Frau Edelweiß und der Nato-Gipfel. Sandra Edelweiß

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Frau Edelweiß und der Nato-Gipfel - Sandra Edelweiß

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Motor stand er vor der Brücke. Die laufende Digitalkamera filmte ein Standbild der Brücke, das Navigationsgerät war ebenfalls installiert. „So blöd können sich nicht einmal Anfänger verhalten“, dachte er. „Mist, schon der zweite Polizeiwagen. Die fahren jetzt schon verstärkt Streife.“ Er kannte die Polizisten des Kehler Reviers, diese gehörten eindeutig nicht dazu. Ein Hubschrauber kreiste mehrmals über das Gelände, kam ganz dicht runter, flog dann weiter. Auch diese Überwachung setzt schon früh ein, bemerkte er. Der Luftraum war ganz ausgeschlossen. Dazu musste er nicht die Lokalblätter lesen, um zu wissen, dass der Luftraum und die Schifffahrt für den Zeitpunkt des Gipfels gesperrt werden würden. Von solchen groben Fehlern konnte man bei den offiziellen Organen nicht mehr ausgehen. Wäre doch zu schön gewesen. Man fährt mit einem beladenen Binnenschiff unter der Brücke durch und zack, wäre es schon passiert. Freie Waffenwahl. Es gäbe viele Möglichkeiten die Ziele zu erreichen. Sein scharfes Auge blickte vorsichtig herum. Er studierte die Unterkonstruktion der Brücke. Auch zu unsicher, die würde inspiziert werden. Er bemerkte eine Menschengruppe. Sieben Männer, zwei in Anzügen, die Chefs natürlich. Drei hatten legere Kleidung an, sicher die Planer. Die restlichen Männer trugen blaue Arbeitsanzüge mit dem gleichen Firmenlogo darauf. Die leger gekleideten Männer schritten den unteren Teil der Brücke mit Zollstöcken ab und diskutierten eifrig miteinander. Die Chefs standen bedächtig abseits und betrachteten das Treiben aus gelassener Entfernung. Die Arbeiter trugen Stative hin und her. Sie gingen zu einem Firmenkombi. Er notierte sich das Autokennzeichen. Dafür brauchte er keinen Stift. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt seinen Geist zu schulen. Er beherrschte mehrere Techniken um sich Details, Namen, Uhrzeiten ohne Fehler einzuprägen. Fehler konnte er sich nicht erlauben. Fehler sollten seine Ziele machen, oder deren Beschützer. Mangelnde Kompetenz musste die Polizei mit Masse ausgleichen. Fehlende Koordination mit Maschendrahtzäunen kompensieren. Nun, es sollte ja keine Zäune geben. Noch nicht. Mit der Wahrheit würden die Verantwortlichen erst kurz vor knapp rausrücken, da kannte er sich aus. Erst wenn die Demonstranten ein paar Steine warfen, vielleicht auch provoziert durch V- Leute, dann schrie die Bevölkerung regelrecht nach solchen. Doch zuerst musste die Bedrohung spürbar sein. Er plante die Zäune in seine Kalkulationen mit ein. Er kannte die Einteilung der Sicherheitszonen, da hatte er seine Quellen. Es gab zwar die offiziellen Versionen, die in der hiesigen Sonntagszeitung, dem Guller, dem Stadtanzeiger und der Kehler Zeitung veröffentlicht wurden, aber Profis wie er, bedienten sich an den echten Quellen. Mit Geld war da immer was zu machen. Er hatte ein engmaschiges Netz an Verbindungsleuten aufgebaut, ohne dass er sich jemals wirklich zu erkennen geben musste. Manche Kollegen waren da nicht so vorsichtig, Anfänger eben. So konnte er es fast nicht glauben, dass seine Konkurrenten tatsächlich die Dreistigkeit besessen hatten, in Kehl einen Pritschenwagen mit Firmenaufschrift zu stehlen. Es war offensichtlich, dass er in einem Einsatz eine Rolle spielen würde. Er würde nie so unvorsichtig vorgehen. Wenn alle so arbeiten würden wie die, würde die Welt nie von ihren Potentaten befreit werden. Doch trotz aller vorausschauenden Planung, er suchte immer noch nach dem perfekten Ort. Er sollte nahe genug an der Brücke liegen und doch außerhalb der Sicherheitszone. Es sollte ein hohes Gebäude sein und auch außerhalb der Demonstrationsrouten verlaufen. Bei Demonstrationen wusste man nie, die galten auch in seinen Kreisen als unkalkulierbares Risiko. Andererseits konnte man dabei fast unbehelligt seinem Werk nachgehen. Es war nicht schwierig, bezahlte Aufmischer so in den Demonstrationsreihen zu integrieren, dass sein Treiben nicht mehr auffiel. Dennoch, er wollte in Ruhe arbeiten, er liebte die Präzision. Das Improvisieren überließ er gerne seinen Mitstreitern, auf welcher Seite sie auch immer stehen mochten. Die Großherzog – Friedrichstraße führte direkt auf die Brücke zu, sie gehörte zur Sicherheitszone. Der Rheindamm war zugunsten der Brücke unterbrochen worden. Seine Augen suchten die anliegenden Häuser ab. Sie kamen nicht in Frage. Das Polizeiaufgebot würde immens sein. Schon jetzt statteten Polizisten Hausbesuche ab. Die Polizisten kannten bald alle 700 Bewohner persönlich. Alles Ein- oder Zweifamilienhäuser. Teilweise sogar Villen. Auf der sogenannten „Insel“ ließ es sich gut leben. Früher lebte die bessere Gesellschaft dort, inzwischen war die Einwohnerschaft gemischter. Viele schmucke Häuser zierten diesen Flecken. „Es gibt viele Bäume da, das