Der Lebensweg - ein Werk von Leo Tolstoi. Franz Gnacy

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Der Lebensweg - ein Werk von Leo Tolstoi - Franz Gnacy

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überwunden, sobald man sich erinnert, dass man kein körperliches, sondern ein geistiges Leben führt; dass in einem etwas lebt, was stärker ist, als alles in der Welt.

      Wer mit Gott eins ist, kann Ihn nicht fürchten. Gott kann Sich Selbst nicht Böses tun.

      Der Mensch kann sich jede Minute fragen: was bin ich, was tue, denke, fühle ich jetzt; und kann darauf antworten: ich tue, denke, fühle jetzt das und das. Wenn man sich aber fragt: was ist dasjenige, das in mir erkennt, was ich tue, denke, fühle? So kann man darauf nichts anders antworten, als: das ist das Selbstbewusstsein, die Selbsterkenntnis. Eben diese Selbsterkenntnis ist dasjenige, was wir „Seele“ nennen.

      Die Fische im Fluss hörten einst, wie die Menschen sagten: Fische könnten nur im Wasser leben. Da wunderten sich die Fische und fragten Bekannte und Verwandte, ob nicht jemand wüsste, was Wasser wäre? Da meinte ein kluge Fisch: Im Meer soll ein alter, weiser Fisch leben, der alles weiß; wollen zu ihm schwimmen und fragen, was Wasser ist. Da schwammen die Fische ins Meer nach dem Ort, wo der alte weise Fisch wohnte und fragten ihn, was Wasser wäre? Da antwortete der alte, weise Fisch: Wasser ist das, worin und wodurch wir leben. Ihr kennt das Wasser deswegen nicht, weil ihr in ihm und durch das Wasser lebt.

      So kommt es auch den Menschen oft vor, als ob sie nicht wüssten, was Gott ist. Dabei leben sie aber in Ihm.

       Das Leben des Menschen liegt nicht im Körper, sondern in der Seele, und nicht im Körper und in der Seele, sondern nur in der Seele

      „Der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, und was ich von Ihm gehört habe, sage ich der Welt.“

      Sie verstanden nicht, dass er ihnen vom Vater sprach.

      Da sprach Jesus zu ihnen: „Wenn ihr den Menschensohn erhöhet, werdet ihr erkennen, dass Ich es bin und dass Ich nichts von Mir aus tue, sondern so rede, wie Mein Vater Mich gelehrt hat.“

      Den Menschensohn erhöhen, heißt den Geist erkennen, der in uns lebt und ihn höher stellen, als den Körper.

      Seele und Körper schreibt der Mensch sich zu und ist unablässig um sie bemühet: Man muss aber wissen, dass das wirkliche Ich nicht der Körper, sondern die Seele ist. Denk daran, erhebt deine Seele über den Leib, behüte sie vor allem Schmutz des Lebens, lass den Leib sie nicht unterdrücken – dann verbringst du dein Leben gut.

      Es heißt, man müsse sich selbst nicht lieben. Ohne Liebe zu sich selbst gäbe es aber kein Leben. Es kommt darauf an, was man an sich liebt: seine Seele, oder seinen Körper.

      Es gibt keinen Körper, der so gesund und kräftig ist, dass er niemals erkrankt; keinen Reichtum, der nicht einmal ein Ende nimmt; keine Macht, die nicht einmal aufhört. Alles das ist vergänglich. Wenn jemand sein Leben an Gesundheit, Reichtum, Macht setzt, so wird er sogar nach Erreichung seines Zieles stets von Unruhe, Furcht und Sorgen gequält, weil ihm die Erkenntnis nicht erspart bleibt, dass alles, woran er sein Leben gehängt, schwindet, dass er selbst altert und sich dem Tode nähert.

      Was muss man also tun, um der Unruhe und Furcht zu entgehen? Es gibt nur ein Mittel: Man muss das Leben nicht an vergängliche Dinge hängen, sondern an unvergängliche, an den Geist, der im Menschen lebt.

      Tu was dein Körper wünscht: trachte nach Ruhm, Ehre, Reichtum – so wird dein Leben zur Hölle. Tu, was der Geist in dir verlangt: trachte nach Frieden, Barmherzigkeit, Liebe – so brauchst du kein Paradies. Das Paradies liegt in dir.

