Frau Edelweiß und der Nato-Gipfel. Sandra Edelweiß

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Frau Edelweiß und der Nato-Gipfel - Sandra Edelweiß

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Militärangehörige aufnahm. Er resümierte, dass sie wohl vom Eurocorps kommen mussten. Nicht weiter beunruhigend, damit konnte er fertig werden. Gemächlich schlenderte er an den schon bekannten Häusern entlang. Er ging den ganzen Weg zurück und prägte sich jede noch so unwichtige Einzelheit ein. Er musterte das Ufer des Altrheins, zählte die Fenster der Schule, maß mit geschultem Blick den Abstand des Gebäudes von dem Ufer ab. Ein kleiner Spazierweg führte zwischen Schule und Ufer entlang. Roter Sand, „Nicht gut“, dachte er, „das hinterlässt Spuren“. An der Brücke angekommen, wollte er den Fußweg nehmen. Er wandte sich dem rechten Steg der Brücke zu, musste aber wieder umkehren. Er war wegen Wartung und fehlendem Winterdienst gesperrt, zumindest offiziell. Also schritt er wieder den Fahrradweg ab, langsam, fast genießerisch. Auf der Plattform ließ er seinen Blick zur Stadtmitte hin schweifen. Er sah den hohen Glockenturm von St. Nepomuk. „Nicht schlecht, die offene Säulengalerie um den Glockenturm herum scheint begehbar, aber die Flugbahn stimmt nicht ganz“. Dann überschaute er das Dächermeer. Und tatsächlich, er fand es wieder, das musste das Dach der Schule sein. Es war zwar nur ein kleiner Zipfel zu sehen, das war aber machbar. Die Flugbahn war perfekt. Das Dach lag auf gerader Linie zur Plattform. Ein Kinderspiel. Er würde zurückkehren und er würde einen Weg in das Gebäude finden. So ein öffentliches Gebäude beherbergte sicherlich auch noch eine Volkshochschule oder eine Musikschule und wurde nicht nur vormittags genutzt. Er konnte sich sein Grinsen kaum verkneifen. Ein Kinderspiel und auch noch außerhalb der Sicherheitszone. Schlendernd ging er an den anderen unauffälligen Touristengruppen vorbei. Sein Job war so gut wie erfüllt.

      14.00 Uhr, das Lehrerzimmer platzte aus allen Nähten. Die Tische waren überfüllt mit Ordnern und Stehsammlern aus denen Papiere quollen. Jeder Lehrer hatte sein kleines Eckchen Tisch mit einem Namensschild markiert und versuchte sich dieses Plätzchen mit diversen Unterrichtsmaterialien zu bebauen. Dazwischen klebten Kaffeetassen und dreckige Teller und zeugten davon, dass die meisten ihr Mittagessen zwischen den unordentlichen Stapeln eingenommen hatten. Es roch nach Fisch, Pizza und Gemüseauflauf. Die Luft war zum Schneiden. Das hereinfallende Licht durch die Bäume des Altrheinufers zog seine Bahnen durch glitzernde Staubpartikel. Gerade betrat Herr Radeck das Zimmer. Er versuchte immer als Letzter zu kommen und genoss seinen Auftritt. Jeder, der jetzt noch kam, wurde mit einem strafenden Blick geahndet, von dem man nicht wusste, ob er irgendwann einen Einzug in irgendeine Akte finden würde. Man munkelte, dass im Rektorat ein schwarzes Büchlein liege, in dem tagebuchartig Vergehen und sonstige Vorkommnisse notiert wurden. „Haben Sie alle die Tagespunkte vorliegen?