Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr

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Das Paradies ist zu Ende - Louis Lautr

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Bei der Fabrik vom Niep habe ich auch einen Treibriemen gesehen, Herr Niep weiß sicher nit, dass er mit seim Treibrieme sündigt.“ Schwester Irmgard schaute mich wütend an und sagte zu Helga: „Du musch dich anstrengen, die Zwei hän ihre Strafe verdient, der kleine Evangelische wird au no unverschämt und meint er könnt mi versekle. Jetzt musst du loslege, die dürfen ihre Strafe ihr Leben lang nit vergesse.“ Ich sagte: „Aber Schwester, wenn es doch eine Sünde ist, wenn wir uns nackt sehn, dann sündigen sie auch, denn sie sehen uns die ganze Zeit und d’ Rosanna sieht mich nackt und ich sehe d' Rosanna auch nackt.“ Tante Helga schaute mich an und sagte: „Ja glaubst du, dass d’ Schwester Irmgard und ich euch gern ansehen? Und dass ihr zwei euch anseht, ist nicht unkeusch, weil es der Strafe dient und die geht gleich los, dann vergeht euch die Unkeuschheit.“ Schwester Irmgard sagte erneut: „Es soll vor allem dem Teufel Schmerzen bereiten.“ Tante Helga band erst mir und dann Rosanna die Hände mit Mullbinden zusammen. Unsere gebundenen Hände zog Tante Helga hoch über den Kopf und band sie an einer Stange der Decke fest. Wir standen uns auf Zehenspitzen gegenüber und konnten uns kaum bewegen. Tante Helga hat wohl Mullbinden verwendet, weil im Kindergarten keine Schnüre waren und weil es nach dem Krieg nur Papierschnüre gab. Die Kinderschwester schaute uns noch mal an, sie kniff Rosanna und mich in Po und sagte: „Helga jetzt kannst du loslegen.“ Kurz danach kam Tante Inge ins Strafzimmer und fragte Schwester Irmgard nach Tafelkreide. Schwester Irmgard stand mit einem Seufzer auf und sagte: „Helga, ich hätte der Bestrafung gerne zugesehen, leider muss ich mich um die anderen Kinder kümmern.“ Tante Inge fragte: „Helga kannst du die Kinder alleine bestrafen, oder muss ich dir helfen. Helga antwortete: „Die Zwei schtraf i allei, es dauert halt a Weng länger.“ Inge sagte: „Aber Helga übertreibs nit, du weisch, dass sich scho Eltern beklagt hen.“ Helga antwortete: „Da brauchsch dir diesmal keine Gedanke mache, im Louis sei Mutter ka mi gut leide, sie hat gsagt i kann streng sei un dr Rosanna ihr Vater sagt sicher nichts, denn i sag alle Kinder, er wär en gute Zahnarzt. I könnt ja au s' Gegeteil de Leut sage.“ Sie nahm die Geißel aus dem Schrank. Jetzt sah ich den Unterschied zwischen Peitsche und Geißel. Eine Peitsche, wie ich sie von Bauern kannte hatte einen langen Stiel und einen Riemen. Die Geißel von Tante Helga bestand aus einem kurzen Stock, an dem fünf Riemen befestigt waren. Tante Helga schlug mich mit dieser Geißel auf meinen Po. Meine Zehenspitzen verloren den Halt, ich hing nur noch an meinen Armen. Ich wollte ausweichen, da meine Hände gebunden waren konnte ich der strafenden Geißel nicht ausweichen und musste die Schmerzen ertragen, die sich über meinen Körper ausbreiteten und sich mit jedem Schlag verstärkten. Noch nie hatte ich solche Schmerzen. Die Pausen, verschlimmerten die Schmerzen. Es folgten weitere Schläge auf Brust und Rücken. Ich konnte nur fürchterlich schreien und brüllen, was Tante Helga nicht beeindruckte. Ich schrie: „Des tut doch uns weh, on nit im Teufel, des isch doch nit richtig, wenn d’ Schwester sagt, du tätsch den Teufel schtrafe, du schlägsch doch uns!