Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr

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Das Paradies ist zu Ende - Louis Lautr

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ansehen. Man konnte sie von hinten öffnen und Bienen zusehen, ohne sie zu stören, deshalb wurde man kaum gestochen. Mit Lindtraud schaute ich oft die Bienenstöcke an und sah, wie bei schönem Wetter tausende Bienen aus und ein flogen. Man konnte, wenn man die Bienenstöcke hinten öffnete, auch erkennen, wie die Flugbienen mit Pollenhöschen ankamen, Nektar und Blütenpollen ihren Schwestern weitergaben. Manchmal konnten wir sehen, wie die Königin Eier legte. -Ich hätte damals nicht gedacht, dass ich eines Tages eine Berufsimkerei mit 2000 Bienenvölkern in Tunesien leiten würde.- Ich aß beim Deich zur Vesper das köstliche, selbstgebackene Brot mit Butter und Honig. Schwarzwaldbauern hatten Milchvieh und ausgezeichnete Butter. Beim Senders-Bauer, einer der großen badischen Bauern, war es für mich am schönsten. Es gab einen alten und jungen Bauern. Der junge Bauer war zu uns kleineren Kindern immer sehr nett, er sagte oft, wir könnten spielen und mussten nicht an der „Schtund“ teilnehmen. Er gab auch meiner Mutter immer Nahrungsmittel mit. Bei einem anderen Bauern, dem Ehnder-Bauer fand ich die Stunde immer lustig, weil der alte Bauer, der das Gebet sprach, eine ulkige Stimme hatte. Ich bemerkte, dass auch Erwachsene und fromme Menschen unehrlich waren. Als der Ehnder-Bauer zur Vesper zwei Körbe mit Brot brachte, sagte er, es wäre sein letztes Brot, seine Frau würde erst morgen backen. Die Bauern gaben meiner Mutter, als einzige Nichtbäuerin, meist einen Laib Brot, Milch, Butter und manchmal Speck oder Eier mit. Dies konnte der geizige Ehnder-Bauer natürlich nicht, weil er mit den Stundenbrüdern und Schwestern sein letztes Brot geteilt hatte. Lindtraud kam aus der Küche des Ehnder-Bauers, und erzählte laut, dass unter einem Tuch am Fenster noch drei Brote lägen. Der Bauer wurde verlegen und schimpfte zum Schein mit seiner Frau. Sie wurde ebenfalls verlegen und meinte, die Magd hätte die Brote wohl versehentlich unter das Tuch gelegt. Alle wussten, dass der Bauer und seine Frau gelogen hatten, um unserer Familie kein Brot zu schenken. Der Senders-Bauer sagte zum Ehnder-Bauer: „Du köntesch jetzt dr Martha (meine Mutter hieß so) au no a Schtück Butter mitgebe. Ich sagte zu Lindtraud: „Du des mit dem Brot, des hasch toll gmacht, sonsch hätt der Ehnder-Bauer uns kein Brot g'schenkt.“ Lindtraud lachte und sagte: „Louis, des gschieht dem recht, wenn er so lügt, bloß weil er so geizig isch.“ Ich hörte, wie ein Bauer erzählte: „Geschtern han i ein Bombengeschäft gmacht. Für einen großen runden Laib Brot han i sechs silberne Kaffeelöffel bekomme.“ Ja meinten die anderen Bauern, es sind güldene Zeite für uns, da müsse mir Gott danke, da kann mer von dene Leut für ebes z’ Esse a Haufe Zeug kriege. I han kürzlich für a Brot un a weng Mehl un en weng Speck a Haufe Bettwäsch un a Tischtuch eingehandelt. Einer erzählte von einem Flüchtlingsweib, die einen Ehering für Brot, Mehl und Eier tauschte. Dafür dankten die Pietisten dem Herrgott und hofften, dass diese Zeiten lange anhalten. Die Christen in dieser bäurischen, badischen Region waren nicht so engstirnig, wie die Pietisten in Württemberg, über die Hermann Hesse schrieb. Badische Bauern waren trotz des pietistischen Glaubens, ein lustiges und lebensbejahendes Volk. So erzählte der Senders-Bauer, der oft die Bibel auslegte: „Ja liebe Brüder un Schweschtre, wenn mir uns im Himmel oder im Paradies treffet, no könnet mir alle in eim Jahr zwei Mal moschte un zwei Mal ernte, dann müsset mir nimmer den Schnaps schwarz brenne.“ Alle Bauern waren von dieser himmlischen Vorstellung begeistert. Mit Lindtraud verband mich damals eine innige Kinderfreundschaft, sie hielt bei jedem Streit den ich mit anderen Kindern hatte, zu mir. Natürlich half ich ihr ebenfalls, wenn einer der Buben sie an den blonden Zöpfen zog, oder mit ihr zu zankte. Ich prügelte mich auch für sie, wenn sie geärgert wurde. Wenn die „Stunde“ und auch das Vesper zu Ende war, ging unsere Familie noch ein Stück mit den Gerners und anderen Bauern, bis sich unsere Wege trennten, denn wir hatten den weitesten Weg nach Larenbach. Ich denke es waren meist acht bis zehn Kilometer, je nach Bauer, bei dem die Stunde stattfand. Da wir Kinder bei diesen Stunden oft Verstecken oder Fangen spielten, war ich auf dem langen Heimweg, am Ortsanfang von Larenbuch müde, Meine Mutter sagte: „Louis, wenn wir beim französischen Wachposten und Kasernen vorbeikommen, sollten die französischen Soldaten nicht sehen, wie müde und fertig du bist. Ich ging denn stramm und munter an den Soldaten vorbei, was ihnen sicher nicht auffiel. Als ich morgens wieder mal beim Exerzieren den Franzosen zusah, sprach mich ein französischer Soldat deutsch an und fragte wie ich heißen würde, ich sagte ihm meinen Namen. Er sagte: „Ich heiße Beschir und bin aus Tunesien.“ Ich konnte mit Tunesien nichts anfangen. Er sagte: „Es ist ein Land in Nordafrika.“ Ich fragte ihn: „Gibt es dort Löwen?“ Er lachte und meinte: „Keine Löwen aber Kamele.“ Er fragte: „Louis, können wir Freunde werden? Ich möchte deine Sprache lernen.“ Ich antwortete: „Sie sind ein großer Soldat und ich bin ein kleiner Junge, wir können kaum Freunde werden und sie können ja Deutsch.“ Er sagte: „In meiner Heimat können auch große Männer und kleine Jungs Freunde sein, wir versuchen es, weil ich gerne so gut Deutsch sprechen würde wie du und dich gern als Lehrer hätte.“ Er war groß, sah fremdländisch und nett aus, er hatte dunkelbraune Augen, schwarze, gelockte, kurze Haare und eine dunkelbraune Haut. Ich sagte: „Mein Vater ist im Krieg gefallen.“ Er erzählte: „Mein bester Freund und mein Bruder sind auch im Krieg gefallen. Ich freuen mich, dass ich einen neuen Freund habe.‘“ Mein neuer Freund sprach kein perfektes Deutsch, er machte Fehler über die ich lachte. Er war Feldwebel in der französischen Armee. Wenn er frei hatte gingen wir im Dorf spazieren und erzählten uns Geschichten. Beschir erzählte, in seiner Heimat würde arabisch gesprochen, er brachte mir einige arabische Worte bei. Die Dorfbewohner wunderten sich, dass ein französischer Farbiger mit einem kleinen Jungen durchs Dorf ging. Als ich meinen tunesischen Freund nach Hause mitbrachte, erschrak meine Mutter. Mein Freund war höflich und freundlich. Meiner fünf Jahre älteren Schwester gefiel er. Sie überlegte, ob sie ihn heiraten würde. Sie war zehn, machte ihm einen Heiratsantrag und fragte, ob er warten würde, bis sie älter wäre. Er meinte lachend: „Dörte, ich gerne warten bis du älter sein.“ Ich erklärte ihm den Satz in korrektem Deutsch. Solange die französische Armee in unserer Schule einquartiert war, fiel die Schule fast ein halbes Jahr aus. -Viel später, als mich mein Leben und mein Beruf nach Tunesien führten und Tunesien fast zu einer zweiten Heimat wurde, bemerkte ich, dass Tunesier Kinderfreundlich sind. Junge Tunesier unterhalten sich gern mit Kindern. Deshalb war unsere Freundschaft, für Beschir nicht außergewöhnlich.- Mein Freund brachte unserer Familie oft Lebensmittel mit. Er hatte noch zwei Freunde die manchmal bei uns waren. Eines Tages besuchte uns der französische Kommandant. Er wollte wohl sehen, in welcher Familie seine Soldaten verkehrten. Er war zufrieden, denn die Freundschaft zu Beschir blieb erhalten. Ich hatte in ihm einen tollen Beschützer gefunden. Für mich als Kind gab es keine Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Mein verstorbener Vater und dessen Familie, gehörten zur passiven Widerstandsgruppe gegen Hitler. Mein Vater war Mitglied der „bekennende Kirche“ Bonnhoeffer und Niemöller waren führende Männer der Widerstandsgruppe und wurden von den Nazis als Staatsfeinde ins KZ überstellt. Bonnhoeffer starb 1945 Niemöller überlebte knapp die Naziherrschaft. Ich traf später eine Freundin der Schwester meines Vaters, die aktiven Widerstand leistete und deren Bruder im KZ zum Tod verurteilt wurde, sie konnte mir über meinem Vater Dinge erzählen, die meine Mutter nicht wusste, weil mein Vater sie nicht belasten wollte.