      Es gibt Pflichten gegen den Nächsten und solche gegen sich selbst, gegen den Gott, der in uns lebt: diese Pflicht besteht darin, den Geist nicht zu beschimpfen, noch zu ersticken, sondern ihn unaufhörlich zu entwickeln.

      Bei weltlichen Dingen weiß man nie sicher, ob man dies oder jenes tun muss, und ob die gewünschten Folgen daraus entspringen. Anders bei geistigen Dingen. Lebt man für seine Seele, so weiß man sicher, dass man eben das tun muss, was die Seele verlangt, und dass nur gutes daraus entspringt.

      Sobald du Leidenschaft, Lust, Furcht, Wut fühlst, - bedenk, wer du bist: dass du nicht Körper, sondern Seele bist. Dann wird sofort, was dich erregt, verschwinden.

       Das wahre Glück ist geistige Art

      Man lebt im Geist und nicht im Körper. Wer das weiß, bleibt sogar in Ketten, hinter Riegeln und Schlössern frei.

      Jeder Mensch kennt in sich zwei Leben: ein körperliches und ein geistiges. Das körperliche beginnt schon im Kulminationspunkt nachzulassen; wird immer schwächer und gelangt zum Tode. Das geistige Leben aber nimmt von der Geburt bis zum Tode stets zu.

      Wer nur eine leibliche Existenz führt, ist sein ganzes Leben lang in der Lage eines zum Tode Verurteilten. Lebt man aber für seine Seele, so nimmt das, worin man sein Heil erblickt, mit jedem Tage zu, und der Tod verliert seine Schrecken.

      Um ein gutes Leben zu führen, braucht man nicht zu wissen, woher man gekommen ist und wohin man geht. Denk nur an das, was nicht dein Körper, sondern deine Seele will, so brauchst du weder deinen Ursprung, noch das zu wissen, was nach dem Tode mit dir geschieht. Du brauchst es deswegen nicht zu wissen, weil du des wahren Glücks teilhaftig wirst, für das Fragen nach der Vergangenheit oder der Zukunft nicht existieren.

      Als die Welt zu existieren begann, ward die Vernunft ihre Mutter. Derjenige, der weiß, dass die Grundlage seines Lebens der Geist ist, weiß, dass er sich außer aller Gefahr befindet. Wenn er die Lippen schließt und das Tor der Sinne verschlossen hält, spürt er keine Unruhe.

      Die unsterbliche Seele braucht ebenso unsterbliche Werke, wie sie selbst eins ist. Dieses Werk – die unendliche eigene Vervollkommnung und die der Welt – ist ihr gegeben.

      Eine Seele lebt in allem

       Alle lebenden Wesen sind durch ihre Körper voneinander getrennt; was ihnen aber Leben gibt, ist in allen ein und dasselbe.

       Das göttliche der Seele vereint die Menschen

      Die Lehre Christi offenbart den Menschen, dass in ihnen allen ein und dasselbe geistige Wesen lebt und dass sie alle Brüder sind, und vereint sie dadurch zu einem frohen Leben.

      Nicht genug, dass in jedem Menschen ebensolche Seele lebt, wie in mir: in jedem Menschen lebt vielmehr genau dasselbe wie in mir. Alle Menschen sind durch ihre Körper voneinander getrennt; durch das eine geistige Wesen aber, das allem Leben gibt, miteinander vereint.

      Mit den Menschen eins sein, ist ein großes Glück. Wie soll man es aber anfangen, mit allen eins zu werden? Ich vereinige mich mit meinen Angehörigen, aber wie mit den Übrigen? Vereinige mich mit meinen Freunden, mit allen Russen, allen Glaubensgenossen. Wie aber mit denen, die ich nicht kenne: mit anderen Völkern, Andersgläubigen? Es gibt so viele Menschen, und alle sind so verschieden. Was soll man da tun?

      Es gibt nur ein Mittel: die Menschen vergessen; nicht daran denken, wie man sich mit ihnen vereint, sondern nur darauf sein, mit dem einen geistigen Wesen eins zu werden, das in mir und allen Menschen lebt.

      Wenn man an die Millionen und Abermillionen Menschen denkt, die irgendwo, zehntausend Kilometer weit, ebensolches Leben führen wie ich, und von denen ich nichts weiß, und die von mir nichts wissen – so fragt man sich unwillkürlich: besteht wirklich ein Zusammenhang zwischen uns?

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