Frau Edelweiß und der Nato-Gipfel. Sandra Edelweiß

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verbieten. Wir sind verpflichtet uns politisch neutral zu verhalten.“ „Was wollen sie denn immer mit dem RP. Ich will ja auch nicht für die Demonstranten sympathisieren, ich finde nur, dass die Schüler ein Recht darauf haben zu erfahren, warum denn diese ganzen Menschen durch die Städte ziehen. Wieso sind sie gegen die Nato? Das möchte ich auch gerne wissen.“ „Das glaube ich ihnen aufs Wort.“ Unwilliges Gemurmel kam aus allen Ecken des Zimmers. Sie hatte mal wieder den Bogen überspannt. Die Stimmung schlug um. „Können wir vielleicht weitermachen, ich möchte heute noch nach Hause gehen“, zischte es aus einer Ecke. Zustimmendes Gemurmel bestätigte den Einwurf. Und so ging die GLK erst einmal ohne Unterbrechungen weiter. Dann erinnerte sich Frau Edelweiß wieder an den Mann auf dem Schulhof. Sie meldete sich. „Wie sieht es denn mit reellen Bedrohungen durch Terroristen aus?“ „Dafür gibt es die Sicherheitszonen, das habe ich doch schon erklärt“, erwiderte Frau Sommer. „Ich meine sind die Schüler vielleicht in Gefahr? Geiselnahme? Könnten sie unser Schulhaus okkupieren?“ „Jetzt machen sie sich mal nicht lächerlich. Wir haben deshalb ja am Freitag unterrichtsfrei. Niemand wird in der Schule sein. Das heißt ich werde natürlich die Stellung halten. Aber weniger wegen der Terroristen. Ich möchte sichergehen, dass niemand unser Schulhaus womöglich in Brand setzt. Ich werde in der Schule übernachten“, tönte er mit geschwellter Brust. „Sie wissen ja, alle Beamten haben Urlaubssperre und auch wenn wir die Schule geschlossen halten, sie haben Bereitschaft. Ich werde meine Staatspflicht erfüllen und im Schulhaus die Stellung halten. Eigentlich könnten wir an dem Tag auch einen pädagogischen Tag abhalten“. Das schlug ein wie eine Bombe. Es war deutlich ersichtlich, dass das Kollegium doch nicht über so viel Staatspflichtverständnis verfügte um die Überzeugung des Schulleiters zu teilen. Frau Edelweiß erntete wieder ärgerliche Blicke, schließlich hatte sie das Thema aufgeworfen. Sie ließ sich davon nicht beeindrucken und fuhr hartnäckig fort. „Auf dem Schulhof, da habe ich gestern so einen merkwürdigen Mann gesehen. Der hat so komisch auf den Schulhof geschaut.“ Ein Gelächter brach aus. Selbst die sonst sehr zurückhaltende Referendarin Frau Fischer konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Sie gluckste unaufhörlich vor sich hin. Herr Radeck streifte sie mit einem anzüglichen Blick. „Also bitte, kommen wir doch zur Sache. Frau Edelweiß, Sie haben eindeutig zu viele Kriminalromane gelesen. Wir wollen unsere kostbare Zeit hier nicht mit wilden Spekulationen vertun. Melden Sie ihre Beobachtungen doch der Kripo. Die wird ihre Hinweise gerne entgegennehmen.“ „Wir hatten auch schon Entführungsfälle hier.“ „Jetzt vermischen Sie mal nicht die Tatsachen. Solange niemand unbefugt im Schulhaus herumwimmelt oder auf dem Schulhof herumtappt und die Schüler belästigt, ist alles in Ordnung.“