“ Helga sagte lächelnd: „Wenn ihr euch immer umdreht, kann es sein, dass euch die Riemen no schlimmer treffet, deshalb wärs besser ihr dätet ruhig schtande bleibe.“ Dies war uns nicht möglich, sicher gehörte es zum Strafritual. Rosanna bekam ebenfalls mehrere Schläge auf Po, Brust und Rücken. Rosa schrie ebenfalls und versuchte den Schlägen auszuweichen. Tante Helga erklärte uns: „Immer nach fünf Hieb gibt’s a Verschnaufpaus.“ Ich bat und bettelte, endlich aufzuhören. Es half nichts die nächsten Schläge trafen meine Beine und mein Geschlecht, ich dachte ich würde sterben. Ich sah, wie Rosanna ‘s Haut an manchen Stellen aufplatzte, ihr Kätzchen hatte rote Striemen und es blutete an einer Stelle. Ich brüllte noch lauter. Rosa wurde rot vor Schreien. Wir erstickten fast an unserem Geschrei. Ich dachte, unsere Bestrafung würde kein Ende finden und überlegte, ob man uns totschlagen würde. Ich weiß nicht wie lange die Bestrafung dauerte. Es kam mir endlos vor. Wir schrien und winselten: „Bitte aufhören.“ Irgendwann war die Bestrafung zu Ende. Tante Helga sagte: „So, ich glaube es reicht, damit sich eure aufplatzte Wunde nit entzündet, opfere ich wertvollen Schnaps, un desinfiziere die Stellen.“ Sie schüttete sich die klare und eigenartig riechende Flüssigkeit in die Hand und rieb zunächst meine aufgeplatzten Wunden ein. Sie sagte: „Jetzt guck, da hat‘s dein Glockenbeutel und dein Denger erwischt, da must du tapfer sein, wenn ich dein Ding einreibe.“ Damit rieb sie meine Wunden ein. Als sie mit ihren Schnaps getränkten Händen mein Geschlecht einrieb konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich schrie wie am Spieß. Tante Inge kam rein gestürzt. Als sie uns sah, sagte sie: „Helga ich glaube du hast nimmer alle Tasse im Schrank, guck doch mal was du getan hast, das sind doch kleine Kinder.“ Tante Helga sagte zu ihr: „Du ich konnte nicht anders, die zwei hän doch so gsündigt on hän am Anfang no gsagt, es dät im Teufel nit weh, no bin i erst richtig zornig worde.“ Rosanna ging es etwas besser, sie wurde von Tante Inge vorsichtig mit Schnaps eingerieben. Als sich Tante Inge Rosannas Kätzchen und ihren Po ansah und einrieb schüttelte sie den Kopf und sagte: „Es sind doch Kinder, wie kannst denn du so drauf schlage, manchmal könnt mer meine, es dät dir gfalle.“ Wir konnten nicht mehr sitzen und fast nicht liegen. Unsere aufgeplatzte Haut entzündete sich zwar nicht, aber sie brannte wie Feuer. Diese deutlich sichtbaren Schläge mit den vielen Striemen waren meiner Mutter zu viel, sie ging mit mir zu unserem Arzt. Dr. Ralwor gab meiner Mutter Creme gegen Schmerzen und Striemen. Rosanna ging mit ihrer Mutter ebenfalls zum Arzt. Damals wurde Kinder oft mit Schlägen bestraft, deshalb unternahmen Ärzte wohl nichts. Dr. Ralwor sagte zu meiner Mutter: „Die Kinderschwester ist sehr streng, ich habe schon mehrmals Kinder behandelt. Die Ärzte haben sich kaum gegen eine katholische Institution aufgelehnt. - Später erfuhr ich, dass unser Arzt mit Pfarrer und Bürgermeister gesprochen hat. - Ich musste nach dieser qualvollen Geißelung nicht