Der Kronprinz des Selbstvertrauens. Markus Meisl

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Der Kronprinz des Selbstvertrauens - Markus Meisl

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man landet auf dem Mist. Überall verliert die Freude Federn. Und ein Huhn senkt sein Hinterteil und gibt dem Schrecken gehörig Luft.

      Den Dreck auf meinem Anzug erledigt die Reinigung, die Kratzer auf der Maschine die Werkstatt, die blauen Stellen verschwinden. Für Knochenbrüche gibt es den Doktor. Doch wer reinigt meine Weste, das Mal unter der Haut?

      Eklats dieser Art lähmen mich für Wochen. Dann leide ich und kann an nichts anderes mehr denken ... einen guten Job, eine verständnisvolle Frau, dazu noch Sonnenschein und alles authentisch und frei von schlechter Nachrede.

      Doch woher nehmen und nicht stehlen?

      ---

      Einmal in der Woche vergesse ich meine Sorgen.

      Ich befinde mich in einem schattigen Hof, unter dem prachtvollen Grün von Linden. Meine Maschine steht neben einem Haufen aus Schutt, vorwiegend in grau und blau, dazwischen Bruchstücke von Ziegeln. Auf dem Gepäckträger ruht, sorgsam mit Gummibändern befestigt, ein Holzkoffer; er hat an den Ecken kupferne Beschläge und ist sehr handlich. Ich nehme ihn behutsam von der Maschine. Die Session beginnt. Ich gehe über einen breiten Weg, durch einen Garten, dann durch eine Tür und in das Haus mit Blumen. Schon höre ich die vertrauten Stimmen, es zieht mich, es wartet, und zwei Schritte weiter bin ich da, im Gemisch von Farbgeruch, Milchkaffee und entspannter Atmosphäre. Denn jeden zweiten Mittwoch ist Kurs für Kreativmalerei.

      Mutter der Veranstaltung ist Mama Martha, ein in die Vollendung gekommene Frau mit großem Herzen. Sie begrüßt mich mit zwei dicken Küssen auf die Wange und umarmt mich. Ihre Sprache ist die des Körpers, freundliche Augen, reichlich Pfunde und ein Umfang, so breit wie ein Rubensgemälde. Für Mama sind alle Kinder Malende, Sprößlinge der Erde; egal wie dick der Pinsel, wie stark der Auftrag der Farbe, egal wie groß das Können: in jeder Brust pocht warmes Blut.

      Ich gehe zu meinem Platz und begrüße die Kollegen, Menschen aller Alterstufen, auch Menschen mit Behinderungen. Die Atmosphäre ist wohlwollend, gemeinschaftlich, es ist das gemeinsame Hobby, das verbindet.

      Ich streiche über das Leinen und öffne meinen Malkoffer. Im Koffer: Pinsel, Farbtuben, Verdünnungsmittel, zwei Ballaststoffriegel.

      Noch dauert es eine Weile, bis sich alle eingefunden haben. Die Leute sitzen, tratschen, doch allmählich wird es dichter. Schließlich erhebt Mama Martha das Wort. Sie begrüßt die Gruppe mit warmem Willkomm. Am Anfang stehen ein paar einleitende Worte, über die Kunst, über die Freiheit, die große Gnade; denn grau ist alle Theorie, doch hell des Lebens dampfender Strom. Mama Martha stimmt uns ein ...

      Am Anfang steht nur die weiße Fläche, das unbenützte Leinen. Doch plötzlich ist Farbe auf dem Pinsel und die Arbeit beginnt. Ich habe anfangs etwas Scheu, mich dem Prozeß zu überlassen. Wer weiß, was kommt? Wer weiß, wovon? Will ich es sehen? Kann ich es tragen? Doch alsbald ist das Lampenfieber verschwunden. Einem Auftakt von Grün folgt Rot, dann Rosa, wie ein wirbelnder Schweif. Es folgen Grau und Blau, ich kann es gar nicht steuern. Der Geist ist erwacht, der Pinsel hat Spaß.

      Aber im gesamten Raum herrscht nun Stille und hohe Präsenz. Alle malen fleißig. Mutter Martha geht langsam zwischen den Staffeleien, die Hände am Rücken, mit den voluminösen Hüften, dem erhobenem Kopf, verfolgend die Entstehung der Werke. Ab und wann gibt sie ein wohlwollendes Lächeln, einen ermunternden Blick.

      Ein Mann mit stechenden Augen steht gerade vor seiner Staffelei und führt den Pinsel konzentriert; es ist ein Feuer und eine kontrollierte Wildheit in seinen Augen, die er stückweise auf die Leinwand bringt. Das kann was werden.

