Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr

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Das Paradies ist zu Ende - Louis Lautr

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Mutter und mein verstorbener Vater in diesen Kreisen bekannt. Meine Mutter sah, so denke ich heute, den Pietismus recht pragmatisch, denn hier konnte sich unsere Familie in der Nachkriegszeit, sonntags bei Bauern satt essen, bei denen die pietistischen Stunden stattfanden. An Sonntagen standen wir relativ früh auf. Vor dem Frühstück ging meine Mutter in die Kirche und legte, im Winter, erneut Holz in Ofen, dann gab es ein Frühstück mit einer selbst gemachten Sonntagsmarmelade. Danach ging unsere Familie in Sonntagskleidung zur Kirche. Die Kirche war für mich immer, obwohl ich von der Predigt nur wenige Sätze verstehen konnte, interessant, weil mir die gesungenen Choräle gefielen. Gleichzeitig dachte ich mir Geschichten aus und beobachtete Menschen. In der ländlichen Kirche saßen Männer meist auf der rechten Seite des Ganges und Frauen auf der linken. Manche Ehepaare trennten sich in der Kirche. Einige Frauen mischten alte Zöpfe auf und saßen bei den Männern. Meine Mutter zeigte sich als Frau aus der Großstadt und hielt sich bewusst nicht an diese ländliche Tradition. Sie setzte sich grundsätzlich auf die rechte Seite. Einmal sah ich wie ein Mann einer Frau unter den Rock fasste. Ich überlegte, ob es seine Frau wäre und ob er mit ihrem Kätzchen spielte. Ich zeigte es meiner Mutter und fragte, ob es unkeusch wäre. Meine Mutter sagte: „Louis, da schaut man nicht hin.“ Ich sah wie sich beide bewegten und überlegte, ob dies mit der Erbsünde zu tun hätte, für die wir im Kindergarten bestraft wurden. Ich sah wie Frau ihre Hand in die Hosentasche des Mannes steckte und mit seinen Bällen und seinem Ding spielte. Als ich es meiner Mutter zeigte, lächelte sie. Ich sah, wie einem Mann das Taschentuch auf den Boden fiel und er ewig in der gebückten Haltung blieb. Ich bückte mich ebenfalls und konnte einer Frau unter ihr Kleid schauen. Ich sah, dass sie einen rosa Schlüpfer hatte, der etwas verrutscht war und neben ihrem Kätzchen sah ich schwarze Haare, die aus ihrem Schlüpfer lugten. Der Geruch von Menschen war für mich interessant. Manche rochen nach Landwirtschaft, Kuhmist, Stall und nicht gelüfteten Kleidern. Frauen rochen oft nach Küche, Essen und nach Weiblichkeit. Männer rochen nach kaltem Pfeifen- oder Zigarettenrauch. Die Schwarzwaldhöfe sind alle so angelegt, dass Tiere und Menschen, Keller, Stall, Wohnung und Bühne etc. unter einem Dach sind. Im Winter verlassen Bauern ihren Hof beim Füttern der Tiere nicht. Die Menschen im Schwarzwaldhof rochen nach Stall, Tieren, Rauch und Essen. Ihre Kleidung wurde selten gewaschen und chemische Reinigungen kannte man kaum. Viele Männer, kehrten mit Behinderungen aus dem Krieg zurück. Manchen fehlte ein Auge, oder ein Teil des Gesichts. Manche hatten so schwere Verbrennungen, dass man ihr Gesicht nur ahnen konnte. Einige Männer gingen mit Krücken, weil ihnen ein Bein fehlte, andern fehlte ein Arm. Manche Menschen waren psychisch gestört, sahen traurig aus und blieben mit ihren Träumen alleine. Andere beichteten ihren Frauen, dass sie im Krieg untreu waren. Frauen waren klüger und