Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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ihn. Der Chef war nur am Anfang ein paar Minuten drin. Seitdem kümmert er sich um die trauernde Witwe.“ Sie konnte sich diese neuerliche Spitze nicht verkneifen, schwieg aber sofort, denn sie sah Bekker an, sah sein Entsetzen und seine Angst. Der letzte Rest von Wut verflog. Statt dessen überkam sie eine warme Welle von Sympathie mit diesem verrückten Kerl in seinen abgerissenen Jeans und dem verschwitzten T-Shirt, der wegen seines Freundes offenbar den lang geplanten Urlaub hatte sausen lassen und Hals über Kopf in die Klinik zurückgekehrt war. Seine Familie war sicher begeistert von dieser Entscheidung. Jeder in der Klinik wusste, dass Bekker ein extremer Workaholic und selten zu Hause war. Wahrscheinlich riskierte er gerade seine Ehe. Martina Zech stand auf und fasste Bekkers Arm in einer plötzlichen Geste.

      „Mensch, Bekker“, sagte sie leise, „stay cool, baby.“ Sie strich wie unabsichtlich über seinen Rücken. „Sie sind im neurochirurgischen Bereich im Zentral-OP“, sagte sie, „Ihr Chef ist, glaube ich, höchstpersönlich dabei.“

      „Danke“, sagte Bekker. In der Tür drehte er sich noch einmal verlegen um, „Tut mir leid, ehrlich.“ Damit war er weg.

      Als Bekker die Personalschleuse zum zentralen Operationstrakt betrat, stieß er beinahe mit seinem Chef, Professor Fritsche, zusammen, der den Raum soeben verlassen wollte.

      „Ach nee, der Herr Bekker!“ Fritsches Ton war wenig freundlich. Es klang, als habe er einerseits Bekkers Erscheinen erwartet und sei andererseits verärgert darüber, dass er nun tatsächlich aufgetaucht war.

      „Was machen Sie denn hier, Sie Unglücksrabe? Reicht es denn nicht, was sie bisher angerichtet haben? Warum sind sie, verdammt noch mal, nicht in den Urlaub gefahren? Bis zu Ihrer Rückkehr hätte ich hier sicher alles geregelt gehabt.“ Bekker reichte seinem Chef verlegen die Hand.

      „Hallo, Herr Fritsche.“ Er stockte, weil er nicht recht wusste, was er sagen sollte. Musste er sich tatsächlich dafür rechtfertigen, dass er in seiner freien Zeit, sogar in seinem Urlaub, nach einem Patienten sah? Und was sollte das heißen, ‚Was Sie angerichtet haben?’ Was hatte er angerichtet? Was gab es ‚zu regeln‘? Bekker hatte in seiner Sorge um den Freund alles verdrängt, was in den letzten vierundzwanzig Stunden vorgefallen war.

      Langsam dämmerte es ihm. Er hatte wohl für einigen Aufruhr gesorgt. Hatte die ehernen Gesetze einer deutschen Universitätsklinik missachtet. Er dachte nicht lange darüber nach und hatte weniger denn je Interesse daran, ausgerechnet jetzt politische Sachverhalte zu diskutieren. Der große neurochirurgische Guru war verärgert. Na und? Bekker konnte sich beim besten Willen nichts vorwerfen. Für sein Verhalten gab es vielmehr gute Gründe. Warum machte sein eigener Chef eine solche Welle und wandte sich gegen ihn? Fritsche war selbst kein Klosterschüler und würde das alles sehr gut verstehen, wenn er ihm die ganze Geschichte erzählt hatte. Aber dafür war jetzt wirklich keine Zeit. Bekker versuchte seine Ungeduld zu zügeln, brachte aber nur ein lahmes,

      „Ach wirklich?“ hervor, und dann, ungeduldig,

      „Wie geht es dem Jürgen? Ich meine dem Patienten, dem Herrn Menzel?“ Es kostete ihn Mühe, Ruhe zu bewahren. Am liebsten hätte er geschrien und Fritsche an den Schultern gefasst und ihn geschüttelt.

      „Es war eine Nachblutung, sagen Sie schon. Das war heute Nacht schon klar. Ich bin ein solcher Idiot. Wäre ich bloß nicht nach Hause gefahren. Die haben mich gelinkt, Brücher vorne dran. Warum haben die das getan? Ich versteh’s einfach nicht. Wirklich, ich würde jedes vernünftige Argument akzeptieren.“ Bekker holte tief Luft und versuchte seine Emotionen zu zügeln. Es waren Fragen und Suggestionen zugleich, und sie richteten sich in verzweifelter Hoffnung an den Älteren, Erfahreneren, der wissen musste, wie die Sache stand.

      „Gott sei Dank, dass Müller heute Dienst hat.“ Er brach unvermittelt ab, da er das konsternierte Gesicht seines Gegenübers registriert hatte. Fritsche hatte mit zunehmendem Ärger zugehört. Als er antwortete, ging er mit keinem Wort auf Bekkers Unterstellungen und Fragen ein, erwähnte auch den Patienten nicht mit einer Silbe.

