Alte Männer - böser Traum. Linda Große

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Alte Männer - böser Traum - Linda Große

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nicht an seine Arbeit in der Kanzlei und nicht an die Partei. Entschlossen straffte sich sein Körper. Er stieß die Tür auf, ging grußlos an dem Türsteher vorbei und steuerte auf seinen Tisch zu.

      „Isch `ab misch soo nach deinem rrroten Erdbeermund gesäähnt!“, begrüßte Antoine ihn freudestrahlend. Plastrothmann zog missbilligend die Augenbrauen hoch. Es saß noch jemand mit an seinem Tisch. Jemand, der ihm völlig unbekannt war. Ein wirklich sehr gut aussehender dunkelhaariger Mann, um die Dreißig. Aber er schätzte solche Überraschungen nicht und Antoine wusste das.

      Wortlos ließ er sich auf einen Stuhl sinken. Der Kellner kam bereits mit der Tequilaflasche herbeigeeilt. Er schenkte ihm das Glas randvoll und entfernte sich sofort wieder im devoten Rückwärtsgang. Plastrothmann kippte das Glas in einem Zug hinunter, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, schaute sein Gegenüber an und fragte:

      „Und wer sind Sie?“

      Antoine beeilte sich, Plastrothmanns Glas neu zu füllen und erklärte:

      „Das ist der Maler von dem ich dir erzählt habe. Nikki. Wir haben uns auf der Love Parade kennen gelernt. Nikki, das ist Sigurd.“

      Nikki grinste Plastrothmann völlig unbeeindruckt von seiner miesen Laune an und sagte: „Hallo.“

      Künstler? arbeitete es in Plastrothmanns Gehirn. Auch das noch!

      Kapitel 17

      Gertrud störte es nicht im Geringsten, dass sie in den Garten geschickt worden waren wie kleine Kinder, während sich die beiden alten Männer in den kleinen Salon zurückzogen. Dort, wo Plastrothmann gewöhnlich am Freitag nach dem Essen mit Heinrich den Cognac nahm. Nun fühlte sich Plastrothmann auf unangenehme Weise in die Sommer seiner Kindheit versetzt, wenn sein Vater mit Heinrich in die Bibliothek ging und er die Nachmittagsstunden mit seiner Mutter im Garten verbrachte.

      Gertrud war blond wie seine Mutter, doch damit waren die Ähnlichkeiten auch schon erschöpft. Allerdings reichte diese Assoziation schon für Heinrichs Absichten. Nur die Hängematte, die im Garten seiner Eltern zwischen zwei alte Obstbäume gespannt war, fehlte als Requisite. Doch das wäre auch zu offensichtlich gewesen für das mit eiskaltem Kalkül geschaffene Szenario. Plastrothmann verspürte die Demütigung wie eine geballte Faust in seinem Magen.

      Beim Tee war kein Wort gefallen über die geforderte Eheschließung. Stattdessen ergingen sich Konrad und Heinrich ausführlich in den Erörterungen der politischen Lage und den dadurch erforderlichen Aktivitäten. Das Ganze wirkte durch die philosophischen Erläuterungen des Rassengedankens wie ein ideologischer Grundkurs. Ein Wiederholungskurs, um ihn wieder auf den geraden Pfad der Tugend zu bringen. Auch das war von Heinrich beabsichtigt.

      „Der Umbau und die Renovierung der Villa muss vor der Hochzeit fertig werden“, eröffnete Gertrud das Gespräch. Die Selbstverständlichkeit mit der sie eine unausgesprochene Idee zur Tatsache erhob, verblüffte Plastrothmann für einen kurzen Moment. Ihre Welt war vollkommen heil, und die Rolle, die sie darin spielen sollte, entsprach ganz und gar ihren Wünschen und Bedürfnissen sowie ihrem ausgeprägten Selbstwertgefühl. Sie kam gar nicht auf die Idee, Plastrothmann könne das getroffene Arrangement ablehnen.

      „Klar, dass wir beide unser eigenes Leben weiterführen, Siggi. Die Villa ist groß genug dafür. Das Erdgeschoß ist ideal für die Repräsentation. Es werden nur einige kleine Umbauten nötig sein. Ich kenne da eine sehr talentierte Architektin. Im Obergeschoß die beiden Schlafräume, Bäder und Ankleideräume. Und dein Arbeitsraum. Die Dachwohnung lasse ich für mich umbauen.“

      Plastrothmann machte eine abwehrende Handbewegung. Gertrud reagierte mit scharfem, schneidendem Ton:

      „Die Wohnung besitzt einen eigenen Zugang. Das brauche ich, wenn ich Schüler empfange oder meine Freundinnen.“

      „Und wo sollen wir Gäste unterbringen? Vielleicht in deinem Schlafzimmer?“, fragte Plastrothmann sarkastisch. Gertrud blieb gelassen.