mehr in Kindergarten. Rosanna ging noch eine Woche, bis auch ihre Mutter sie nicht mehr in Kindergarten brachte. Andere Kinder litten länger. Im Jahr 1946 fanden Ärzte und Eltern die Strafen im Kindergarten übertrieben, aber nicht außergewöhnlich, weil alle Kinder bis in die 60er Jahre mit Schlägen bestraft wurden. In der Schule gab es damals Tatzen bei denen die Haut der Hände aufplatzte. Auch sogenannte „Hosenspannes“ gehörten zur Bestrafung. Lehrer und Lehrerinnen, die weder pädophil noch sadistisch waren, fanden Bestrafungen normal. Im Kindergarten war ich etwa fünf oder sechs Monate. Ich erinnere mich bis heute an Bestrafungen, nicht nur wegen der Schmerzen, sondern wegen den ungerechten Behandlungen. Natürlich erinnere ich mich auch an schöne und interessanten Spiele, die wir gelernt und gespielt haben. Als ich vom Kindergarten befreit war, verdrängte ich die Zeit der grausamen Strafen. Ich träumte manchmal vom Strafzimmer im Kindergarten. Einmal träumte ich, Schwester Helga hätte mich mit heißem Tee verbrannt.

      Da ich nicht mehr in Kindergarten ging, konnte ich meine Mutter oft nach Schusslach begleiten. Sie war Mesnerin in unserer kleinen evangelischen Kirche und unterrichtete Religion an unserer Dorfschule und der Zwergschule im Nachbardorf. Mit dem kleinen Einkommen besserte sie ihre geringe Witwenrente etwas auf. Zur Schusslacher Schule hatten wir vier Kilometer Fußweg. Ich begleitet meine Mutter gerne, wir waren weite Fußwege gewohnt. Die Geschichten, die meine Mutter den Kindern im Religionsunterricht erzählte gefielen mir. Ich zweifelte manchmal am Wahrheitsgehalt der biblischen Geschichten. Außer Zugverbindungen gab es damals keine öffentlichen Verkehrsmittel. Auch bei Regenwetter begleitete ich meine Mutter gerne, weil ich mich unterwegs mit meiner Mutter, ohne meine Geschwister, unterhalten konnte. Unsere evangelische Kirche war damals keine richtige Kirche, sondern eine Halle, sie hatte weder einen Turm noch Glocken. Meine Mutter reinigte und putze als Mesnerin, die kleine Kirche, sie wusch und bügelte den Talar und die weißen Beffchen, die gestärkt wurden. Beim Putzen halfen meine Geschwister und ich. Ich stieg manchmal auf die Kanzel und predigte. Besonders schön fand ich das Abendmahlgeschirr, es war außen Silber und innen Gold. Das Blut Christi war Rotwein, den meine Mutter im Kolonialwarengeschäft einkaufte. Es hatte für mich etwas Unehrliches, wenn unser Pfarrer behauptete, es wäre das Blut Christi. Aus dem wunderschönen Kelch trank ich manchmal Wasser und hatte das Gefühl, es würde besonders gut schmecken. Wir wohnten gegenüber der Kirchenhalle. Unser Dorf hatte keine Pfarrstelle und wurde von der nächstgelegenen Stadt versorgt. Der Pfarrer oder Vikar der sonntags zur Kirchenpredigt nach Larenbuch kam, zog den Talar in unserer Wohnung an, weil die kleine Kirche keine Sakristei hatte. Der Ofen der Kirche wurde, wenn es sehr kalt war, oft schon am Samstag von meiner Mutter beheizt. Nach der Kirche war immer Kinderkirche, die meine Mutter hielt. Ich war deshalb jeden Sonntag erst in der Kirche und anschließend in der Kinderkirche. Meine Mutter war trotz Pietismus eine fröhliche Frau. Mein Großvater mütterlicherseits

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