Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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alles geklärt. Alle wären beruhigt und dann juchhe, ab in den Urlaub. Die Klinik lag fast auf der Route. Ein Umweg von maximal zehn Minuten. Da würde auch Birte…. In diesem Moment sagte Tanaka, und seine Stimme klang seltsam belegt,

      „Nein, er ist beatmet“, und nach einer kurzen Pause, „wir konnten ihn noch nicht extubieren, da er offenbar noch einen Narkoseüberhang hat“, und, wie um eventuellen Einwänden Bekkers zuvorzukommen, „außerdem haben wir ihn heute Nacht mehrfach sediert, da er ja ins CT sollte. Eigentlich. Aber das wissen Sie ja selbst.“ Tanaka klang ein wenig, als wolle er sich rechtfertigen. Bekker war enttäuscht. Wie gern hätte er vor dem Abflug ein paar Worte mit seinem Freund gesprochen. Vielleicht wäre Ruth dagewesen und er hätte sie aufmuntern und beruhigen können. Dass Jürgen Menzel immer noch nicht wach war, erschien ihm für einen jungen, athletischen Mann ungewöhnlich, aber es gab auch bei solchen Patienten gelegentlich erhebliche Variationen in der Wirkung von Beruhigungsmitteln. Außerdem, das mit dem CT war ein Argument. Es war alles logisch. Mehr um sich selbst zu beruhigen, fragte Bekker noch einmal nach. Ohne es zu wollen, klang sein Ton drängend.

      „Es ist also alles gut, Herr Tanaka? Sie wissen ja, wir gehen heute für fast drei Wochen in Urlaub, und Jürgen Menzel ist unser bester Freund. Außerdem möchte ich seiner Frau noch berichten, dass er bald nach Hause kommt.“ Bekker lachte, als wolle er den anderen auffordern, die guten Nachrichten nun endlich sprudeln zu lassen. Tanaka antwortete nicht sofort. Irgend etwas schien mit der Leitung nicht zu stimmen. Es knackte ständig, schließlich ein Schlag, als ob der Hörer auf den Boden gefallen wäre. Dann war der Japaner wieder dran.

      „Wie ich gesagt habe, Herr Bekker, es ist alles in Ordnung.“ Er klang seltsam distanziert, fügte dann aber, nach einer längeren Pause, etwas freundlicher hinzu,

      „Fahren Sie ruhig in den Urlaub. Ich muss weitermachen. Alles Gute.“ Bevor Bekker noch etwas sagen konnte, hatte der andere aufgelegt.

      „Mensch, Peter, nun mach hin. Soll ich die Koffer vielleicht allein im Auto verstauen, während Du hier Telefonkonferenzen abhältst? Guck wenigstens nach den zwei Terroristen.“ Birte war erneut in die Küche gekommen, offenbar um nachzusehen, ob er inzwischen geplatzt wäre. Dann etwas weniger forsch,

      „Wie geht’s Jürgen? Ist alles in Ordnung?“ Bekker spürte, wie schwer ihr die Frage jetzt fiel, und erneut durchströmte ihn ein Gefühl tiefer Zuneigung. Er liebte seine Frau. Wie sehr er sie liebte!

      „Ja, Gott sei Dank. Zwar hat man heute Nacht die ganze Strategie umgeworfen, aber die Symptomatik hatte sich offenbar erheblich gebessert. Weiss war natürlich zu feige für eine eigene Entscheidung und hat um drei seinen Chef aus dem Bett geklingelt. Geschieht dem alten Sklaventreiber recht. Genau das hat man davon, wenn man sich nur mit Duckmäusern umgibt, die zwar von morgens bis abends schlaue Paper schreiben, aber denen beim Anblick eines leibhaftigen Patienten vor Angst das Messer aus der Hand fällt. Doch andererseits, eigentlich ist es gut so. Brücher ist zwar ein Ekelpaket, aber er hat Erfahrung und er würde bei einem solchen Patienten sicher nichts riskieren.“

      Sagte er das, um sich selbst zu beruhigen? Mit einem ‚solchen‘ Patienten meinte er vor allem das Alter und das Umfeld. Der gute Freund eines Oberarztes der Klinik – wenn da etwas schiefging, würde es Kreise ziehen. Trotz der zur Schau getragenen Zuversicht beschlichen ihn, während er mit seiner Frau sprach, erneut Zweifel. Ein erhöhter Hirndruck nach einer lokalen operativen Maßnahme am Gehirn war eigentlich immer Hinweis auf eine Nachblutung, die nicht ausreichend drainiert war. Er konnte sich nicht erinnern, jemals erlebt zu haben, dass sich eine solche Symptomatik spontan zurückgebildet hatte. Wie sollte das auch gehen in so kurzer Zeit? Blutung war Blutung, und danach sah es hier aus. Aber Tanaka hatte gesagt, es wäre alles in Ordnung, und dessen Urteil konnte man absolut vertrauen. Dann war das in der Nacht offenbar der seltene Fall eines lokalen Ödems gewesen, und das konnte sich in der Tat spontan zurückbilden.

