Joseph. Johannes Wierz

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Joseph - Johannes Wierz

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des Landarztes auf sich.

      Seit Tagen schleicht er um mich herum, sucht meine Nähe, geht es ihr stattdessen durch den Kopf, ob er mehr von mir will? Und wenn ja – was genau?

      Der Sarg wird an Seilen in die Grube heruntergelassen, und die kleine Gruppe von Gebirgsjägern schießt einen Salut. Da hat der Landarzt längst einen Plan. Von seinem Erfolg mehr als überzeugt, folgt er der Trauergemeinde tänzelnd zum Leichenschmaus in den Kirchenwirt.

      Zur selben Zeit prostet ein Brauereifahrer in der Bezirksgemeinde seinem großzügigen Gastgeber zu. Sie sitzen in der Schwemme der Brauerei und genießen schon die fünfte Halbe miteinander.

      „Wenn’s wollen, können’s ruhig des Öfteren für mi einspringen“, lacht der Bierkutscher und vermutet irgendeine Liebelei oder spinnerte Wette hinter der ganzen Maskerade. Immerhin musste er seinem Gegenüber für ein paar Stunden seine Arbeitskleidung und den Lieferwagen überlassen.

      „Ein kleiner Spaß, nichts weiter“, antwortet der Fremde und bestellt eine neue Runde.

      Das Fotolabor aus dem Kirchenwirt zu holen, ist wirklich ein Kinderspiel gewesen. Im hinteren Teil des Kellers sind Fässer gestapelt, die man aufklappen kann. Während der Besatzungszeit durch die Alliierten hat sie der Kirchenwirt zum Schmuggeln eingesetzt. Voller Stolz hat der Wirt sie ihm damals gezeigt, als er da unten den Raum für sein Labor anmieten wollte. Der Rest ist ein Leichtes gewesen. Von dem großen Kalender in der Küche hat der Fremde von der nächsten Bierlieferung gewusst. So hat er nur auf der Passstraße dem Brauereiwagen entgegenzugehen brauchen. Ein Geldschein hat ausgereicht, um in die Verkleidung zu schlüpfen und den Lastwagen für ein paar Stunden zu bekommen.

      Der Fremde verabschiedet sich freundlich von seinem Zechkumpan. Er überquert den Platz mit dem malerischen Marktbrunnen, biegt in eine Gasse ein, umgeht den ganzen Häuserblock und betritt durch eine Pendeltür das ehrwürdige Hotel Zum roten Adler.

      Der Portier rümpft die Nase, als der Fremde sich nach der Zimmernummer eines Gastes erkundet. Der Schlüssel hängt nicht am Haken, und er hat die Order, jeden, der nach dem Gast fragt, nach oben zu schicken. Zumindest verschwindet der ungepflegte Fremde auf diese Weise schnell im Aufzug und verschandelt nicht seine Empfangshalle.

      Trotz roter Teppichläufer knarren die Dielen unter den schweren Bergschuhen. Der Fremde schaut sich mehrmals um, ehe er den Schlüssel hervorkramt und das Zimmer aufschließt. Sein Weg führt sofort ins geräumige Badezimmer vor den großen Spiegel, wo er sich durch das Herunterziehen seiner Perücke, das Abreißen der buschigen Augenbrauen und des Stoppelbarts seiner Verkleidung entledigt. Er muss mehr als vorsichtig sein, denn sie sind hinter ihm her. Eine unsichtbare Macht, die er nicht greifen kann, jagt ihn. Er weiß, dass sie von Tag zu Tag mehr werden. Sie wollen ihn vernichten, was nicht weiter verwunderlich ist. Die Wahrheit ist ihr größter Feind und sein Kapital. Er lässt ein heißes Bad ein und entledigt sich auch seiner Kleider. Dann breitet er seinen Mantel auf dem Bett aus, öffnet vorsichtig mit einer Rasierklinge die Naht des Futters und holt mehrere große Geldscheine heraus.

      Fürsorglich kümmert sich der Landarzt Dr. Holzer um die Witwe. Angezogen liegt sie auf dem Bett, während die Dorfgemeinschaft unten im kleinen Saal feuchtfröhlich und lautstark Abschied von ihrem Mann, dem Kirchenwirt, nimmt. Der Landarzt öffnet einen Blusenärmel der jungen Witwe und schiebt ihn nach oben. Routiniert bindet er ihr den Gummischlauch fest um den Oberarm. Die Venen schwellen augenblicklich an, und auf blasser Haut zeichnen sich bläulich ihre Adern ab. In der silbernen Nierenwanne liegt schon das Spritzenbesteck bereit. Mit einer Rasierklinge durchtrennt Dr. Holzer die Spitze der Glasampulle und zieht die Flüssigkeit auf. Ein leises Stöhnen ist zu hören. Dann folgt ein kurzes Aufbäumen, des Körpers bevor die Kirchenwirtin einfach nur stumm daliegt und ins Leere starrt. Der Puls und die Körpertemperatur steigen an. Während der Landarzt seine Instrumente wieder in die Tasche steckt, beginnt für die junge Frau eine seltsame Reise. Sie taucht ein in irgendeine Art seltsames Bergwerk. Ihr ist kalt, und die Wände sind pechschwarz. Ein Rauschen nimmt Besitz von ihren Ohren und sie spürt, wie ihr starker Wind entgegenschlägt. Die Kirchenwirtin glaubt, in einer Lore zu sitzen, die in den Berg einfährt. Die mit der eisigen Kälte gekoppelte Dunkelheit wird abrupt abgelöst durch ein bizarres Farbenspiel, das ihr die Stollenwände bieten. Der nackte Stein leuchtet in allen erdenklichen Farben und strahlt eine Wärme aus, die ihr Innerstes fast verbrennt. Sie schwebt aus der Lore, die krachend in die Tiefe fährt und gleitet ruhig durch die Steinhöhle. Zum Glück kann sie fliegen und durch jede Art von Materie dringen. Der Fels ist nichts anderes als ein buntes Gebilde aus warmer Luft. Ganz unten im Berg liegt ein See, so groß wie ein Ozean. Doch als sie eintauchen will, passiert etwas Sonderbares. Das Wasser entpuppt sich als ein großer Karamellpudding, der sie wieder nach oben katapultiert.