      „Jetzt hören Sie einmal zu, Sie verbohrter Mensch. Wissen Sie eigentlich, was hier los ist? Glauben Sie, Brücher und ich sind an einem Samstag im OP, weil’s uns zu Hause langweilig ist? Oder weil wir uns für unersetzlich halten, wie gewisse andere Leute in ihrer maßlosen Selbstüberschätzung? Zur Notfallversorgung außerhalb der Dienstzeiten gibt es in beiden Kliniken glücklicherweise kompetente und vernünftige Oberärzte.“ Er betonte das Wort ‘vernünftig‘ so unmissverständlich, dass Bekker sofort begriff, dass er selbst nach Fritsches Einschätzung dieser besonderen Spezies nicht angehörte. Er stand äußerlich geduldig vor seinem Vorgesetzen, obwohl es ihn mit jeder Faser danach drängte, sich vor Ort vom Stand der Dinge zu überzeugen. Doch Fritsches helle, kalte Augen hatten ihn da festgenagelt, wo er stand.

      „Gut, Herr Bekker, da Sie nun schon einmal hier sind, offenbar in der festen Überzeugung, ohne Sie ginge es nicht weiter in dieser Klinik, gehen Sie in den OP und stellen Sie fest, dass alles regelrecht verläuft und der Patient optimal versorgt wird.“ Fritsche hob die Stimme. Er straffte sich ein wenig, und sein Blick ging in einer Geste eindeutiger Missbilligung an Bekker vorbei.

      „Das wäre übrigens auch ohne ihren peinlichen Auftritt heute Nacht, auf einer fremden Station“, er wiederholte, als müsse er sichergehen, dass Bekker ihn auch verstand, „auf einer fremden Station!, so vor sich gegangen. Ganz nach den klassischen Regeln der Versorgung von neurochirurgischen Patienten. Neurochirurgische Patienten!“ Erneut wiederholte er sich mit Nachdruck.

      „Der diensthabende Oberarzt, Herr Schaum, macht die Narkose. Ich darf Sie bitten, seine Anordnungen zu respektieren, auch wenn der Patient Ihr Freund ist. Sie sind offiziell im Urlaub und wären normalerweise gar nicht hier. Vergessen Sie das bitte nicht. Das Ganze wird für uns alle, vor allem aber für Sie, ein Nachspiel haben, soviel muss selbst Ihnen klar sein. Ich werde heute noch lange im Büro sein. Bitte kommen Sie nachher zu mir hinein, vorausgesetzt, Sie haben nichts Dringenderes vor.“ Das war ätzende Ironie, aber Fritsches Miene ließ keinen Zweifel, dass er Bekker zum Rapport erwartete. Er verließ die Umkleide ohne ein weiteres Wort.

      Bekker atmete auf, erleichtert, als die Tür sich endlich hinter dem anderen geschlossen hatte. Er zog in größter Hast grüne OP-Wäsche an, und ließ seine eigene Kleidung achtlos an einem der Haken zurück, die für Besucher angebracht waren. Keiner nahm von ihm Notiz, als er so geräuschlos wie irgend möglich die Schiebetür zum neurochirurgischen OP öffnete, wobei er bewusst auf die Betätigung der elektrischen Automatik verzichtete, da er das unbestimmte Gefühl hatte, nicht willkommen zu sein. Lediglich die Anästhesieschwester bemerkte ihn, aber er legte einen Zeigefinger auf den Mund, und so sagte sie nichts, sondern wendete sich wieder dem Patienten zu.

      Professor Schaum, der diensthabende Anästhesist und leitende Oberarzt der anästhesiologischen Klinik, stand mit dem Rücken zu ihm am Fußende des Patienten, wo das Beatmungsgerät und das gesamte Monitoring aufgebaut waren. Den Patienten konnte man nicht erkennen, denn er war komplett mit sterilen Tüchern abgedeckt. Der Brustkorb hob und senkte sich darunter im stetigen, eintönigen Rhythmus des Beatmungsgerätes.

      Bekker stellte sich einige Schritte seitlich von der Tür an die Wand des großen Raumes, bemüht, weiterhin unbemerkt zu bleiben. Von seinem Standort hatte er einen vagen Blick auf das Operationsfeld, allerdings nur dann, wenn der Operateur sich nach der Seite wendete, um von der instrumentierenden Schwester etwas entgegenzunehmen oder ein Instrument zurückzureichen. Ansonsten sah er wenig. Allerdings spürte er die allgemeine Anspannung. Müller operierte mit einem der neurochirurgischen Assistenten, ein junger Mann, den Bekker nicht kannte. Das Reservoir des Saugers war fast voll. Das waren etwa dreieinhalb Liter. Allerdings wurde bei derartigen Operationen viel mit Kochsalzlösung gespült, um dem Operateur eine einwandfreie Sicht auf das Operationsfeld zu gewähren. Bekker erkannte in dem großen Glasgefäß etliche Blutgerinnsel mit der typischen schwärzlichen

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