Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr

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Das Paradies ist zu Ende - Louis Lautr

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verriet. Er wurde von den Franzosen verhaftet und war zwei Jahre in französischer Gefangenschaft. Die Feindschaft zwischen beiden Familien hat eine Generation überdauern. Diese und ähnliche Geschichten erfuhren wir Kinder, obwohl Erwachsene meinten, dass wir nichts davon verstünden. Viele Menschen litten Hunger, auch mein zwölfjähriger Bruder konnte sich oft nur bei der Bauernvesper am Sonntag satt essen. Die Zeit der abendlichen Stromsperren gefiel mir. Erwachsene konnten weder Strümpfe stopfen, noch nähen oder stricken. Da Kerzen knapp waren, trafen sich meist mehrere Familien, um bei Kerzenlicht Gesellschaftsspiele im Halbdunkel zu spielen, wie beispielsweise Hänschen piep einmal, oder Teekesselraten.

      Die französische Besatzungsmacht gab bekannt, dass alle Gewehre, Kameras und Fotoapparate, egal welcher Art auf dem Rathaus abzugeben waren. Meine Mutter und ich gingen zum Rathaus und gaben das Kleinkalibergewehr und den Fotoapparat meines Vaters ab. Wir bekamen einen Brief mit Stempel dafür. Ich durfte das Gewehr zum Rathaus tragen und bedauerte sehr, dass wir es abgegeben mussten. Ich weiß nicht mehr, wann die Franzosen unser Schulhaus verließen. Sie blieben in Larenbuch wohl, nur wenige Monate. Im Jahre 1947 war das französische Militär aus Larenbuch abgezogen, wir waren zwar immer noch französische Besatzungszone, aber nicht mehr militärisch besetzt. Ich freute mich sehr auf die Schule, weil ich lesen und schreiben lernen wollte. Mein Bruder schrieb Erlebnisse in sein Tagebuch und las mir daraus vor. Ich fand es toll und hatte, obwohl ich weder lesen noch schreiben konnte, ein Tagebuch angefangen. Ich zeichnete meine Erlebnisse als Bildergeschichten. Wir waren 38 Kinder in unserer Klasse und hatten zunächst einen sehr netten, jungen Lehrer. Am ersten Schultag wurden die Kinder meist von ihren Müttern zur Schule gebracht. Frau Stauch, die Mutter eines Jungen, sagte dem jungen Lehrer, dass ihr Sohn, Erhard, leider am ersten Schultag krank geworden wäre und entschuldigte ihn. Deshalb waren wir am ersten Tag 37 Schüler. Herr Behring machte sich Notizen. Ich hatte mit Klaus, einem Jungen, den ich gut kannte, besprochen, dass wir zusammen sitzen. Als alle Kinder saßen, hatte Lindtraud keine Nebensitzerin. Die fröhliche Lindtraud, die von ihrer Schwester zur Schule gebracht wurde, weil ihre Mutter vom Bauernhof nicht weg konnte, saß traurig und alleine in ihrer Bank. Als Eltern und Angehörige gegangen waren, fragte Herr Behring, unser junger Lehrer, warum keines der Mädchen neben Lindtraud sitzen wolle. Die Mädels sagten, Lindtraud würde nach Kuhstall stinken. Lindtraud war das einzige Bauernmädchen in unserer Klasse. Als ich sah, wie traurig Lindtraud war und wie aus ihren blauen Augen tränen kullerten, fragte ich: „Herr Behring, darf ich mich neben Lindtraud setzen, wir kennen uns schon sehr lange?“ Unser Lehrer schaute mich an und sagte zu mir: „Du bist sehr nett und mutig, hoffentlich weißt du, dass dich Kinder vielleicht auslachen, weil du neben einem Mädchen sitzst. Wenn du es trotzdem möchtest, darfst du dich gerne neben Lindtraud setzen. Wenn jemand euch verspottet, sagt es mir, dann bestrafe ich ihn, merkt euch das alle.“ Ich sagte: „Klaus, es tut mir leid, aber ich kann nicht anders.