Das Geheimnis des Gedenksteins. Hans Nordländer

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Das Geheimnis des Gedenksteins - Hans Nordländer

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Frau brachte ein Mädchen zur Welt. Es war gesund und kräftig und außergewöhnlich hübsch für ein Neugeborenes. Hätte Heinrich es noch erleben können, wäre er stolz und glücklich gewesen. Sie wurde Walburga genannt.

      So brachte ein tragisches Schicksal an ein und demselben Tag großes Leid und große Freude in die Familie. Doch Walburga durfte kaum mehr als zwölf Jahre im irdischen Leben bleiben.

      Der Beutel mit der Brosche von Heinrichs Frau wurde tatsächlich gefunden, aber an einem Ort und zu einer Zeit, mit denen keiner mehr rechnete.

      Als Theo die Augen aufschlug, wusste er nicht, wo er war. Er wusste zwar, dass er Theo hieß, natürlich hieß er Theo, Theophemus Elend, aber ein Teil von ihm besaß die Identität eines Holzfällers namens Heinrich, und den hatte soeben ein furchtbares Schicksal ereilt. Der überlebende Theo fühlte sich in seinem Wesen zerrissen, denn sein zweites Ich war in einer schaurigen Nacht durch einen Mord ums Leben gekommen, an dessen Einzelheiten sich Theo nicht mehr erinnern konnte. Nur undeutlich war ihm gegenwärtig, dass seine Frau in der gleichen Nacht ein Kind bekam. Aber das gewahrte er wie eine verblasste Erinnerung aus ferner Vergangenheit.

      Theo verharrte in diesem Augenblick in einer Gemütsverfassung, die all seine Sinne lähmte. Er hörte weder das leise Schnarchen von Cornelia noch fiel ihm die vollkommene Dunkelheit auf, die ihn umgab. Es war zwar Dreiviertelmond, aber der war schon wieder unter den Horizont getaucht, und die Gardinen waren dicht genug, um das Licht der Sterne nicht in das Zimmer zu lassen. Theo lag da und war erfüllt von einer Entrückung aus seinem bisherigen Dasein, die er später weder beschreiben noch begreifen konnte. Er konnte sich nicht einmal einreden, dass so der Zustand zwischen Leben und Tod sein musste – das Gefühl, im einen nicht mehr zu sein, und im anderen noch nicht. Dabei nahmen die beiden Wesen, die er für eine kurze Zeit gewesen war, eben diese Zustände ein: Der eine lebte noch, der andere war gestorben. Doch der überlebende Teil wurde durch den verstorbenen angezogen, und Theo spürte, wie er sich gegen diese Kraft anstemmen musste.

      Dann gelang es ihm, diesen lähmenden Zustand zu überwinden und in die Gegenwart zurückzufinden. Sein gegenwärtiges Wesen setzte sich durch und warf die zweite, fremde Identität ab. Es erkannte, dass er nur Theo hieß, Theo war und wohin er gehörte. Und jetzt, als er sich auf seine wahre Existenz besonnen hatte, traf ihn das Furchtbare dessen, was er gerade erlebt hatte, wie ein Schlag. Er richtete sich abrupt auf und schaltete das Licht an.

      „Was ist denn?“, beschwerte sich Cornelia im Halbschlaf.

      „Heinrich ist tot. Er wurde ermordet.“

      „Mitten in der Nacht? Hatte das nicht bis morgen Zeit?“ Cornelia drehte sich um. Schneller als gewöhnlich um diese Nachtzeit wurde auch sie wach. „Wer ist Heinrich? Und warum wurde er ermordet?“

      Es dauerte eine Weile, bis Cornelia auf den Gedanken kamen, Theos Traum mit dem umgebrachten Holzfäller aus dem achtzehnten Jahrhundert in Verbindung zu bringen.

      „Ich war Heinrich“, erklärte Theo. Er war immer noch tief bewegt von den Ereignissen. „Über den Mord kann ich nicht viel sagen. Da waren zwei Männer, es war schon dämmerig. Dann bekam ich einen Schlag auf den Kopf. Schwärze. Plötzlich konnte ich den Schnee sehen. Wie winzige Sterne tanzten die Flocken um mich herum.“

      Cornelia richtete sich auf.

