Wie das Leben so spielt. Karl Zbigniew Grund

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Wie das Leben so spielt - Karl Zbigniew Grund

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      Die Gemeinschaftszelle

      So, jetzt komm langsam in die Gänge. Was spielst du denn? Immer mit der Ruhe, Jungens, wir spielen Pik – Pikus der Waldspecht. Du kommst raus, sagt Roger zum Stefan. Ist doch nicht dein Ernst, da gebe ich dir direkt einen mit – Kontra, sagt Frank.

      Die drei Untersuchungsgefangene spielen Skat. Peter, der vierte in der Runde, ist vorhin zum Besuch abgeholt worden. Stefan ist der jüngste und der einzige, der nicht wegen Drogen im Knast gelandet ist. Dummerweise ist er bei seinem allerersten Wohnungseinbruch erwischt worden. Es ist auch sein erster Aufenthalt in einer Haftanstalt. Am meisten macht ihm die Trennung von seiner Freundin zu schaffen. Er hofft auf eine baldige Entlassung. Seine drei Mithäftlinge haben dagegen grundsätzlich andere Probleme. Roger ist immer noch mit seinem Methadonentzug beschäftigt. In den letzten zwei Wochen war er fast bewegungsunfähig. Inzwischen geht es ihm etwas besser. Er kann sich von seinem Bett herunter gleiten lassen und kann auch ein paar Schritte gehen, wenn es unbedingt sein muss. Ebenso kann er wieder essen ohne zu würgen und zu kotzen. Es hätte ihn auch härter treffen können. Kalter Entzug von Methadon ist lebensgefährlich. Inzwischen wird die Angelegenheit etwas abgemildert. Die ersten Tage bekommt man noch etwas Methadon, das aber in wenigen Tagen auf Null herunter gefahren wird. Dramatisch genug. Frank hat sich dagegen in weiser Voraussicht gar nicht erst auf dieses Ersatzmittel eingelassen. Der Entzug von Heroin verläuft nur wenige Tage richtig dramatisch und krass. Ab dem vierten Tag geht es meistens wieder aufwärts.

      Frank und Peter sind schon lange dabei. Sie kennen sich aus in den Knästen und therapeutisch angehauchten Einrichtungen. Als Vollblut-Polytoxikomane durfte Peter auch schon mal die Heilkunst einer psychiatrischen Klinik in Anspruch nehmen. Leider ohne Erfolg.

      Im Knast werden Drogenabhängige in der Regel zuerst auf einer Gemeinschaftszelle untergebracht, weil man ihnen suizidale Absichten unterstellt.

      Hoffentlich lässt sich unser Peter nicht erwischen, bemerkt Frank, während er eine Karte aufspielt. Glaub ich nicht, erwidert Roger, so blöd ist er nicht. Peter ist ein alter Hase. Ja schon, aber es kommt darauf an, wer den Besuch abhält. Manchmal hast du da so einen Knallkopf mit am Tisch sitzen, der dir ununterbrochen auf die Finger schaut. Ein falsches Wort, eine falsche Bewegung und er bricht den Besuch einfach ab. Peter ist abgewichst, dem wird schon was einfallen. Es gibt immer eine Möglichkeit. Stell‘ dir mal vor, die Alte bringt nichts mit, sagt Frank, dann kriegt er seine Befehle. Sie unterbrechen das Kartenspiel. Dann kriege ich aber auch Befehle, dann häng‘ ich mich weg. Jou, da mache ich direkt mit, dann können wir hier Probehängen veranstalten.

      Ihr seid ja vielleicht drauf, meldet sich Stefan zu Wort, der sich aus den Fachgesprächen meistens heraus hält. Sei du mal still, Kleiner, unterbricht ihn Frank, lern‘ erst mal, wie man einen richtigen Bruch macht, wie man eine Tür vernünftig und sauber aufkriegt, bevor du dich mit Erwachsenen unterhälst. Ach, der macht sich wegen seiner Perle ganz verrückt, sagt Roger, die Sorgen müsste ich auch mal haben. Frank dreht sich eine Zigarette.

      Hoffentlich muss er sich nicht ausziehen. Dann muss er das Zeug nämlich schlucken und wir können dann mindestens zwei Tage warten, bis er es wieder auskackt. Das halte ich nicht aus. Ach was, ein paar Kannen Salzwasser trinken, dann kotzt er das schon wieder aus. Da sorge ich für.