“, begann er, „dann sei die Konferenz eröffnet. Meine liebe Erika wird den ersten Punkt vortragen. Es geht um die Ergebnisse ihrer Fortbildung zur Selbstevaluation, die wir demnächst hier durchführen werden. Ich bitte um Aufmerksamkeit“. Die Konrektorin warf ihrem Chef einen verliebten Blick zu und stellte sich am Beamer auf. Nervös nestelte sie an dem Gerät herum, aber es erschien kein Bild auf der Leinwand. Ihre Wangen röteten sich leicht. Unsicher schaute sie zu ihrem Chef. Dieser blickte unwillig zur Seite. Dieser Technikkram war nichts für ihn, obwohl er ein Mann war. Er hätte auch den Jungspund mit der Mediengeschichte beauftragen können, aber das ließ sein Ego nicht zu. Die Wespe hatte sich schon vor zwei Jahren weitergebildet und war jetzt für die Medien und die Computer zuständig. Er hasste es, sie fragen zu müssen. Eigentlich hatte er damals nur zugestimmt, dass sie die Fortbildung zur Medienbeauftragten machen durfte, weil sich erstens niemand anderes gemeldet hatte und weil er ihr zweitens nicht zugetraut hatte, dass sie es packt. Er hatte sich so auf ihr Versagen gefreut, das leider nicht eingetreten war. „Sie hat auch ihren Mann, der kommt immer abends in die Schule und fährt ihr den Karren aus dem Dreck“, dachte er. Nein, er konnte jetzt nicht Frau Edelweiß fragen. Die Bürde nahm ihm aber schon Frau Sommer ab. „Frau Edelweiß, könnten sie bitte mal schauen.“ „Das genießt sie wieder, diese blöde Kuh“, ging es ihm durch den Kopf. Tatsächlich drückte sie auf ein paar Knöpfchen, überprüfte noch einmal das Kabel und schon wurde ein Bild sichtbar. Der Vortrag zog sich dahin. Frau Edelweiß schob ihrer Kollegin einen Zettel hin. „Bla, bla, bla,…“ stand darauf. Frau Rose konnte nur mit Mühe ein Kichern unterdrücken. Frau Edelweiß klebte eifrig einen riesigen Stapel Blätter zusammen. Ständig musste sie in den Konferenzen irgendetwas schnippeln oder kleben. Einmal hatte sie tatsächlich die Dreistigkeit besessen und mindestens hundert Blätter während der Konferenz laminiert. Frau Edelweiß konnte nicht anders, bei so viel Blabla musste sie einfach etwas Sinnvolles tun, sonst konnte sie sich nicht beherrschen. Herr Radeck stand ihrem Treiben hilflos gegenüber. Er konnte ihr leider nicht vorwerfen, bei ihren Nebentätigkeiten unkonzentriert zu sein. Nein, im Gegenteil, ständig hatte sie einen Kommentar bereit. Meistens negativ. An allem wusste sie etwas auszusetzen. Da schon wieder. Frau Edelweiß hob ihre Stimme an: „Als ich damals noch in der Montessorischule war, da haben wir das ganz anders gemacht…“ Einige cheftreue Kolleginnen zogen scharf den Atem ein. „Wir sind aber keine Montessorischule!“ „Schon gut, ich meine ja nur.“ „Zur Sache jetzt“, versuchte Herr Radeck die Wogen zu glätten. Schließlich müssen wir noch über den geplanten Nato - Gipfel referieren. Frau Moritz hat da ein Handout vorbereitet.“ Frau Moritz reichte einen Stapel rosafarbenes Papier herum. „Also wir haben mal mit der Schulkonferenz beraten, mit der Schulkindbetreuung und auch der Stadtverwaltung: Wir können am 03.04. unmöglich Unterricht machen, die Schule muss geschlossen bleiben. Die Turnhallen werden sowieso ab nächster Woche gesperrt werden, weil die Bereitschaftspolizei der Stadt Lahr dort ihr Quartier bezieht.“ Die Sportlehrer fingen an zu maulen. „Wie sollen wir denn Unterricht machen? Fällt der Sportunterricht dann aus?