“ Klaus sagte zu mir: „Du Louis, es macht nix, i setz mi zum Horscht, dem sein Nebesitzer möcht sich zum Erhard setzen, wenn der wieder gesund ist.“ Ich nahm meinen Schulranzen und hängte ihn an die Bank und setzte mich neben Lindtraud. Lindtraud sah mich an und sagte: „Louis, du musch des aber bloß, wenn du des wirklich willsch.“ Ich lachte und sagte zu ihr: „Du gfällsch mir viel besser, als dr Klaus, on wenn du a Nebensitzerin kät hätsch, no könnt i jetzt nit nebe dir sitze.“ Lindtraud sagte lachend: „Des werd i dir nie vergesse, on macht dir des au nix aus, dass i nach Kuh schtink?“ Ich antwortete: „I mag deine Kühe, aber trotzdem bisch du viel netter on kansch sogar schwätze, deine Kühe könnet bloß muh sage. On glaub mir du schtinksch nit wie deine Kühe, du riechsch echt nach Lindtraud, blos deine Kleider riechet a weng nach eurem Hof, on des gfällt mir, weil i am Sonntag immer gern bei euch bin.“ Mir gefiel mein Platz neben Lindtraud und ich freute mich jeden Tag auf die Schule. Lindtraud teilte täglich ihr schönes Bauernbrot mit mir. Ich sagte: „Mutter, ich brauche kein Vesper mehr, Lindtraud teilt immer ihre Vesper mit mir.“ Als wir die ersten Buchstaben schrieben, war ich glücklich, denn ich wollte unbedingt in ein Tagebuch meine Erlebnisse schreiben. Leider wurde unser netter Lehrer, Herr Behring, nach zwei Monaten in einen anderen Ort versetzt. Wir bekamen einen alten und blöden Lehrer, dem es nicht gefiel, dass ich neben einem Mädchen saß. Er wollte uns umsetzen und fragte, warum kein Mädchen neben Lindtraud sitzen möchte. Sie sagten Lindtraud würde nach Kuhstall stinken. Er fragte: „Louis macht dir das nichts aus?“ Erhard antworteten und sagte: „Dr Louis isch en Weiberschmecker.“ Da der alte Lehrer dem nichts entgegensetzte, und die Vorgeschichte nicht kannte, wurde ich mit diesem Namen oft bedacht. Ich eignete mir ein dickes Fell an. Es wurde dadurch für meine Klassenkameraden uninteressant, deshalb wurde ich nicht mehr verspottet. Oder wie man heute sagen würde, gemobbt. Lindtraud und ich saßen in der Mädchenreihe, was für mich lustiger war, als bei den Jungs, denn die Mädchen kicherten oft. Sie waren netter und sanfter als Jungs. Hinter uns saßen Reinhild und Rosanna, die ich schon aus meiner Kindergartenzeit kannte. Die Mädchen fanden es lustig, dass ich als Junge in ihren Reihen saß. Sie fragten in der Pause, ob ich nicht mit ihnen Himmel und Hölle spielen, oder Seilhüpfen würde. Beides waren Spiele die mich nicht interessierten. In der Pause war ich lieber bei den Jungs. Ich konnte weder Seilhüpfen noch andere Hüpfspiele. Die Jungs wollten mich auch in den Pausen oft zu den Mädchen schicken. Ich wehrte mich und musste mir öfters durch Raufen Respekt verschaffen. Ich kannte Tricks und wich keiner Schlägerei aus, dadurch respektierten mich die Jungs. Bei einer Schlägerei schauten die Mädchen zu und feuerten mich an. Wenn ich einer Prügelei nicht ausweichen konnte, begann ich sie, denn Angriff ist die beste Verteidigung. Da das Schuhwerk nach dem Krieg schlecht war, hatte man meist unter den Ledersohlen sogenannte „Stolpereisen“. Ich sagte zu unserem Schuster, ich bräuchte die Eisen vorne an der Sohle. Deshalb hatte ich an der Schuhspitze ein scharfkantiges Stolpereisen und trat meine Gegner mit dem linken Schuh gegen das Schienbein. Meist ging die Prügelei schnell zu Ende. Den älteren Lehrer, hatten wir ebenfalls nur kurz.

