Das Geheimnis des Gedenksteins. Hans Nordländer
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Читать онлайн книгу Das Geheimnis des Gedenksteins - Hans Nordländer страница 24
„Ich bin froh, dass unser Besuch des Gedenksteins doch nicht umsonst war, wie ich zuerst dachte“, meinte Cornelia.
„Er war nicht nur nicht umsonst, ich finde, wir haben sogar mehr herausgefunden, als ich dachte“, sagte Theo. „Na ja, war eigentlich auch nicht schwierig, denn ich hatte mir eigentlich nicht viel davon versprochen.“
„Ich mir aber. Zumindest hatte ich gehofft, dass er immer noch so mitteilsam ist, wie es der Fall war, als ich ihn entdeckte. Ist das nicht irre? Hast du jemals gehört, dass ein gewöhnlicher Findling, auch wenn er einem so tragischen Ereignis geweiht ist, überhaupt eine solche Wirkung auf einen Menschen haben kann? Das ist doch eine Geschichte, die uns bestimmt keiner glaubt.“
„Stimmt, sie ist irre, und glauben wird sie auch niemand. Und doch scheint es nicht einmalig zu sein. Bisher habe ich über solche Fälle immer spöttisch gelächelt. Ab und zu liest oder hört man ja von solchen Dingen. Inzwischen bin ich aber geneigt, manchen einen gewissen Wahrheitsgehalt zuzugestehen, obwohl ich kein Beispiel nennen könnte. Aber in solchen Fällen wird oft im Zusammenhang mit mystischen Orten gesprochen. Wie ein solcher sieht mir derjenige, wo Heinrichs Erinnerungsstein steht, aber nicht aus.“
„Aber ist es nicht genau das, was einen mystischen Ort ausmacht, seine Unscheinbarkeit? Das Geheimnisvolle ist meistens unsichtbar, deshalb ist es doch geheimnisvoll.“
„Was hier aber wohl nicht der Fall ist, wie wir heute erlebt haben“, meinte Theo. „Bleibt immer noch herauszufinden, was dieser ganze Spuk soll.“
Cornelia fing an zu lachen.
„Was ist daran denn so lustig?“, fragte Theo irritiert.
„Na ja, du hast »Spuk« gesagt.“
„Ja, und? Stimmt doch, oder?“
„Hatte ich das nicht schon vor ein paar Tagen so ausgedrückt?“
„Ich weiß“, gab Theo zu. „Aber da war ich noch nicht so weit.“
„Aber jetzt glaubst du es auch.“
„Habe ich das nicht gesagt? Und deshalb will ich ja auch herausfinden, was dahintersteckt.“
„Falls es uns jemals gelingt. Immerhin bist du jetzt überzeugt, dass es Geistererscheinungen wirklich gibt“, stellte Cornelia mit Genugtuung fest. „Allein dafür hat sich unser Ausflug gelohnt.“
Für eine Weile gingen die beiden schweigend und in Gedanken vertieft Hand in Hand nebeneinander her. Plötzlich blickte Cornelia Theo an, wie nach einem Geistesblitz. Und so war es auch.
„Hältst du es für unmöglich, dass Hannah die Tochter von Heinrich war?“, fragte sie.
„Wie könnte ich das? Aber wie kommst du jetzt darauf?“
„Es ist doch auffällig, dass sie immer wieder in seiner Begleitung auftaucht. Daraus schließe ich, dass zwischen den beiden ein Zusammenhang besteht. Was liegt da näher, als dass Heinrich zu irdischen Lebzeiten der Vater von Hannah war. Sicher hatte sie einen anderen Namen, aber das hätte jetzt keine Bedeutung. Immerhin scheint er eine gewisse Schutzfunktion für sie zu haben.“
„Deswegen muss er nicht unbedingt ihr Vater gewesen sein, aber auszuschließen ist es ganz sicher auch nicht“, meinte Theo. „Es wäre leichter herauszufinden, wenn die beiden mit uns sprechen würden. Aber abgesehen davon, ich glaube, Hannah ist früh gestorben.“
„Meinst du?“
„Das jedenfalls erscheint mir sicher. Heinrich ist als Erwachsener ums Leben gekommen. Das geht schon aus dem Gedenkstein hervor. Auch wenn sein Alter unbekannt ist. Aber das weiß ich auch aus eigener Erfahrung. Und er erscheint dir als Geist in der Gestalt eines erwachsenen Mannes, Hannah dagegen zeigt sich stets als Kind.“
„Als Mensch würde ich sie auf zehn bis zwölf Jahre schätzen“, meinte Cornelia.