      Unsere Sonntage verliefen meist geregelt. In meiner Erinnerung überwog an diesen Tagen meist schönes Wetter. In den pietistischen Stunden gab es auch ab und zu Besuche von berühmten „Stundenhältern“, dann dauerten diese Stunden oft einen ganzen Nachmittag. Für uns Kinder war es eine tolle Zeit zum Spielen. Wir konnten im Heuboden der Bauernhäuser von oben in Heuhaufen springen. Irgendwann bei einem dieser Spiele viel Lindtraud auf mich. Wir waren unter dem Heu vergraben. Lindtraud sah mich an und sagte: Louis, i han no nie ein Bub gseh, denn i han nur Schwestre. Ich sagte: „Wenn du gucksch wie i ausseh, möchte i au seh, wie du aussiehsch.“ Sie zog ihren Schlüpfer aus und ich meine Hose, wir betrachteten uns und fanden es interessant wie anders wir aussahen. Wir fassten uns gegenseitig an und fanden es lustig. Wir hatten gesehen wie Erwachsene sich auf den Mund küssten und versuchten es ebenfalls. Lindtraud sagte, die Erwachsene schteget sich manchmal Zung in Mund.“ Wir versuchten es und fanden es seltsam. Lindtraud sagte: „Vielleicht leget se sich en Zucker en Mund on schlotzet den mitnander, no däts besser schmecke.“ Dies würde mir einleuchten, denn Zucker war damals ein seltener Genuss. Leider hat uns Lindtrauds ältere Schwester, beobachtet. Sie sagte: „Ich verrate euch nicht, wenn ich dich auch anfassen darf. Ich zog mich erneut aus und sagte: „Gerda i möchte di au anfasse.“ Gerda war damals zwölf und hatte schon einen kleinen

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