      In den Jahren 1947 bis 1949 gab es Schulspeisung. Das Essen wurde meist von Frauen gekocht, die mit Seilschaften und Beziehungen gesegnet waren. Heute weiß ich, dass bei den Mengen an Lebensmitteln, die für Schulspeisungen vorgesehen waren, auch Lebensmittel auf den Schwarzmarkt verschoben wurden. Die Schulspeisung schmeckte meist scheußlich. Das Essen wurde, da die meisten Kinder hungrig waren, trotzdem gegessen. Das Gedränge bei der Essensausgabe war problematisch. Es herrschte Faustrecht weil Lehrkräfte das Gedränge kaum regulierten. Die größeren Schüler drängten sich grundsätzlich nach vorne, danach bekamen die größeren Mädchen ihr Essen, die sich ebenfalls massiv vordrängten. Das Essen schöpften die Frauen, die auch für die Küche zuständig waren, in kleine Henkeltöpfe, oder Essgeschirre. Viele Kinder hatten Aluminiumgeschirr von Vätern aus vergangenem Krieg. Am Schluss kamen die Schüler der ersten und zweiten Klasse. Die Schulspeisung war dann meist kalt. Es gab oft eigenartige Milchsuppen mit Teigwaren. Durch die Nachkriegszeit, hatten wir in der ersten Klasse sechs verschiedene Lehrer. Wenn ein netter Lehrer versetzt wurde, weinte ich zu Hause. Ich freute mich, dass ich auch bei blöden Lehrern Lesen und Schreiben lernte. Unsere kindliche Wissbegierde und Neugier wurde uns ausgetrieben, weil die meist älteren Lehrer den Unterrichtsstoff langweilig paukten und auf strenge Disziplin achteten. Körperliche Strafen waren an der Tagesordnung. Ein älterer Lehrer, versetzte Lindtraud einmal vier Tatzen, ihre kleine Kinderhand war an einer Stelle aufgeplatzt und blutete. Ich überlegte, ob ich wieder Gott bitten könnte, den Lehrer zu bestrafen. Ich gab es auf, weil ich kaum glaubte, dass Gott sich Kindergebete anhören würde. Deshalb besprach ich mit Lindtraud, wie wir uns bei dem Lehrer rächen konnten. Abends vor dem Einschlafen kam mir eine Idee. Ich hatte eine braune Papierschnur, die ich durch den Dreck zog, bis sie fast so braun war, wie unser Fußboden. Morgens spannte ich die Schnur vielleicht 20 cm über dem Fußboden. Ich befestigte die Schnur an der vorderen Bank. Sie reichte bis zum Kartenständer, dort band ich das andere Ende fest. Als der Lehrer kam stolperte er über die Schnur und fiel hin. Dies war mein Plan, den ich mit Lindtraud besprochen hatte. Ich rechnete nicht damit, dass der Kartenständer auf ihn fiel und freute mich, weil Gott ihn zusätzlich bestrafte. Einige lachten laut, Herr Fieler war wütend. Ein Mitschüler, verpfiff mich. Herr Fieler legte mich über eine Bank und verdrosch mich mit einem Stock, er schwitzte dabei. Ich hatte an diesem Tag meine Lederhose an, sie konnte die Stockschläge etwas abfangen. Trotzdem schmerzte mein Po, ich konnte kaum sitzen. Lindtraud hielt unter der Bank meine Hand und streichelte mit der andern Hand mein Bein. Sie sagte: „Louis,

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