Theo nickte.
„Vermutlich ist sie in dem Alter gestorben. Da kommt mir so ein Gedanke.“
„Der wäre?“
„Na ja, er ist so gut wie jeder andere, das gebe ich zu – aber mein Gefühl sagt mir, dass es so ist. An dem Tag seines Todes wurde seine Tochter geboren. Damals war es nicht ungewöhnlich, dass Kinder früh starben. Vielleicht will Heinrich die Verantwortung, der er in seinem Erdenleben nicht mehr nachkommen konnte, auf diese Weise gerecht werden.“
„Möglich, obwohl ich es für sehr spekulativ halte. Ich glaube eher, dass er sie vor irgendetwas beschützt“, überlegte Cornelia.
„Zum Beispiel vor dem dunklen Schatten, was immer der darstellt“, erinnerte Theo. „Aber das läuft aufs Gleiche hinaus, finde ich.“
„Zum Beispiel, ja. Himmel, den hatte ich schon fast vergessen.“
Das, was sie sich überlegt hatten, konnte nur Spekulation sein. Für eine unwiderlegbare Deutung der Erscheinungen fehlten ihnen jegliche Beweise. Das meiste mussten sie aus dem schließen, was sie gesehen und erlebt hatten. Und das alles erschien sehr vage und zusammenhangslos.
„Das haben wir uns jetzt aber alles schön zurechtgereimt“, fand Cornelia dann auch, und ihre Stimme klang alles andere als überzeugt.
„Was anderes können wir im Augenblick tun?“, sagte Theo. „Auf jeden Fall sind wir da in eine Geschichte geraten, die wir nicht einfach ignorieren können. Ich behaupte sogar, dass wir eine nicht ganz unwichtige Rolle spielen.“
„Du meinst, wir sind nicht nur zufällige Zuschauer in einem interaktiven Schauspiel?“
„Das ist aber eine ungemein moderne Beschreibung dieser Geschichte“, meinte Theo lächelnd. „Aber das glaube ich ganz und gar nicht. Irgendetwas treibt die Geister der beiden um, und dabei brauchen sie unsere Hilfe. Ich glaube, in ihrem Erdenleben ist etwas passiert, das sie ins Reine bringen müssen, um Ruhe zu finden.“
„Und wir sollen ihnen dabei helfen.“
Theo nickte.
„Ja. Und ich habe noch keine Ahnung, wie und warum.“
„Ich auch nicht. Aber vielleicht geben sie uns ja doch noch irgendwelche Hinweise.“
„Das hoffe ich.“
Die Ereignisse hatten zu einer erstaunlichen Veränderung in Theos Weltsicht geführt, denn wie selbstverständlich sprachen sie über Dinge, die sie nur eine Woche zuvor für unmöglich gehalten hatten. Dabei war Theo stets der Skeptischere von den beiden gewesen, aber die Erlebnisse überstiegen auch das, was Cornelia für möglich gehalten hätte. Völlig unvorbereitet waren sie in eine Geschichte geraten, deren Ausmaß die beiden sich nicht hätten vorstellen können. Und sie hatte begonnen, ihre Weltanschauung zu verändern. Dabei standen sie erst an ihrem Anfang, und keiner konnte ihnen sagen, wie sie enden würde. Wiederholt fragten sie sich, warum ausgerechnet sie von den Toten heimgesucht wurden.
„Sag nicht »Von den Toten«“, bat Cornelia mit einem deutlichen Schauer in ihrer Stimme. „Dann wird die Geschichte nämlich erst richtig gruselig.“
Theo