beichteten nicht, Männer erfuhren von Seitensprüngen ihrer Frauen durch den Dorftratsch und waren Gehörnte. Wenn Frauen von farbigen Besatzungssoldaten ein Kind hatten, wurde es problematisch, denn diese Generation war von der Rassenlehre des dritten Reichs geprägt, dunkelhäutige Kinder wurden in Kindergärten und in Schulen gemobbt. Ihre Mütter wurden als Negerhuren oder Nutten beschimpft. Ehen und Familien zerbrachen daran. Es gab Frauen, die durch den Krieg zu Witwen wurden. Frauen warteten auf ihre Männer, die noch vermisst waren. Ich glaubte damals, dass ich es Frauen in der Kirche ansehen konnte, sie sahen traurig und verhärmt aus. Manche weinten in der Kirche, wenn der Pfarrer für vermisste Männer betete. Von manchen Frauen wurde erzählt, sie wären Flittchen, oder Früchtchen, weil sie sich mit Besatzungssoldaten einließen. Der Ausdruck gefiel mir, ich wusste nicht, dass er eine negative Bedeutung hatte. Oft sahen, die als Flittchen oder Früchtchen bezeichneten Frauen, sehr nett aus. Eine junge Frau mit rotbraunen Haaren fand ich besonders hübsch, sie wurde als Chéri bezeichnet, weil sie mit einem französischen Soldat befreundet war. Ich erfand Kirchenspiele, die ich alleine spielte. Ich überlegte, wonach die Menschen rochen und was sie wohl gegessen hätten, oder was sie essen würden. Ich suchte Frauen und Männer aus, die ich in meinem Spiel verheiratete. Da mein Vater gefallen war, hatten Hochzeiten für mich eine große Bedeutung. Ich überlegte in meinem Spiel, wie Frauen und Männer, die ich gedanklich verheiratete, äußerlich zusammenpassten und suchte sie entsprechend aus. Ich fand, dass meine ausgesuchten Paare oft besser passen würden, als echte Paare. Ich überlegte, warum gut aussehende Männer, mit Frauen verheiratet waren, die ich nicht hübsch fand. Es war allerdings häufiger, dass ich hübsche Frauen sah, die hässliche Männer hatten. Frauen unterhielten sich oft über jüngere Frauen, die ältere Männer geheiratet hatten. Sie sagten abwertend: „Die hat ihn sicher wegen seinem Geld geheiratet.“ Diese Abwertung verstand ich nicht, da ich Altersunterschiede nicht negativ sah, es blieb mir ein Rätsel, warum sich Menschen unterschiedlichen Alters, nicht genauso lieben könnten, wie gleichaltrige. Ich fand ältere und alte Menschen meist nett und interessant. Es wunderte mich, dass es kaum ältere Frauen gab, die junge Männer heirateten. Aufgrund des Geschwätzes, das meist Frauen führten, überlegte ich, ob ältere Frauen nicht genügend Geld hatten, um jüngere Männer zu heiraten, oder ob jüngere Männer weniger Wert auf Geld legten. Ich dachte nach, ob Geld für eine Heirat wichtig wäre. Als ich mit meiner Mutter darüber reden wollte, lächelte sie und meinte: „Louis, dafür bist du noch zu klein, ich erkläre es dir später.“ Meine Schwester unterhielt sich mit mir und fand es lustig, dass mir Frauen gefielen. Sie fragte: „Louis, wer gefällt die besser, Rosanna, oder ihre Mutter?“ Ich antwortete: „Dörte, sie ähneln sich und sind beide schön.