Der Kronprinz des Selbstvertrauens. Markus Meisl

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Der Kronprinz des Selbstvertrauens - Markus Meisl

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      Wahrlich! Das Schicksal ereilt uns zur unpassendsten Stunde!

      Doch kann man ihm entfliehen, mit seinen Tagen voll Dunkelheit, dem Schweigen auf den Dächern, dem kleinen Silbermond?

      Als ich am nächsten Tag ins Büro komme, ist es noch sehr früh. Es ist die Zeit, in der das Reinigungspersonal seine Arbeit verrichtet und draußen noch Dämmerung. Die Büroplätze sind verwaist, die Mistkörbe harren der Entleerung. Es muß gewischt, geputzt und gereinigt werden. Ich schreite durch den Gang, an den Saubermachern vorbei, wie eine zu früh gekommene Spezies. Mein nächster Anlaufpunkt ist die Kaffeeküche, wo das Leben beginnt. Denn darin stationiert ist eine Espressomaschine, kompakt und verlässlich, das Herzorgan der Küche und somit auch aller Büroexistenzen. Dann, völlig allein, im zarten Dekollete: Isabell Matinell.

      Sie steht vor dem Gerät, im Halbdunkel, wie ein Engel vor seiner Harfe. Mit angenehmem Wortlaut gebe ich mich zu erkennen.

      Kaffee! Aha!

      Und ich mache Licht. Man weiß ja, wie das ist, die erste Woche, denn nichts weiß man. So zeige ich ihr, wo die Kaffedose steckt, in welchem Schrank der Zucker, in welchem Fach der Milchvorrat - jahrelange Erfahrung. Und dann, das Baby, die Maschine - wie die Kleine funktioniert! Alle Finessen der Bedienung, die man kennen muß, um ihr den dunklen Bohnentrunk zu entlocken.

      Ich zeige ihr den Vorgang, jeden Handgriff. Sie, mit der größten Aufmerksamkeit. Und dann: Geräusche, Vibrationen und – Kaffee! In dünnem Strahl, sich stetig mehrend!

      Nun lächeln wir beide. So kann es gehen!

      Aus dem zweiten Stock, Markus Meisl, nicht wahr? Ja, ich kann mich erinnern. Und ich Isabella, nennen sie mich Isabella.

      Wir geben uns die Hand.

      Die Atmosphäre ist leicht, aber noch viel mehr – vibrierend. Mit manchen Leuten kann man gut, mit anderen weniger. Und Fräulein Matinell gehört eindeutig zur ersten Gruppe. Wir beide spüren die gute Wellenlänge, ein wenig überrascht, etwas ungeschickt, doch nonstop heiter.

      Noch Zucker, vielleicht einen braunen? Ja? Drei bis vier Stück reichen? Völlig? Verstehe, geht mir auch so! Und wir lachen.

      Erst fällt es mir nicht auf, doch dann, an ihrem linken Bein: wieder ein Schrick. Nicht so offensichtlich, wie am Tag zuvor, dünner, von begrenzterer Art, aber trotzdem, es ist ein Riß im Strumpf. Bei einer sonstigen Sicherheit im Geschmack, der tadelloser nicht sein könnte.

      Entschuldigen Sie, Sie sind undicht. Strümpfe sollte man besser aussuchen, Altes verwerfen. Das ist üblich.

      Natürlich sage ich das nicht.

      Fräulein Matinell hat etwas, es ist Wärme, es ist Präsenz und ich genieße es. Keine Spur von Arroganz oder Derbheit wegen des Strumpfes, vielmehr Interesse und ein Gefühl für das Gegenüber. Wir unterhalten uns mit Anregung. Anfängliche Fragen: Wie bist du zu uns gekommen? Stammst du aus der Gegend? Oder: von weit, weit her!

      Zugleich wird klar: schöner Brauenschwung und feminine Formen, alles vorhanden und genau dort, wo es die Natur ersonnen hat. Und dann, auch dabei und nicht zu darbungsvoll: ein kleiner Wohlstandsbauch. Er wirkt wie aufgesetzt. Ja, wer kennt das nicht! Zu viele Brötchen am Abend, so mancher Happen vor dem Fernseher. Er spricht eine authentische Sprache: nicht zu viel und nicht zu wenig. Ich finde, er ist süß.