      Roger nimmt seine Karten wieder auf. So, was spielen wir hier eigentlich? Pik, sagt Stefan leise, du spielst Pik. In diesem Augenblick wird die Tür aufgeschlossen. Peter kommt herein. Die Tür wird sofort wieder verriegelt. Peter gibt sich lässig, geht langsam zu seinem Schrank und legt dort paar Päckchen Tabak und Süßigkeiten ab. Die anderen sitzen wie erstarrt am Tisch. Keiner sagt ein Wort. Also, viel ist es nicht, aber besser als nichts, sagt er betont gelassen. Ich könnt dich knutschen, begeistert sich Frank, jetzt mach mal fertig, bin schon ganz fertig mit den Nerven. Immer mit der Ruhe, ich komm ja schon, sagt Peter und greift sich seinen Teelöffel. Frank steht auf, geht zum Fenster und holt dort unter dem Gitter ein Päckchen hervor. Ich bin Zweiter, sagt er, holt schon mal einer die Zitrone. Bist du positiv?, fragt Roger während er Zitronensaft aus seinem Schrank holt. Weiß ich nicht, antwortet Frank, Aids kann heute jeder von uns haben. Heißes Wasser durch jagen und dann ist das schon in Ordnung. Peter setzt sich an den Tisch. Er öffnet einen kleinen unscheinbaren Beutel, benetzt seinen Zeigefinger mit der Zunge und nimmt eine kleine Probe von dem bräunlichen Pulver. Das Zeug soll ziemlich stark sein, meint meine Frau. Wir sollten die Sache vorsichtig angehen. Mit dem Messer schaufelt er sich eine kleine Portion auf den Löffel, fügt dann ein paar Tropfen Zitronensaft hinzu und etwas Wasser. Frank reicht ihm fürsorglich sein Feuerzeug und hat auch schon einen kleinen Filter fertig gerollt. Nach einer Weile zieht Peter die hellbraune Flüssigkeit mit der Spritze auf. Wir brauchen ein neues Instrument, sagt er nachdenklich. Die Pumpe hier, die ist schon durch den halben Bau gewandert. Peter braucht seinen Arm nicht abzubinden. Er hat da noch eine Vene, die er auf Anhieb trifft. Passt auf, Jungens, das Zeug kommt gewaltig, sagt er, während Frank ihm die Spritze abnimmt und sie kurz mit kaltem Wasser durchspült. Peters Gesicht hat sich inzwischen dramatisch verändert. Seine Pupillen sind völlig verengt. Er kratzt sich langsam an der Nase. Frank hat noch eine brauchbare Vene am unteren Bein. Beim zweiten Versuch trifft auch er. Jetzt greift sich Roger die Spritze. Zwischenzeitlich hat er bereits Wasser mit dem Tauchsieder erhitzt, aber es kocht noch lange nicht.

      Denk daran, wir haben nur die eine Pumpe. Die ist bald hinüber, wenn du die zu lange auskochst, bemerkt Peter während sein Kopf langsam zur Tischkante hinab sinkt. Mach dir keine Sorgen, ich mach das schon, sagt Roger. Er spült die Spritze mit dem lauwarmen Wasser einmal kurz durch. Wie sagt man so schön: gib Aids eine Chance, bemerkt er noch und bindet sich den Arm ab. Aber auch beim dritten Versuch trifft er nicht. Das angezogene Blut droht zu gerinnen.

      Soll ich es dir machen?, fragt Frank. Ich kann das wirklich gut. In Ordnung, nimm aber besser den Hals, sonst geht es nicht. Roger hält die Luft an, damit die Halsschlagader anschwillt. Frank, der alte Routinier, trifft sofort.

      In der Zwischenzeit torkelt Peter zum Klo. Man hört ihn kotzen. Könnt ihr mir auch etwas abgeben?, fragt Stefan, der die ganze Zeit kein Wort sagte. He, das solltest du besser nicht machen, Kleiner, sagt Frank. Das Zeug wird dein Leben verändern. Heroin macht süchtig. Ja und, dann werde ich eben süchtig, sagt Stefan, ich will es einfach mal probieren. Beeil dich, ruft Roger Peter zu, ich muss auch mal kotzen. Gib ihm was, er ist ja erwachsen, sagt Peter mit beschlagener Stimme. Sein Gesicht ist schneeweiß. Er lässt sich wieder auf den Stuhl fallen. Frank schnappt sich erneut den Löffel. Okay, aber nur ganz wenig, sonst kippt er uns noch um. Das Zeug ist echt ein Hammer, ruft Roger aus dem Klo. Auch er hat kurz gekotzt und klatscht sich jetzt kaltes Wasser ins Gesicht. Stefan bindet sich selber den Arm ab. Als Frank ihm die Spritze ansetzt, dreht er kurz den Kopf weg. Frank drückt ab. Roger übernimmt die Spritze und spült sie durch. Die Einstichwunde an seinem Hals blutet immer noch nach. Er drückt etwas Klopapier darauf. Peter hat jetzt mit seinem Kopf endgültig die Tischkante erreicht. Er reißt sich wieder hoch, atmet tief durch und versucht seine Augen zu öffnen, was ihm nicht ganz gelingt.

      Plötzlich sinkt Stefan langsam zu Boden. Frank, der sich seit fünf Minuten eine Zigarette dreht, schaut verwundert zur Seite. Ich glaube, es war doch zu viel für den Kleinen, sagt er und steht langsam auf. Was ist los?, fragt Peter, der seine Augen immerhin auf Halbmast halten kann. Der Kleine hat sich hingelegt, er verträgt eben nichts. Frank beugt sich über Stefan und fühlt ihm den Puls. Scheiße, ich fühl überhaupt nichts, flüstert er. Er schlägt Stefan zweimal kräftig ins Gesicht. Keine Reaktion. Jetzt erhebt sich auch Roger vom Stuhl, hat aber Schwierigkeiten sein Gleichgewicht zu halten.

      Stefans Gesicht hat inzwischen einen bläulichen Schimmer angenommen. Der geht uns kaputt, sagt Roger. Wir müssen Licht drücken, er muss ins Krankenhaus. Quatsch, hier wird kein Licht gedrückt, sagt Frank, dann sind wir nämlich alle dran. Ich versuche es mal mit Beatmung. Knall ihm doch eine Kochsalzlösung

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