“ Ich fand keine echte Antwort, vielleicht hatten junge Männer kein Interesse an älteren Frauen. Ich verstand es nicht, ich hätte Tante Helga, unsere Kindergärtnerin geheiratet, obwohl sie älter war als ich. Warum sie mich im Kindergarten mit Schlägen bestrafte, blieb mir ein Rätsel. Wenn ich in der Kirche an sie dachte, sehnte ich mich manchmal nach ihr und wartete oft beim Kindergarten, leider traf ich sie nie. Als Fünfjähriger dachte ich, Frauen würden die Welt beherrschten und Männer wären von ihnen abhängig. Es gab drei Ladengeschäfte in unserem Dorf, sie hießen damals Kolonialwarenladen, zwei davon wurden von Frauen geführt. Der Laden von Balsters, gehörte einer Witwe. Sie hatte das Geschäft während des Krieges alleine geführt. Als ihr Mann gefallen war, führte sie den Laden weiter. Später half ihr Sohn, im Geschäft mit. Der Laden von Hirschers wurde weitgehend von Frau Hirscher geführt. Dafür erledigte ihr Mann den Haushalt und kümmerte sich um den einzigen Sohn, der so alt war wie ich. Nur der Laden von Maiers wurde von Herrn Maier geführt. Es gab in Larenbuch ein Sägewerk, das einer Witwe gehörte. Sie hatte ihren Schwager, den Vater meines späteren Freundes als Geschäftsführer eingestellt. Frau Straun hatte jedoch die Zügel fest in der Hand. Eine Bäckerei wurde von einer Frau geführt, ihr Mann war Kreisleiter und interniert. Als er entnazifiziert zurückkam, übernahm er seine Bäckerei wieder und war im Dorf rasch integriert. Die meisten Menschen aus dieser Generation waren mehr, oder weniger begeisterte Nazis. Es gab einen Ofensetzer und Heizungsbauer, der im Krieg war. Seine beiden Schwestern führten das Geschäft weiter. Als er zurückkam, arbeitete er wieder im Geschäft und baute Herde, Öfen und Kachelöfen ein. Im Büro herrschten seine Schwestern. Der Hafner war nett und sah gut aus. Meine Mutter war kurzzeitig mit ihm befreundet. Seine Schwestern hintertrieben die Beziehung mit List und Tücke. Meine Mutter und andere Witwen, deren Männer gefallen waren, wurden zu lebenstüchtigen Frauen und kümmerten sich als Familienoberhaupt um ihre Kinder. Meine Mutter hatte elf Geschwister, einer ihrer Brüder ist in Stalingrad gefallen. Ihre älteste Schwester, Tante Hannchen, war meine Patin. Schwester Hanna, wie sie genannt wurde, war tüchtig. Als junge Oberschwester leitete sie nach dem Krieg, eine Krankenhausstation und später die Großküche des Krankenhauses. Ich war, wenn meine Mutter in Stuttgart war, oft bei ihr zu Besuch. Ich liebte sie, denn sie war trotz ihrer Frömmigkeit, meist guter Laune und sehr nett. Sie besuchte uns öfters und wohnte bei uns. Ich konnte mit ihr, wie mit meiner Mutter und meiner Schwester schmusen. Wenn ich sie besuchte, durfte ich in ihrem Bett schlafen. Sie hatte eine Wohnung mit großer Badewanne. Samstags durfte ich mit ihr baden. Als ich sie fragte: „Warum wäschst du mein Sprenzerle mit Seife, es ist doch nicht schmutzig?“ Lächelte sie und sagte: „Aber Louis, wenn du pinkelst, fasst du es mit schmutzigen Händen an, schau jetzt ist es so sauber, dass ich mit ihm spielen kann.“ Als meine Lieblingstante weinte, erschrak ich, umarmte sie und fragte: „Tante Hannchen, warum weinst du?“ Sie antwortete: „Mein liebes Patensöhnchen, vielleicht bist du noch zu jung, um mich zu verstehen, ich habe als Rotkreuzschwester an der Ostfront den schrecklichen Krieg überlebt, aber mein Liebster in Stalingrad gefallen, an ihn dachte ich gerade.“ Ich fragte: „Hast du nur ihn lieb gehabt?“ Meine Tante lachte und sagte: „Mein kleiner,

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