für die Familie.

      Die Familie! Das war schließlich auch er. War er niemand? Musste man sich um ihn keine Sorgen machen? Immer nur die Kinder! So war es wohl. Wie es in ihm aussah, interessierte niemanden.

Скачать книгу