Mirabili. Charline Dreyer

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Mirabili - Charline Dreyer

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ganzen Leib und kneife die Augen zusammen, um durch den Sturm hinweg wenigstens in etwa sehen zu können, wo ich hin reite. Wir haben das Gebirge erreicht und grobes Gestein bricht aus dem Boden zu hohen Bergen mit weißen Spitzen hinauf.

      „Empfindet Ihr denn gar keine Kälte?“, frage ich den Krieger schlotternd, der ganz gelassen gegen den Schneesturm reitet.

      „Nein, Geneviève. Ich bin ein Wesen, das vermutlich selbst aus Eis besteht. Mir macht der Schnee nichts aus.“

      „Das freut mich a- aber“, ich gebe mir mühe, in ganzen Sätzen zu sprechen und muss meine Stimme gegen den Sturm erheben, „ich fürchte, ich werde demnächst zu einer Eisfigur erstarren. Dann könnt Ihr mich im Palast der Königin zur Dekoration verkaufen.“

      Der Krieger grinst schief. „Ihr wärt eine prächtige Eisskulptur.“ Dann runzelt er die Stirn und fügt schnell hinzu: „Wir erreichen bald das Haus eines Freundes. Dort könnt Ihr Euch aufwärmen und ich werde dafür sorgen, dass Ihr etwas warme Kleidung zum Anziehen bekommt.“

      Ich kann meinen Blick nicht von ihm wenden. Dieser kalte Ausdruck in seinen eisblauen Augen und diese beißenden Blizzards, die funkelnd um sein Gesicht geweht werden. Als würde er über den Naturgewalten stehen. Oder mindestens auf einer Stufe mit ihnen. „Wo reiten wir hin Jared?“, meine Stimme ist schwach, leise. Eigentlich hätte er mich nicht verstehen dürfen, doch anscheinend ist auch sein Gehör um Längen besser als meines. Er presst die Lippen zusammen, schaut unentwegt nach vorn. „Zum Haus eines Freundes, der uns Obdach gewähren wird.“

      „Nein“, erwidere ich, „ich meine, was ist unser Ziel? Euer Freund wird bloß ein Zwischenstopp sein, habe ich recht?“

      „Wenn es danach geht: Wir haben kein Ziel.“

      „Wie bitte?“

      „Es ist vorbei, Geneviève. Wir werden nie wieder ein endliches Ziel haben. Es sei denn die Herzogin fällt auf der Stelle tot um.“

      „Ihr sagt wirklich oft meinen Namen. Gefällt er Euch?“

      Er verdreht die Augen. Schon wieder eine einfache, menschliche Geste. Es ist herzerwärmend, wenn ein so düsteres, kaltes Wesen dennoch hin und wieder so menschliche Eigenarten aufweist. „Genoveva“, murmelt er.

      „Was?“

      Er schaut mich endlich nach einiger Zeit direkt an und wieder durchbohrt mich das Blau seiner unglaublichen Augen. „Genoveva. Der Name stammt von euch Erdbewohnern. Er ist uralt. Wusstest du das?“

      „Älter als du?“, scherze ich und zucke zusammen als ein kleiner Eiskristall in mein linkes Auge geweht wird.

      Er schüttelt lächelnd mit dem Kopf. „Die aufgesetzten Förmlichkeiten haben mich ohnehin gestört.“ Zögernd überlege ich, was er damit meint und dann fällt mir auf, dass wir uns ohne weiter darüber nach gedacht zu haben, gegenseitig mit „du“ angesprochen hatten. „Wenn dein Freund nicht so verklemmt ist wie du, wird er sicher etwas im Haus haben, womit wir offiziell auf Bruderschaft trinken können“, sage ich trocken.

      „Da ist sie wieder“, stöhnt Jared, „das Mädel mit der großen Klappe.“

      Ohne es verhindern zu können entfährt mir ein Lachen und Jared sieht mich in diesem Moment auf eine Weise an, wie mich noch nie jemand angesehen hat. Bis er wieder ernst wird, die dichten Augenbrauen zusammenzieht und den Blick abwendet.