      Ein Greis mit weißem Vollbart wiederum ist die Ruhe selbst; er sitzt vor seiner Leinwand und malt zufrieden, malt selig; alles an ihm ist selbstredend.

      Auch das Mädchen im Rollstuhl, mit den Zöpfen und der Zahnspange ist in ihrem Tun zu Hause, malt Wiesen und Himmel, malt Blumen und Kühe. Überall findet man eine etwas andere Art, sich auszudrücken.

      Auch ich habe etwas zu sagen. Die Wahl der Farben erfolgt nach Geschmack, dünn oder kräftig, für sich oder ineinander spielend. Und es erscheinen Formen, verkörpernd die Wendung, den inneren Gang. Es ist erfreulich, wenn der Nektar erscheint, es malt gut, wer auch das Gift nicht verneint.

      Nach und nach habe ich die gesamte Leinwand ausgefüllt; es ist ein Kolorit aus allerlei Stücken, Beziehungen und Wendungen; aber immer wieder kommen Ergänzungen; es ist ein Prozeß. Dann kommt die Arbeit zum Stoppen. Ich betrachte mein Werk. Es kann sein, daß etwas noch kommt, doch vorerst bin ich leer.

      Jetzt ist der Moment gekommen, um aufzustehen und sich ein wenig die Beine zu vertreten. Es ist gut, Abstand vom eigenen Werk zu nehmen, zu pausieren und sich mit einer Tasse Kaffee den anderen zu widmen. Der Blick über die Schulter ist frei und überall gibt es etwas zu entdecken.

      Als ich zu meinem Bild zurückkehre, atme ich durch. Ich betrachte es erneut. Es ist gut, es drückt die Lage aus. Da und dort vielleicht noch eine kleine Verbesserung, doch weiter ist nichts zu ändern.

      So folgt der zweite Teil des Kurses. Er besteht in der Sichtung und Besprechung der Arbeiten. Dieser ist nicht weniger traditioniell und alle haben Anteil. Irgendwann haben sich alle um das erste Bild versammelt.

      Es stellt eine Heidelandschaft dar, vornehmlich in Blau-und Grau, übergossen vom kühlen Schein des Mondes. In der Mitte steht eine Hütte und von dieser entfernt sich ein Wanderer.

      Mama Martha nähert sich dem Bild mit bedeutungsreicher Sprache. Hmmm, ahhh, interessant, sehr schön, wirkungsvoll in der Sparsamkeit der Mittel, und der Wanderer, ein starkes Symbol, der Suche, des Weges ...

      „WAS HAT ER IN DER HÜTTE GEMACHT,“ fragt jemand aus der Runde, „ HAT ER SICH AUSGERUHT?“

      Der Maler schweigt bedeutungsvoll.

      „ICH WEIß ES, „ ruft jemand anders,“ ER HAT SICH EINE WURST GEBRATEN!“

      Wieder falsch.

      „ER HAT DIE HÜTTENWIRTIN ANGEBRATEN!“

      Interessant, aber auch falsch.

      Endlich gibt der Künstler die Auflösung.

      Die Hütte existiert in Wirklichkeit in einer anderen Dimension, und der Wanderer geht an ihr vorbei. Jetzt sind alle enttäuscht und stöhnen auf; Mama Martha gibt das Lob – ein origineller Einfall, darauf wäre niemand gekommen.

      Das nächste Bild - es stellt einen roten Kreis und ein Dreieck dar; auf blauem, kongruentem Hintergrund.

      „UH, MATHEMATIK, kommt wie erschrocken ein Ausruf aus der Mitte!“

      Alle erstarren und nehmen Distanz.

      Ja, Mathematik, fügt Mama Martha nach einer Pause hinzu und tritt bedeutungsschwer aus der Mitte ... Mathematik, Pythagoras und Kopernikus, Kepler und Gauß, die Großen. Aber es ist noch mehr; es ist das Relative im Absoluten, Gesetz und Form, Kristall und Struktur. Es enthält Geheimnisse, es ist Flirt mit Epsilon: aber eben auch mit Pi ...

      „JA, JETZT SEH ICH ES AUCH!“

      Und so geht es weiter. Mama weiß zu jedem Werk etwas zu sagen. Und sind es nur bloße Kohlenstücke, die jemand malt, so ist es die besondere Art, dieselben zu setzten, und malt jemand sehr unsicher, voller Zweifel, so ist es das Verletzliche, das durchkommt. Mama würdigt automatisch.

      Und Willi, der

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