      „Die Wirtschaftsküche im Souterrain. Wer benötigt heutzutage noch eine Wirtschaftsküche? Schließlich gibt es Partyservice. Der Raum ist groß genug für zwei Zimmer. Das Duschbad kommt in die Speisekammer.“

      Es war erstaunlich, wie genau sie bei den obligatorischen jährlichen Festen seine Villa in Augenschein genommen hatte. Er fragte sich, wie lange sie schon von Heinrichs Absichten wusste. Einmal mehr fühlte er sich wie die Maus in der Falle. Seine ganze Welt schien einzustürzen, ein Gefühl, das ihm bisher völlig unbekannt war. Seine körperlichen Reaktionen darauf machten ihm zu schaffen und verunsicherten ihn in zunehmendem Maße. Gertrud spürte seine Verfassung instinktiv und nutzte die Situation schamlos zu ihrem Vorteil aus.

      „Und die Schweine kommen mir nicht mehr ins Haus, wenn wir verheiratet sind. Die Führung pflegt keinen Umgang mit diesem subalternen Gesindel! Und dieses lächerliche Zeichen der Solidarität mit dem Fußvolk kommt auch weg“, fügte sie noch hinzu und deutete dabei auf seine Glatze.

      „Und du wirst immer brav den Mund halten, wenn Männer sich unterhalten!“, konterte Plastrothmann endlich, den letzten Rest seines verletzten Stolzes zusammenkratzend.

      „Habe ich bei Tisch irgend etwas von Belang gesagt?“, entgegnete Gertrud ungerührt. „Ich kenne meine Aufgabe!“

      Ja, dachte er mit einer Spur von aufkeimender Erleichterung. Das wird die Sache ungemein erleichtern. Damit war sein Widerstand vollständig gebrochen, allerdings wurde ihm das gar nicht bewusst. Er war Heinrichs Geschöpf. Bei seiner Zeugung beginnend bis heute, Erfüllungsgehilfe des großen Plans. Die ganze Zeit, von dem Befehl Heinrichs am vergangenen Freitagabend bis heute, arbeitete es ununterbrochen in seinem Hinterkopf. Ja, er war für ein geeintes Europa, wenn es rechts handelt. Seine Ergebenheit diesem Gedanken gegenüber war ungebrochen. Die Ziele der Partei waren seine Ziele, unverändert. Doch Heinrichs Forderung war ihm wie eine Aufgabe seiner eigenen Identität erschienen.

      Es war erst wenige Stunden her, dass er Antoine zum Bahnhof gebracht hatte. Die naive Lebensfreude des Jungen fehlte ihm schon jetzt. Selbst der Abend mit dem jungen Maler, den er Antoines unbefangener Initiative zu verdanken hatte, war nach seinem anfänglichen Unmut außerordentlich anregend und entspannend geworden.

      „Komm schon, Siggi“, unterbrach Gertrud seinen Gedankengang und hakte sich bei ihm unter, „wir werden uns prima miteinander vertragen, glaub es mir.“

      Er war mittlerweile durchaus geneigt, ihr zu glauben. Was bedeutete dieses notwendige Arrangement denn schon. Nein, Gertrud war keine Gefahr für seine kleinen Freiheiten. Schließlich wollte sie selber auch ihre Eigenständigkeit behalten. Das zumindest hatte sie klar geäußert.

      „Allerdings“, sagte sie und drückte dabei seinen Arm, „geheiratet wird erst, wenn du endlich offiziell in die Partei eingetreten bist!“

      Kapitel 18

      Der Himmel hing wie ein nasser Schafswollpullover über der Stadt. Das trübe Morgenlicht drang mühsam durch die regennassen Blätter der wildwuchernden Büsche vor den Fenstern der Wirtschaftsküche. Für einen kurzen Moment verharrte Plastrothmann und schaute in das diffuse Licht. Seit dem Tod seiner Eltern benutzte er den Raum als Abstellkammer. Die achtlos zusammengestellten Teile bildeten schattige, kantige Objekte, undefinierbar in der dämmrigen Stille.

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