Alte Männer - böser Traum. Linda Große

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Alte Männer - böser Traum - Linda Große

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ihn für einen kurzen Augenblick. Im Licht verlor das Gerümpel an Volumen und die Einrichtung dominierte jetzt den Raum. Die Küchenmöbel, der emaillierte Ausguss, ein Regal mit leeren, eingestaubten Weckgläsern, daneben die Spüle mit der anschließenden großen Arbeitsfläche. Darunter standen die großen Gerätschaften wie Entsafter und Einweckkessel.

      Das Szenario holte Kindheitserinnerungen in sein Bewusstsein, die er jetzt nicht haben wollte. Entschlossen, seine euphorische Aufbruchsstimmung, die mittlerweile schon drei Wochen unvermindert anhielt, durch nichts beeinträchtigen zu lassen, holte er den Zollstock aus der Hosentasche und begann damit, den Raum zu vermessen. Morgen würde Gertrud mit der Architektin kommen und da wollte er konkrete Vorstellungen parat haben.

      Der Regen hatte aufgehört. Er öffnete die Tür zum Garten um die abgestandene, staubige Luft aus der Küche zu lassen. Ein Blick in den verwilderten Gemüsegarten projizierte das Bild seiner Mutter in seinem so zufriedenen und entspannten Gehirn. Sie hatte den Garten geliebt und dem Gärtner nur die körperlich schweren Arbeiten überlassen. Diese Erinnerung trieb ihn auf die Terrasse und den schmalen gekiesten Weg, der am Gemüsegarten vorbei zur Seitenwand der Villa führte. Die Zweige des unbeschnittenen Buschwerks nässten sein Gesicht und seine Arme. Das Grundstück stieg von hier bis zur Straßenfront um knapp zwei Meter an, so dass sich die Kellerräume an der Vorderfront des Hauses befanden. Die Wirtschaftsküche nahm über die Hälfte der Hinterfront ein und lag ebenerdig zum Garten.

      An einigen Stellen waren die Büsche über dem Weg zusammengewachsen. Plastrothmann schob die Zweige mit den Armen beiseite. Sein Hemd war mittlerweile völlig durchnässt. Endlich erreichte er die schmale hohe Gartenpforte, die direkt neben der Villa auf die Straße führte. Sie war abgeschlossen, doch der Schlüssel steckte nicht wie vermutet im Schloss. Er kramte in seiner Erinnerung herum und plötzlich wusste er wieder, dass der große eiserne Schlüssel an einem Haken in der Küche hing, direkt neben der Tür zum Garten.

      Zufrieden drehte er sich um und legte den Kopf in den Nacken. Ein Blick nach oben bestätigte seine Gewissheit. Der vorgebaute Erker verhinderte den Blick zu den Fenstern der Dachwohnung. Gertrud beanspruchte sie für sich wegen des separaten Eingangs über die ehemalige Dienstbotentreppe. Nun, seine neue Gästewohnung würde ebenso ihren eigenen Zugang haben. Schließlich wollte er nicht auf Antoines Besuche verzichten!

      Seine Hochstimmung verstärkte sich noch und mit schnellen, entschlossenen Schritten kehrte er in die Küche zurück. Nach dem Ausmessen war er äußerst zufrieden. Die Küche war größer als es den Anschein hatte. Zwei Zimmer gab sie problemlos her. Zudem befand sich die Tür zum Garten in der Mitte der Vorderfront, rechts und links davon jeweils ein Fenster. So war auch das kein Problem. Die Zwischenwand konnte links neben der Tür gezogen werden für den kleineren Schlafraum, der größere Teil mit Ausgang zu Terrasse und Garten würde einen schönen Wohnraum ergeben. Für eine Kochnische war ebenfalls genug Platz vorhanden. Blieben noch Dusche und Gästetoilette. Dafür sollte der anschließende Vorratskeller reichen. Er stieß die Tür auf und suchte mit der Hand vergeblich den Lichtschalter im stockdunklen Raum. Der befand sich jedoch außen an der Küchenwand, verdeckt von ein paar Kartons, die er irgendwann abgestellt hatte. Schließlich fand er ihn dort. Im Keller baumelte nur eine Glühbirne von der Decke. Ihr schwaches Licht enthüllte die gefüllten Regale. Seit dem Tod seiner Eltern war Plastrothmann nicht mehr in diesem Keller gewesen. Die eingestaubten, spinnwebverhangenen Regale enthielten noch die ganze Arbeit des letzten Sommers den seine Mutter erlebt hatte. Eingewecktes Obst, Gemüse und die Marmeladengläser, noch mit der altmodischen Einmachhaut verschlossen, die sich den eingetrockneten Marmeladen straff entgegenwölbte. Er ersparte sich das Ausmessen. Der Raum war groß genug für die sanitären Einrichtungen.