      Schließlich kommen die ersten Kollegen aus der Abteilung und bevölkern die Kaffeeküche. Die intime Atmosphäre ist dahin, wie sollte es auch anders sein: sie palavern, sind laut, drängen sich dazwischen. Dabei linsen sie dem neuen Ausschnitt auf die Weide und es gibt mehr Ochsen als Gras. Natürlich injizieren sie ein Gespräch - von der platten Sorte - um die Neue ins Spiel zu bringen. Zuerst ein dezenter Angriff auf meinen Hosenabschluß, er sei zu bündig. Dann meine Brille: sie sei schon wieder um einen Zentimeter dicker, verglichen zum Vorjahr. Aber Isabella ist nicht auf den Mund gefallen. Sie gibt kluge und sattelfeste Kommentare, die jede Schneid sogleich abkaufen. In manchen Fällen sogar besser als ich. Die Kollegen ziehen mit und merken gar nicht, daß ihnen das Zepter bereits entwendet wurde. Und Isabella macht weiter und schickt mir ein schelmisches Zwinkern ...

      Schon eine Stunde später ist es hell in allen Räumen und die Putzfrauen mitsamt dem Müll verschwunden. Gediegener Bürogeist waltet an allen Tischen. Kollegen bohren in der Nase, Schönheitsköniginnen betrachten sich im Handspiegel; ihren Lippenstift optimierend, auch Nagelfeilen probierend. Denn die Kollegen von der Evaluierung sind seit gestern abgereist und kommen nicht wieder. Auch ich sitze an meinem Platz und arbeite fleißig. Seit einigen Minuten liegt eine Melodie auf meinen Lippen und ich kann nicht einmal sagen, woher sie kommt; ich pfeife und trillere den Ohrwurm hinter meinen Pflanzen, wie die Amsel im Gehölz. Mein Pensum ist umfangreich und aufwendig, nichts für schwache Kreaturen. Das kann man wohl sagen. Aber auch sonst geht es gut und ich nehm´s leicht!

      Zugleich merke ich, wie Fräulein Blau unstet und nervöser wird. Irgendetwas beschäftigt sie, mit ansteigendem Quotienten; ich spüre, sie wirft einen Haken der Neugierde und Ungeduld an meine Seite, erfüllt von stummem Begehren. Werde ich sie an meine Seite ziehen?

      Jetzt wird sie immer unruhiger, wetzt und rutscht auf dem Stuhl. Sie ist sie eben gewohnt, die tägliche Dosis ... und ich, ... ich habe den Stoff ...

      Schließlich Erbarmen.

      Ich unterbreche mein Pfeifen ...

      „ACH JA, FRAU BLAU, ...

      (sie reagiert mit großem, empfänglichem Blick)

      ... WAS MACHT EIN DILDO IM GERICHTSSAAL?“

      Eine sophistische Frage, nicht ohne Tiefgang.

      Ich lasse sie erst gar nicht raten ...

      „ANKLAGE AUF MITHELFERSCHAFT ZUR UNTREUE UND ARTIFIZIERUNG DES PRIVATLEBENS!“

      Meine Kollegin ist gerührt ...

      - - -

      Aber auch am Nachmittag gibt es viel zu tun. Der Chef hat eine wichtige Sitzung anberaumt. Das zeigt sich daran, daß am Sitzungstisch Orangensaft bereit steht, wo sonst nur Sprudel ist, der restlos wieder aufstößt. Ich nehme mir vom Zitrusnektar, dazu Mineralwasser: nicht zu viel und nicht zu wenig.

      So hab ich´s gern.

      Da kommt Fräulein Krüger in den Saal, die Sekretärin vom Chef. Mitte dreißig, gebildet, ein Hinterteil wie ein Frachtschiff. Sie trägt eine Mappe mit Dokumenten unter dem Arm und legt diese dem Chef zur Unterzeichnung vor, Haltungsnoten: vorbildlich.

      Sie verwaltet Termine, organisiert Besprechungen, hält die Übersicht - sie ist die rechte Hand. Ohne den dicken Hintern geht gar nichts. Chef behandelt sie wie ein besonderes Inventar, einen vertrauten Monolithen. Jetzt ist die Unterfertigung beendet und sie geht wieder hinaus. Immer korrekt, immer loyal; aber das Hinterteil, Verzeihung: schon die Hälfte würde reichen!

      Und dann, mir schräg gegenüber, der Clown, die Fliege - der Kollege aus der Wasserbettenabteilung. Oder sollte ich sagen: Collage aus der Kostümfraktion? Groß, schlaksig, immer kariertes Sakko, Fliege statt Krawatte - geschmackstechnisch bedenklich. Glattes, fallendes Haar und ein Kinn im Ausverkauf, so groß und vorstehend ist es. Er selbst arbeitet im Einkauf und glaubt, mit dieser Aufmachung und einem Drang zu extra-saloppen Bemerkungen einer besonderen Avantgarde anzugehören. Ich beachte ihn nicht weiter, als die Gase, die mir rückwärts

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