Wie das Leben so spielt. Karl Zbigniew Grund

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Wie das Leben so spielt - Karl Zbigniew Grund

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aber nicht besonders beunruhigt. „Ach, die Nicole ist öfter mal weg. Sie meldet sich schon, meinte ihre Mutter“. Ihre kleine Schwester schien es auch nicht sonderlich zu interessieren. „Sie soll nicht so viel Hasch rauchen“, sagte noch ihr Vater. „Wir haben aber kein Hasch geraucht“, erwiderte ich wahrheitsgemäß, erwähnte aber nicht das Psilocybin. Nach einer Weile fuhr ich dann weg, nachdem sie mir versprachen, mich sofort anzurufen, wenn sie wieder auftauchen sollte. Vielleicht hatte sie sich wirklich komplett verlaufen und ist bald wieder da, hoffte ich noch, aber ich fühlte nur Verwirrung und hatte ein ganz ungutes Gefühl. In der Nacht fuhr ich noch zu der Stelle, wo ich mein Auto geparkt hatte, aber natürlich umsonst.

      Als sie am nächsten Tag immer noch nicht da war, fuhr ich erneut zu den Eltern und bedrängte sie, die Polizei zu verständigen. Sie wollten noch ein wenig warten, aber ich machte ihnen klar, dass dieses Verschwinden im Wald, wo weit und breit keine Menschenseele zu sehen war, sehr ungewöhnlich und besorgniserregend war. Bei dem Ausflug konnte ich die ganze Zeit überhaupt keine anderen Personen sehen. Normalerweise bin ich da auch ziemlich wachsam. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass uns jemand gefolgt sein könnte. Vielleicht waren wir zu unbesorgt und leichtsinnig. Schließlich ging ich auch in eine Polizeistation und erklärte den Beamten, dass wir auch die Pilze gegessen hätten, aber eine kleine und verträgliche Menge und ich die ganze Zeit keine besondere Veränderung bei Nicole und mir erkennen konnte. Im Gegenteil. Ich erklärte und zeigte ihnen auch ungefähr die Stelle, wo sie aus meinem Blickfeld verschwunden war. Da gab es keine Seitenwege. Ein heimlicher Verfolger hätte es zumindest nicht leicht gehabt.

      Nicole wurde dann als vermisst geführt. Aber auch in den folgenden Wochen und Monaten gab es kein Lebenszeichen von ihr. Es stimmte mich sehr nachdenklich und traurig. So ein hübsches und nettes Mädel. Da muss etwas passiert sein, war ich mir ziemlich sicher. Man verschwindet nicht einfach so aus dem Leben. Eine andere Erklärungkonnte ich mir absolut nicht vorstellen. Vielleicht wurde sie überrascht und konnte auch nicht mehr um Hilfe schreien. Vieles war möglich. Leider erschien mir ein Verbrechen am wahrscheinlichsten.

      Ich hörte nie wieder etwas von Nicole.

      Die Festtagstorte

      Heute ist ein besonderer Tag. Aus einem gewöhnlichen und langweiligen Freitag habe ich einfach einen Feiertag gemacht – ganz für mich allein.

      Dabei habe ich mich leider auch in Unkosten gestürzt. Aber, was soll‘s. Es ist eben passiert und eigentlich musste es auch mal wieder sein.

      Vorhin wurde mir die Torte persönlich gebracht und ausgehändigt. Wie im First-Class-Hotel. Mit zwei Mann sind sie gekommen. Der Kaufmann wurde von einem Beamten eskortiert, der ihm die schwere Tür aufschließen und entriegeln musste. Viel Aufwand – und das alles nur für mich. Da kann man echt Gefühle kriegen.

      Ich habe mich für die Schwarzwälder-Kirsch entschieden. Die einzige Alternative, diese Nuß-Sahne – also, die ist was mehr für Frauen und dicke Tanten, denen das Leben nichts anderes mehr übrig lässt als Kaffee und Torte. Und Erinnerungen.

      Meine Schwarzwälder-Kirsch habe ich betont langsam entkleidet, von der sperrigen Verpackung befreit. Vorspiel muss eben sein und gehört einfach dazu. Das habe ich noch nicht verlernt. Jetzt muss meine Süße nur noch etwas auftauen und in Stimmung kommen. Allerdings braucht sie dafür ein paar Stunden. Aber ich habe die Geduld. Ich kann warten.