ist gut“, bemerkte er. Über den Grundstücken schwebte fast eine gespenstische, modernde Friedhofsatmosphäre. Die Grundstücke lagen fast alle tiefer als die Straße, in manche Gärten musste man direkt hinuntersteigen. Er schüttelte sich, die Feuchtigkeit kroch ihm bei diesem Anblick in die Glieder. Die wichtigste Sicherheitszone endete direkt am Altrhein. Von der Brücke aus lief er 500 Meter geradeaus. Die Straße machte einen leichten Bogen, sie überquerte eine vielbefahrene Durchgangsstraße und endete vor dem Altrhein. Er blickte in ein schlammgrünes Gewässer, das vor lauter Algen keine Luft zu bekommen schien. Es war erst März, wie würde diese Brühe erst in der Sommerhitze aussehen! Hohe Bäume flankierten beide Uferseiten. Ein baufällig anmutendes Holzbrückchen führte zur anderen Uferseite. Er sah den Kirchturm von St. Nepomuk. „Interessant“, notierte er sich. Aber ein anderes Gebäude zog seine Aufmerksamkeit an. Hier auf der anderen Uferseite war er außerhalb der Sicherheitszone, das war schon einmal gut. Auf der linken Seite befand sich ein ziemlich großes und altes Gebäude. Es musste bestimmt an die hundert Jahre alt sein. An den Fenstern prangten bunte Bilder. Hände waren mit Fingerfarben auf die Glasscheiben gedruckt. „Friedrichschule“ las er. Er schauderte. „Das man heutzutage die Jugend immer noch in so alte Gemäuer steckt, da kann ja nicht viel zu erwarten sein.“ Das Gebäude lag nicht schlecht. Das Portal schien nicht oft benutzt worden zu sein. Da schrak er aus seinen Gedanken. Ein ohrenbetäubendes Geschrei ließ ihn verharren. Er rümpfte die Nase. Er konnte Kinder nicht ausstehen. Anscheinend hatte die Pause gerade begonnen. „Das hört ja gar nicht mehr auf“, dachte er, als er vorsichtig, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, weiterging und einen Blick auf den Schulhof warf. „Wie viele hundert Schüler müssen denn in diesen Kasten gehen?“ Dann konnte er sich kaum noch das Lachen verkneifen. Er erblickte eine ziemlich mürrisch dreinblickende Lehrerin. Sie trug eine orangefarbene Warnweste, was ihren widerwilligen Ausdruck nur noch verstärkte. Er konnte verstehen, dass sie so gekleidet war, bei diesem Gewusel musste man sich ja irgendwie bemerkbar machen. Langsam tastete er sich an das Gelände vor. Er ging um den gesamten Block nach links an zwei Häusern vorbei und sah den Schulhof von vorne. Eine ebenso triste Erscheinung wie das ganze Gemäuer. Eine sehr „stilsichere und geschmackvolle“ Überdachung war über dem Hinterausgang angebracht, der wohl zum Haupteingang umfunktioniert wurde. Die Überdachung bestand aus einem schäbigen Wellblechdach, das kein Licht auf den Eingang fallen ließ, was zur optischen Bereicherung beitrug. Keine festen Tore vor dem Schulhofbereich, notierte er sich. Das Tor konnte man herausheben und notfalls auf die Seite stellen, falls man mit einem größeren Fahrzeug auf das Gelände fahren musste. Vor seinen Augen prügelten sich zwei Jungs. „Ach, da sind noch mehr“. Eine weitere mürrische orangefarbene Aufseherin stürzte zu den Kindern und versuchte Ordnung in den Haufen zu bringen. Dann spürte er einen stechenden Blick auf sich gerichtet. Die kleine dicke Lehrerin, die ihn sofort an eine Wespe erinnerte, machte tatsächlich Anstalten auf ihn zuzugehen. Das passierte ihm selten. Gerade noch rechtzeitig wurde sie von einem ebenso dicken Kind am Ärmel gezupft und auf einen anderen Krisenherd aufmerksam gemacht. Dann ertönte ein Gong. Jetzt kam Bewegung in die Menge. Aus dem wilden Haufen bildeten sich mehr oder weniger ordentliche Reihen. Manche stellten sich recht manierlich und klassenweise an aufgemalten Markierungen auf. Besonders die Kleinen schienen nicht so begeistert von dem Eingriff in ihre Pause und rauften einfach fröhlich weiter. Dann kamen nach und nach Lehrerinnen, um die mehr oder weniger ordentlich aufgestellten Kinder in das Gebäude zu führen. Die dicke Wespe warf ihm noch einen durchdringenden Blick zu, so wie es wirklich nur Lehrerinnen vermögen und zog mit ihrer Gruppe ab. Ihm fiel auf, dass es hauptsächlich Frauen waren. Es schien sich um eine Grundschule zu handeln, da taten sich Männer wohl schwer. Die Turnhalle bildete, von seiner Seite aus betrachtet, den rechten Abschluss des Schulhofes. In der Mitte des Platzes stand ein Beet mit einigen sehr hohen Bäumen. Die Lokalität war sehr interessant. Da erinnerte er sich an seine Recherchen. Die Halle wird belegt sein. Mit Sicherheit wird sie eine der wichtigen Kommandostellen für die Sicherheitszone sein. Gegenüber lag die Stadthalle. Leider hatte er da noch nicht mehr in Erfahrung bringen können, wahrscheinlich auch deshalb, weil sich die Verantwortlichen selbst noch nicht sicher waren, wie die Gebäude zu besetzen waren. Die Schule war am Samstag sowieso geschlossen. Und am Freitag war nicht davon auszugehen, dass sie geöffnet wurde. Er drehte sich um und ging. Mit seinen Augenwinkel bemerkte er noch einen Bus

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