      „Du bist gar nicht so böse, wie du tust.“

      „Böse?“, fragt er und schnaubt verächtlich. „Böse ist gar kein Ausdruck für das, was ich bin.“

      „Du bist so erfüllt von Selbsthass, da kann man ja nur verbittern“, ich versuche so sanft zu sprechen, wie es geht. Ich möchte auf keinen Fall, dass er sich angegriffen fühlt. Das einzige was ich möchte ist, dieses Wesen zu verstehen. „Du hast mir das Leben gerettet, Jared.“

      Er sieht mich aus zusammen gekniffenen Augen an, die Hände um seine Zügel zu Fäusten geballt. „Du hast da etwas ganz falsch verstanden, Genoveva.“ Die Art, wie er die Ursprungsform meines Namens ausspricht, lässt mein Herz schneller schlagen. Es klingt so fremd und doch so vertraut. Als habe ich schon immer so geheißen, es nur nicht gewusst. Als habe er mir ein Bild von alten Erinnerungen in den Kopf gesetzt, die jetzt wieder immer klarer und greifbarer werden. „Nein. Ich glaube, ich habe alles so verstanden, wie es auch ist“, erwidere ich fest.

      „Ich habe dir nicht das Leben gerettet, ich wollte es dir nehmen. Ich bin ein Mörder. Ich töte für meine Herzogin und das mit Freude. Menschen abzuschlachten hat mir Spaß gemacht.“

      Ich blinzele ein paarmal, unsicher, was ich als nächstes sagen könnte. Seine Worte sind hart, doch ich blicke dahinter. „Aber … wie dein letzter Satz, solltest du auch den ersten Teil in die Vergangenheit setzen. Du warst ein Mörder und hast für die Herzogin getötet, ja. Aber das war ... vielleicht früher. Ich weiß, dass du mich nicht umbringen konntest. Ich habe es in deinen Augen gesehen. Du wolltest und du konntest nicht.“

      „Und du hast mich dafür verspottet.“

      Jetzt bin ich es, die die Augen verdreht. „Das habe ich. Doch muss ich meine Aussage revidieren“, ich atme zitternd aus, drehe mich im Sattel so weit in seine Richtung, wie es mir möglich ist und fahre fort: „Dies zeugte nicht von Schwäche, Jared. Es zeugte von der größten Stärke, die ich je an irgendjemandem erlebt habe. Wenn der erste Krieger der Herzogin einen solch schwerwiegenden Befehl missachtet, um das Leben einer Unschuldigen zu retten, dann ist das – bei den Monden – das stärkste, was ein Krieger je machen könnte. Du hast dich gegen die Herzogin, die eine absolutistische und tyrannische Närrin ist“, er zieht scharf die Luft ein, doch ich lasse mich nicht beirren weiter zu reden, „du hast dich gegen diese Herzogin aufgelehnt, die es nicht im Ansatz mehr verdient einen so loyalen Krieger wie dich an ihrer Seite zu haben. Das war ein Machtwort, Jared. Eine Rebellion, die nötig war. Das könnte der erste Schritt in die richtige Richtung gewesen sein.“

      Der Krieger sieht mich an, schweratmend und gespannt wie ein Bogen. „Das überleben wir nicht“, keucht er. „Das überleben wir beide nicht.“

      „Beruhige dich ...“

      „Nein!“ Er hält ruckartig seinen Rappen an, der ein Quietschen von sich gibt. „Was tun wir hier eigentlich? Die Herzogin hat ihre Spionen überall! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir draufgehen!“

      „Wow, so viel zum Thema.“

      „Was?“, verständnislos und mit Panik in den Augen sieht er mich an. Er passt so perfekt in diese Umgebung. Diese weiße, marmorgleiche Haut. Die tiefschwarzen Haare, als kompletter Kontrast und natürlich das kühle Blau seiner Augen inmitten der Eiseskälte des Berglandes.

      „Was, sollte ich wohl eher dich fragen! Du hast mir Sicherheit versprochen. Du sagtest, wir können fliehen. Jetzt betone ich sogar noch deine Stärke und möchte dein Selbstvertrauen erhöhen und dann rastest du aus?“ Der Wind hat nachgelassen und wir befinden uns zwischen den zwei großen östlichen und westlichen Bergen. Im Schutz dieser beiden Giganten fallen nur noch übergroße Flocken gemächlich vom stahlgrauen Himmel und Hüllen uns in ein wunderschönes Wunderland bestehend aus weichem Schnee. Die Bäume und Pflanzen sind ebenfalls mit Weiß überzogen und die Pferde sinken fast bis zum Bauch ein in dem pudernen Schnee.

      Er schweigt, sieht in die Ferne und entspannt sich allmählich wieder. „Du hast recht. Es tut mir leid. Reiten wir weiter.“

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