      3

      Frau Edelweiß schaute auf den Zettel mit den Abkürzungen, den sie sich auf ihren Lehrerzimmertisch geklebt hatte. Es stand darauf. IL, AI, PH. Die Kollegen sollten ihn nicht entziffern können, aber für Frau Edelweiß sollte es eine stetige Mahnung sein. IL, Immer lächeln, AI alles ignorieren, PH Platon Höhlengleichnis. Es sollte sie daran erinnern, dass man nicht immer mit dem Kopf durch die Wand gehen konnte und schon gar nicht in einem Kollegium, in dem man so wenig Verständnis für andere Unterrichtsformen hatte. Sie konnten es einfach nicht verstehen. Sie war im Licht gewesen, sie hatte gesehen, dass man einen Schulalltag auch anders gestalten konnte. Schon morgens, wenn die Schüler schreiend durch das Treppenhaus strömten, bekam sie jedes Mal einen Wutanfall, den sie kaum unterdrücken konnte. Dann verkroch sie sich in dem Musikraum, der an ihr Klassenzimmer grenzte. Dort spielte sie so lange Klavier, bis sie die schreiende Meute hörte. Sie musste nicht in ihrem Klassenzimmer sein. Die Schüler lernten nicht für sie, sie lernten für sich. Sie wusste, sie würden an ihr Regal stürmen und sich Lernmaterial herausnehmen und auch ohne sie anfangen. Ja, es ging auch anders. Schule sollte ein Ort sein, der den Schülern heilig ist, an den sie ganz begierig kommen und es kaum erwarten können an die Regale zu gehen, um ihren Wissensdurst zu befriedigen. Nein, so war es hier nicht. Die Schüler mussten draußen bleiben, egal was für ein Wetter herrschte und darauf warten eingelassen zu werden. Dann standen sie teilweise vor verschlossenen Klassenzimmertüren. Aber auch wenn die Türen offen standen, was sollten sie denn dort drinnen anstellen, außer Quatsch zu machen und mehr oder weniger ungeduldig zu warten bis der Unterrichtsgestalter kam und ihnen sagte, was sie zu tun hatten? Wie langweilig und welche Zeitverschwendung. Bis dann die entsprechend gewünschten Materialien auf dem Tisch lagen, bis dann endlich alle Kinder den geeigneten Aufmerksamkeitsgrad aufwiesen. Das konnte man so leicht ändern, alleine nur durch eine andere Unterrichtsstruktur. Aber das wurde in Lehrerausbildung nicht vermittelt. Die vielen jungen Kollegen wurden auf einen ganz anderen Unterricht vorbereitet. Die Montessori – Pädagogik war nun schon mindestens 80 Jahre alt, aber sie konnte nicht sagen wie alt der Stil sein mochte, der in den Schulpraktischen Seminaren der Referendare propagiert wurde. Sie konnte sie ja verstehen. Wenn man ganz neu ist, da will man sich nicht auf neue Wege begeben, man macht erst mal das, was man gelernt hat. Aber die ablehnende Haltung in ihrem Kollegium konnte sie schon in Rage bringen. Manchmal hielt sie es kaum noch aus. Sie hatten keine Ahnung. Manchmal lag sie nachts im Bett und hatte solche Magenkrämpfe, dass sie ohne Heilerde nicht durch die Nacht kam. So tief hatte sich ihre Wut schon in ihrem Körper eingenistet. Nach außen versuchte sie gleichmütig und hartschalig aufzutreten, aber unter ihrer Schale verbarg sich oft ein brodelnder Vulkan. Sie schob es dann auf ihre Gene, sie hatte zu einem Teil südländisches Blut in ihren Adern. Da war der eine oder andere kleine Wutausbruch an der Tagesordnung. Im Süden eine Normalität. Man schreit gleichlaut zurück und wenig später kann man sich lachend einen Drink ausgeben. Aber hier in Deutschland! Da war man mit diesem Temperament gleich abgestempelt. Die Edelweiß, die regt sich doch über jeden Scheiß auf. Erst neulich war ihr mal wieder der Kragen geplatzt. Die Stadt brachte es fertig für diese wirklich große Schule gerade 10 Parkplatzkarten zur Verfügung zu stellen. Wohlgemerkt Parkplatzkarten, die sie auf einem öffentlichen Parkplatz einsetzen konnten. Waren diese schon beispielsweise von Touristen besetzt, Pech gehabt. Sie selbst war natürlich erst gar nicht in den Genuss einer solchen Parkkarte gekommen. Sie musste am anderen Rheinufer parken und das schlüpfrige Holzbrückchen überqueren um zur Schule zu gelangen. Wie oft hatte sie sich im Winter schon fast den Hals gebrochen, weil die Holzplanken zu rutschig waren. Und dann musste sie ihr Auto einfach an der Straßenseite abstellen. Dies war gerade die Straße, die direkt auf die Passerelle zuführte. Sie galt als der Schleichweg für alle, die gerne ohne mögliche Grenzkontrollen das Land wechseln wollten. Dass dies nicht gerade der sicherste Parkplatz in Kehl war, musste sie bald feststellen. Am Morgen hatte sie gerade noch einen Parkplatz dort erwischt. Sie hatte keine Zeit wählerisch zu sein, sie war sowieso spät dran. Ihr Chef saß ihr im Nacken. Sie wusste, dass er wieder im Treppenhaus stehen und ihr Ankommen genau registrieren würde. Als sie nur 4 Stunden später zu ihrem Auto zurückkehrte, da fand sie es aufgebrochen vor, am helllichten Tage. Sie hatte Glück, keine Frage, es waren nämlich Profis am Werk gewesen. Keine Jugendlichen, die versuchten ein Auto zu knacken und dabei mehr Schaden anrichteten, weil sie aus Unkenntnis den ganzen Lack verkratzten und so an allen Türgriffen herumrissen und zerrten, dass die Kosten für die Reparatur der Griffe und des Lackes höher waren, als die des geklauten Radios. Nein, hier in Kehl waren immer Profis am Werk. Die haben es nicht weit von Strasbourg. Sie hatten also sehr sorgfältig die Gummidichtung des Kofferraumfensters ihres Kastenwagens aufgeschnitten. Die Diebe waren sehr höflich und umsichtig. Ihnen ging es nicht um wilde Zerstörungswut, nein, sie hatten die herausgeschnittene Scheibe vorsichtig in den Kofferraum zurückgelegt. Zunächst bemerkte Frau Edelweiß nichts, sie öffnete den Kofferraum und sah die Glasscheibe. Natürlich dachte sie sofort an ihren Ehemann und wollte schon loswettern: „Was legt der mir eine Glasscheibe in den Kofferraum.“ Dann sah sie zur Seitenwand des Wagens wo jetzt nur noch eine leere Öffnung zu sehen war, dann dämmerte es ihr und ihr Blick ging folgerichtig zu der Stelle, an der ihr Radio einst gewesen war. Nur noch ein abgeschnittenes Kabel hing aus dem leeren Schacht. Sie stürmte das Sekretariat. Da war sie nicht mehr zu halten gewesen. „Ich finde es eine Unverschämtheit, man kriegt hier keine Parkkarte, Parkplätze gibt es auch keine, wenn ich direkt neben der Schule parke, bekomme ich ein Knöllchen und wenn ich an dem Brückchen parke, dann wird das Auto aufgebrochen. Keine Schule, in der ich bis jetzt war, hat so erbärmliche Voraussetzungen gehabt. Ich möchte sofort Herrn Radeck sprechen, ich will die Polizei sprechen, ich möchte eine Parkkarte.“ Lauthals tobte sie im Sekretariat.

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