      Während all dem sitzt der Landarzt Dr. Holzer an ihrem Bett und beobachtet interessiert, wie sich die Pupillen seiner Patientin verändern. Auch das Rucken und Zucken, das durch ihren Körper geht, als würde sie von unsichtbarer Hand geschüttelt, entgeht ihm nicht. Mit geschickter Hand öffnet er ihre Bluse, schiebt den Büstenhalter zur Seite und fingert an den steifen Brustwarzen herum. Leicht erregt geht er mit seinen Händen weiter auf Entdeckungsreise. Er schiebt ihr den Rock hoch und greift ihr in den feuchten Schritt. Vollkommen benommen von der Macht, die er in diesem Augenblick verspürt, legt er sich zu ihr. Das Stimmengewirr und Gelächter, das unten aus dem Saal von der Trauergemeinde nach oben dringt, nimmt er nicht mehr wahr.

      Der Fremde hat sich eine Flasche guten schottischen Whiskys auf sein Hotelzimmer bringen lassen. Jetzt sitzt er in der Badewanne und betrachtet durch ein kleines Sichtgerät die Negative des Kirchenwirtes. Die Aufnahmen sind künstlerisch nicht besonders wertvoll, dafür aber eindeutig. Die Schwester von Maria Magdalena, die Elisabeth, wird von mehreren Halbstarken vergewaltigt. Ein paar der verzerrten Gesichter hat er beim Kirchenwirt schon einmal gesehen. Es wird ihm keine große Mühe machen, den Fratzen Namen zuzuordnen. Aber er muss vorsichtig sein. Denn sie sind hinter ihm her. Und seine Spuren sind längst nicht alle verwischt. Seinetwegen hat es Tote gegeben. Unvorsichtige Informanten, die so naiv gewesen sind, zu glauben, die andere Seite würde sich an Absprachen halten und bezahlen, sind einfach ausgeschaltet worden. Die andere Seite prahlt mit ihren Morden. Sie setzen sie in die Zeitung, meist auf die dritte Seite. Vielleicht machen sie es, um ihm Angst zu machen oder Respekt einzuflößen. Er weiß es nicht, und es ist ihm im Grunde auch egal. Immerhin hat er ihre Spielregeln und Eitelkeiten auf das heftigste verletzt. Er ist im Grunde nur der Wahrheit verpflichtet. Er hält fest, mehr nicht. Er taucht seinen Kopf ins warme Wasser und hat schlagartig ein neues Ziel vor Augen. Warum nicht den Winter an der Riviera verbringen?

      Am Abend steht Dr. Holzer rauchend am Fenster und schaut den Trauergästen hinterher, die nach und nach torkelnd den Kirchenwirt verlassen. Im Schlafzimmer riecht es nach süßlichem kaltem Schweiß. Auf der Bluse und unter den Achseln der jungen Witwe haben sich große dunkle Flecken gebildet. In gut einer halben Stunde wird sie aufwachen. Ihr wird kalt sein, und sie wird eine unbekannte Sehnsucht spüren, die nur er stillen kann. Dr. Holzer öffnet das Doppelfenster und schnippt die aufgerauchte Zigarettenkippe in den Schnee. Er nimmt seine Arzttasche und verlässt das Schlafzimmer der Kirchenwirtin.

      Der Fremde sitzt im Bademantel auf seinem Bett und näht den Saum seines Mantels wieder zu. Die Brieftasche ist aufgefüllt. Er wird den Portier bar bezahlen und dann mit dem Taxi zum Bahnhof fahren. Am Schalter wird er einen Fahrschein kaufen und mit einem großen Geldschein bezahlen, in der Bahnhofsgaststätte eine Kleinigkeit essen und sich hinterher beim Wirt beschweren. In dem Moment, wenn der Zug in den Bahnhof einfährt, will er den anderen Reisenden folgen, um dann im Gewirr der Ein- und Aussteigenden auf der Toilette zu verschwinden.

      Der ehrwürdige Pfarrer von Tamm ist froh, endlich den Zug verlassen zu können. Die Rückfahrt ist mehr als eine Zumutung gewesen. Mit Viehhändlern hat er sich das Abteil teilen müssen. Einen Spaß haben sie sich daraus gemacht, ihn mit ihren derben und anzüglichen Witzen aus der Fassung zu bringen. Schlüpfrige Frauengeschichten, die durch das

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