“ „Nein, wir können unmöglich den Unterricht ausfallen lassen“, setzt Herr Radeck an, „wir haben eine Unterrichtsverpflichtung. Aber eins ist von entscheidender Bedeutung und ich betone, da bin ich einer Meinung mit vielen Eltern, wie zum Beispiel Frau Herrmann“. Ein Stöhnen ging durch die Lehrerschaft. Herr Radeck wartete, bis der Effekt, den die Nennung dieses Namens mit sich brachte, verebbte und fuhr fort. „Die Eltern haben einen Anspruch darauf vom Sportlehrer rechtzeitig, das heißt mindestens zwei Wochen vor Beginn der Sportstunde, darüber informiert zu werden, wenn der Sportunterricht draußen stattfinden soll. Kinder die keine adäquaten Sportsachen mit sich führen, müssen in einer anderen Klasse beschäftigt werden.“ Ein unwilliges Maulen ging von den Lehrern aus. „Wie sollen wir denn da spontan…“ „Das ist ab heute eine Dienstvorschrift. Ich dulde keine Extratouren.“ „Nur weil die Herrmann einmal die Kleider in der Waschmaschine waschen musste, müssen wir doch nicht..“ „Sie haben mich immer noch nicht verstanden. Dieser Punkt wird nicht diskutiert.“ „Wo kommen wir denn hin, wenn wir den Eltern Honig ums Maul schmieren und alle nur noch wie rohe Eier behandeln dürfen. Das nächste Mal dürfen die Kinder auch nicht mehr in die Pause, wenn es regnet“, putschte Frau Edelweiß die Menge auf. Schon wollten sich einige Lehrer ihrem Protest anschließen. Das konnte sie gut, das musste ihr Herr Radeck neidlos zugestehen, sie konnte verdammt manipulativ sein. Nicht das erste Mal, dass sie eine seiner Entscheidungen zu Fall gebracht hätte. „Sie haben mich verstanden“, beendete er das Gemurmel. „Bitte fahren sie fort Frau Moritz.“ Sie führte weiter die Details zu den Straßensperrungen und Sicherheitszonen aus. Gegen Ende ihres Vortrages unterbrach sie wieder Frau Edelweiß. „Was ist denn jetzt mit den Demonstranten?“ „Ja, so viel ich weiß, werden schon einige erwartet. Hauptsächlich werden sie in Strasbourg demonstrieren. Kehl hat ihnen ja so unmögliche Angebote für ein Camp gemacht, dass sie sich an die französische Seite gewandt haben.“ „Diese nichtsnutzigen Schmarotzer“, kam jetzt Herr Radeck in Fahrt, „da muss man Angst um seinen Besitz haben, hoffentlich werden sie uns nicht das Schulhaus besudeln. Gott sei Dank habe ich eine große Garage, in die unsere drei Autos passen.“ Frau Edelweiß verdrehte die Augen. „Ich sehe das anders. In der Zeitung habe ich gelesen, dass die Natogegner ein Büro in Offenburg eröffnet haben, dort kann man Informationsmaterial über die Hintergründe erhalten. Ich habe mir überlegt, ob ich den Leiter nicht in die Klasse einladen sollte, damit er den Kindern mal erklärt, warum sie denn protestieren und welche Ziele sie verfolgen.“ Herrn Radeck kippte der Unterkiefer runter. „Was wollen sie? Sind sie übergeschnappt? Da kommen wir in Teufels Küche. Wir sind Staatsbeamte, haben sie das schon vergessen? Es ist unsere Pflicht die demokratischen Grundrechte zu verteidigen. Da können wir uns doch nicht mit Terroristen einlassen. Wenn der Gemeinderat davon Wind bekommt. Ich verb…“ „Sie meinen wohl wenn Frau Herrmann davon Wind bekommt“, schnitt sie ihm das Wort ab. „Das Demonstrationsrecht ist im Grundgesetzt

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