      Er musste unbedingt einen Sperrmülltermin ausmachen. Die Jungs würden ihm gerne beim Entrümpeln helfen. Ein paar Kästen Bier, zwei Flaschen Klarer und sie würden ihren Spaß dabei haben. Die Skins mochten Plastrothmann. Er war anders als die Kader, von denen sie verächtlich als asoziale, dumme Trottel betrachtet wurden. „Wo treiben wir die Schweine bei der nächsten Demo durch?“ Der Spruch kam jedes Mal bei ihren Lagebesprechungen.

      Plastrothmann war es gewohnt, überall erfolgreich den Außenseiter zu spielen. Mit den Skins verband ihn allein das, so dachte er. Die versteckten Demütigungen wegen seines unsportlichen, ungelenken Körpers in den Sommerlagern der Wikingjugend verdrängte er seit vielen Jahren.

      Deswegen war er auch bereitwillig auf Gertruds Vorschlag eingegangen, bis zur Hochzeit durch Besuch eines Fitnessstudios abzuspecken. Dreimal die Woche trainierte er jetzt dort. Das gab ihm die Gelegenheit zusätzlich wegen des Umbaus der Villa und den Hochzeitsvorbereitungen, die Essen am Freitagabend bei Heinrich vorerst einzustellen. Heinrich, derzeit äußerst wohlwollend, nahm die Absage voller Gelassenheit hin.

      Der alte Mann wähnt sich am Ziel seiner Wünsche, dachte Plastrothmann mit einem Hauch von Mitleid. Doch er hatte nicht die Absicht, sich weiter von Heinrich gebrauchen zu lassen. Er war dem sterbenden Greis nichts mehr schuldig. Gertrud war das letzte Zugeständnis. Und auch das nur, weil es seinen eigenen Entschlüssen und Absichten nach reiflicher Überlegung sehr entgegen kam.

      Das Problem mit Ronald und K. würde er auf seine Weise lösen, ohne Absprache mit Heinrich. Nachher traf er sich mit einer Handvoll Leute der Kriegertreuen Basis. Ganz nebenbei wollte er die Info einstreuen, dass Ronald von K. eingeschleust worden war. Verhalten seine Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen, ohne K. böse Absichten zu unterstellen. Das würde genügend Unruhe in die Truppe bringen und wenn Heinrich K.’s Machtgelüste richtig einschätzte, würde K. Ronald auffliegen lassen. Danach dann könnte er selbst in aller Seelenruhe seinen offiziellen Parteieintritt erklären. Schon die voreilige Ankündigung durch Heinrich, die ihn zwar sehr verärgert hatte, führte dazu, das sie ihn behandelten wie einen zurückgekehrten verlorenen Sohn. Bei einer in zwei Monaten anstehenden Tagung sollte er die Hauptrede halten. Ansonsten hielt sich Heinrich zwar im Hintergrund, aber wie gewohnt zog er seine Fäden für Plastrothmanns Karriere. K. verhielt sich bisher erstaunlich kooperativ.

      „Und das wird auch so bleiben!“, Plastrothmanns Euphorie machte ihn absolut siegessicher.

      Er blickte sich noch einmal zufrieden in der Küche um, faltete den Zollstock zusammen und knipste das Licht aus.

      Kapitel 19

      Bewundernd schaute Marlies Wittke auf Cordula Nehbergs schlanke Beine. Ihr selbst machten mittlerweile Krampfadern unübersehbar zu schaffen. Abgesehen von ihren ebenfalls nicht zu übersehenden Wechseljahrkilos. Sie seufzte leise, als sie schwerfälliger als gewöhnlich aufstand, um den Kaffee zu holen. Sie hatte Nehbergs Mutter vom ersten Tag an bewundert, seit sie damals von ihr eingestellt worden war. Ja, da hatte sie selber auch noch besser ausgesehen, trotz der Erschöpfung, die nach dem jahrelangen Kampf mit Heidi ihr Gesicht gezeichnet hatte.

      „Sie sind doch keine Putzfrau, Frau Wittke!“, hatte Cordula damals unverblümt zu ihr gesagt. In Gedanken nannte sie sie immer Cordula.

      „Haben Sie denn etwas anderes für mich?“, war ihre Antwort gewesen.

      „Kommt darauf an, was sie für Qualifikationen haben.“

      Natürlich war unausbleiblich die Frage gefolgt, was sie denn nach ihrer Ausbildung als Frisöse gemacht habe. Es blieb ihr nichts anderes übrig als von der Eheschließung wegen ihrer Schwangerschaft zu erzählen, von der schwer behinderten, spastisch gelähmten, kleinen Heidi. Von Heidis, mit zunehmendem Alter ständig zunehmenden heftigen Gewaltausbrüchen. Und davon, das ihr wortlos leidender Mann ein unerwartetes Machtwort gesprochen hatte und sie Heidi vor zwei Monaten in ein Heim gegeben hatten. Und von ihrem nicht abklingen wollenden Schuldbewusstsein, obwohl sich Heidi unübersehbar wohl fühlte in ihrer neuen Umgebung.

      Cordula Nehberg hatte ihr

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