      Bekker streckte sich und bemerkte, dass er noch den Morgenmantel anhatte. Birte war schon wieder weg. Irgendwo hatte ein Kind lauter als üblich gebrüllt, und sie war sofort losgerannt. Es fehlte noch, dass gerade jetzt, wo sie endlich aufbrachen, irgend etwas mit den Kindern passierte. Wieder wurde Bekker bewusst, wie sehr seine Frau auf diesen Urlaub fixiert war. Hier ging es um mehr als um banale Erholung. Viel mehr! Er hatte im Stillen ein heiliges Gelübde abgelegt, die nächsten Wochen der liebste, lustigste und hingebungsvollste Familienvater des Universums zu sein. Und er freute sich darauf. Oft genug hatte er ein schlechtes Gewissen, wenn die Kinder ihn nervten mit ihren Wünschen und Fragen, ihrem ständigen Jammern, etwas mit ihnen zu unternehmen. „Mir ist langweilig, Papa.“ Wie das nervte. Er hasste sich dafür, wie er die beiden manchmal schroff abservierte oder mit irgendeiner scheinheiligen Ausrede vertröstete. Die großen verständnislosen Kinderaugen brannten in seiner Seele. Und trotzdem verhielt er sich immer wieder so. Natürlich hatte er viel zu tun, aber das hatten andere auch, ohne deswegen ihre Familie derart zu vernachlässigen, wie er es ohne Zweifel tat.

      *

      Birte kam aus einer Juristenfamilie, während Bekkers Eltern, die meisten seiner Geschwister sowie etliche Schwäger, Cousinen und Cousins Ärzte waren. Auch wenn seine Familie gut situiert war, wie man das so nannte, hatte Bekker nichts geerbt. Sie waren sieben Kinder gewesen, und seine Eltern hatten ihnen nichts vorenthalten. Ihren Lebensabend verbrachten sie mit Reisen, und Bekker hatte sie stets dazu ermuntert. Als sie starben, reichte es für das Begräbnis und die Hypotheken. Immerhin hatten alle sieben Kinder eine tadellose Ausbildung. Das war in Bekkers Augen ein großartiges Vermächtnis und völlig ausreichend. Seine Geschwister dachten ebenso. Was er besaß, hatte er sich erarbeitet. Es war wenig genug an materiellen Werten, doch das scherte ihn nicht.

      Birtes Vater, Dr. jur. Mirko Hartmann, saß im Vorstand etlicher großer Konzerne. Er war sehr konservativ und sehr reich. Bekker hatte sich oft gefragt, wie er wohl zu dem flotten Vornamen gekommen war in diesem gediegenen Umfeld. Die Heirat seiner Tochter mit Bekker hatte bei Hartmann keine reine Freude ausgelöst, obwohl sie sich auf menschlicher und intellektueller Ebene gut verstanden. Ihm gefielen Bekkers scharfer Verstand und seine unkonventionelle Art, die Dinge anzupacken. Auch ihre Wertvorstellungen lagen dicht beieinander. Bekker machte von Anfang an keinen Hehl daraus, dass Geld, Titel und gesellschaftliche Position nur dann für ihn zählten, wenn sich dahinter Persönlichkeiten verbargen, die dieser Äußerlichkeiten nicht bedurften, um bedeutend zu sein.

      Als Bekker und Birte sich kennenlernten, war er bereits Facharzt für Anästhesie. Sie studierte Jura und stand unmittelbar vor dem ersten Staatsexamen. Ihr Vater begriff sofort, dass seine Tochter den Mann gefunden hatte, den sie heiraten wollte. Auch wenn er gegen Bekker als Person keinerlei Einwände hatte, so empfand er ihn jedoch in zweifacher Hinsicht als Bedrohung. Zum einen fürchtete er, wie alle wertkonservativen und ehrgeizigen Eltern in einer solchen Situation, Birte könnte ihr Studium abbrechen. ‚Man besitzt nur das wirklich, was man im Kopf hat’, war sein Credo, ‚alles andere ist Schall und Rauch.’ Er konnte nicht ahnen, wie sehr Bekkers und seine Ansichten in diesem Punkt übereinstimmten. Bekker würde niemals dulden, dass eine Frau ihm zuliebe ihre Ausbildung abbrach.

      Hartmann hatte aber auch mit der unterschiedlichen Vermögenssituation Probleme, was ein wenig im Widerspruch zu seinen grundsätzlichen Wertmaßstäben stand. So waren seine Überlegungen auch mehr pragmatischer Natur. Bekker war ein tüchtiger junger Mann aus bester Familie, deren einziger Nachteil darin bestand, dass sie kein Vermögen besaß. Bekker selbst hatte sein Gehalt und die Zuschläge für Bereitschaftsdienste plus der Chefarztzulage von Fritsche. Das war’s. Die Option auf eine große und damit lukrative Karriere war sicher überdurchschnittlich hoch, aber nichts, worauf man bei dem Überangebot an habilitierten Ärzten hohe Wetten abschließen konnte. Einer solchen Laufbahn stand zudem einer von Bekkers typischen Wesenszügen entgegen: Er war alles andere als angepasst. Das mochte ehrenwert sein, doch für den beruflichen Erfolg nicht eben förderlich. Welche Basis hatte eine solche Ehe?

      Birte Hartmann war bereits als Studentin so vermögend,

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