      Es ist wie beim ersten Mal. Die erste vorsichtige Berührung, der erste Kuss. Wenn plötzlich der Boden unter den Füßen wankt, das Blut zu kochen beginnt. Und wenn man dann endlich den letzten Halt verliert und sich einfach fallen lässt – in den Rausch hinein. Ach ja, das ist schon verdammt lang her. Es ist schon nicht mehr wahr. Tote Erinnerungen. Nichts mehr wert.

      Aber die Torte – die ist real.

      Jetzt ist es auch soweit. Sie hat sich erwärmt. Die erste kleine Probe lasse ich langsam und genüsslich auf der Zunge zergehen. Oje, die bringt es. Die reißt es aus. Ein Knaller von einer Torte. Es war die richtige Entscheidung. Ich bin stolz auf mich.

      Kurzfristig verliere ich dann jedoch wie immer die Beherrschung und hau‘ mir ein riesengroßes Stück auf hastig in den Bauch. Als ob mir das jemand wegnehmen könnte. Die nackte Gier. Gott sei Dank sieht mich hier keiner. Jetzt habe ich wieder alles unter Kontrolle. Alles im Griff. Es war nur ein kleiner Ausrutscher.

      Wie die Zeit vergeht. Die Monate und Jahre. Man wird ruhiger mit der Zeit. Es kann aber auch an der Umgebung liegen. An dem geregelten Tagesablauf.

      Hier gibt es keine dringenden Termine und Verpflichtungen. Auf die täglichen drei Mahlzeiten, auf das Duschen und den Wäschetausch zweimal in der Woche. Daran kann man sich relativ schnell gewöhnen. Das sind hier die Anforderungen des Lebens. In der übrigen Zeit kann man sich Gedanken machen. Man muss es nicht. Also, auf mich wirkt das alles sehr beruhigend. Ich kann nur müde lächeln, wenn ich den Fernseher einschalte. Da draußen ist ja nur noch Mord und Totschlag. Eine Katastrophe jagt die andere und was für Probleme die Leute so haben. Obdachlosigkeit zum Beispiel. Da haben einige noch nicht mal ein Dach über dem Kopf. Also echt, das kann hier wirklich nicht passieren. Hier hat man immer ein Dach über dem Kopf, feste Wände, ein stabiles Bett – und vor allem die Ruhe.

      Natürlich gibt es auch hier Verrückte, die das alles nicht zu schätzen wissen. Die sind mit nichts zufrieden, meckern über das Essen, über alles. Einige übertreiben dann auch noch maßlos, hängen sich auf, zerschneiden sich die Pulsadern oder schlucken Messer und Gabeln. Das ist ja nicht normal. Also, für mich sind das, wie gesagt, Verrückte und Versager. Wenn ich zu sagen hätte, ich würde die einfach rausschmeißen auf die Straße zu den Obdachlosen. Oder ab in die Psychiatrie, wo so etwas nicht weiter auffällt und wo man die Ruhe mit Medikamenten erzwingen kann. Ist ja auch wahr – die bringen wirklich nur Unruhe in den Laden. Vorige Woche hat sich einer sogar verbrannt. Der hat sich und seine Bude einfach abgefackelt. Ich meine, dem war echt nicht mehr zu helfen. Das war bestimmt wieder so ein Feuerteufel, ein „Pyromane“ oder so ähnlich. Man spricht nicht so gerne darüber, aber solchen Menschen darf man auch kein Feuerzeug in die Hand geben. Die können gar nicht anders, die sind krank. Ist auch nicht billig, so eine Bude wieder herzurichten. Hoffentlich hat es keine Auswirkungen auf den Verpflegungssatz.

      Überhaupt, man soll nicht so viel denken. So in Gedanken versunken habe ich jetzt tatsächlich die halbe Torte weg gearbeitet. Einfach weg gefressen. Das geht schon Richtung Verhaltensstörung. Daran muss ich noch arbeiten – unbedingt. Ist nicht zu fassen. Jetzt ist mir sogar richtig schlecht. Fühle mich wie im neunten Monat schwanger. Die armen Frauen, kann ich nur sagen. Aber was soll‘s, wenn es bald nicht besser wird, dann stecke ich mir zwei Finger in den Hals und dann ist wieder Ruhe. Darauf ist Verlass. Das hat sich schon immer bewährt.

      Und eine halbe Torte ist ja auch noch da.

       Freistunde

      

      

      

       Immer an der Wand lang

      

       Immer im Kreis

      

       In einer perfekten Stunde

      

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