      „Geht es dir nicht gut?“, fragte sie und legte einen Arm auf seine Schulter.

      „Nein, überhaupt nicht. Das war ein Traum! Ein furchtbarer Traum.“

      „Oh, wie schrecklich“, fand Cornelia, nachdem er ihr alles erzählt hatte. „Ich kann verstehen, dass dich das mitgenommen hat.“

      „Mehr als das“, sagte Theo. „Es war alles so echt, als hätte ich es wirklich erlebt. Es kam mir so vor, als existierten in mir zwei Persönlichkeiten, ich und dieser Heinrich. Ich bin froh, dass ich am Ende übergeblieben bin.“

      Cornelia gab Theo einen Kuss.

      „Ich auch. Aber meinst du nicht, dass du ein wenig übertreibst mit deiner Anteilnahme an meinen furchtbaren Erlebnissen?“

      Es war das erste Mal, dass Cornelia eine ironische Bemerkung darüber machte.

      „Wie könnte ich dich damit allein lassen? Das tue ich alles aus Liebe, glaub´ mir. Dafür bin ich bereit, auch große Opfer zu bringen. Sagte ich nicht schon, ich werde dein Held sein?“ Dann lachte Theo. „Ich hoffe, du kannst jetzt trotzdem weiterschlafen.“

      „Mit einem Helden an meiner Seite bestimmt – es sei denn, ich träume jetzt von Heinrichs Frau.“

      „Das wäre tragisch.“

      „Mehr als das, wenn mein Traum genauso lebensecht wird.“

      Nun, das war nicht der Fall. Den kurzen Rest der Nacht wurde die Ruhe von keinem der beiden mehr gestört, weder durch einen verstörenden Traum noch durch ein anderes Ereignis.

      „Woher kommt denn das Blut auf deinem Kopfkissen?“, fragte Cornelia am nächsten Morgen erschrocken, als Theo sich im Bett umdrehte.

      Sie war sicher, dass es in der Nacht noch nicht da gewesen war. Der Fleck war handtellergroß, und als Theo ihn berührte, stellte er fest, dass es schon leicht angetrocknet war. Aber das Blut schien echt zu sein.

      „Keine Ahnung“, meinte er und betastete seinen Kopf.

      Zwar fühlte er eine klebrige Stelle in seinem Haar am Hinterkopf, aber eine Wunde entdeckte er nicht. Er hatte auch keine Schmerzen.

      „Seltsam“, sagte er leise und betrachtete seine Hand, an der Spuren von dem Blut klebten.

      Unter diesen Umständen wollte Theo nicht mehr im Bett bleiben. Er stand auf und ging ins Bad. Er hatte tatsächlich Blut im Haar, aber als er es ausgewaschen hatte, gab es keine Wunde. Er hatte keine Ahnung, woher das Blut kam.

      Inzwischen zog Cornelia das Kissen ab. Sie stellte fest, dass das Blut sogar durch den Bezug in die Füllung eingedrungen war. Das war ärgerlich, denn sie hatten keine Ersatzkissen in Weidlingen. Notgedrungen mussten sie es später wiederbeziehen, wenn das Blut trocken war und bei nächster Gelegenheit ein neues mitbringen.

      „Man könnte fast glauben, unser Blockhaus ist ein Geisterblockhaus“, sagte Theo, als er aus dem Bad zurückkam. „Bei all den seltsamen Dingen, die hier passieren. Wenn wir das im letzten Jahr geahnt hätten.“

      „Hör bloß auf damit“, erwiderte Cornelia halb im Scherz und halb mit Grausen. „Ich komme nie wieder hierher, wenn du das noch einmal behauptest.“

      „Es war doch ein Witz“, erklärte er, als hätte sie ihn nicht verstanden.

      „Aber ein verdammt schlechter“, stellte Cornelia humorlos fest.

      Sie zog sich an und ging ins Bad und dann in die kleine Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Kurz darauf kam Theo hinterher.

      Er hatte seine Bemerkung mit dem Geisterhaus weniger spaßig gemeint, als es sich anhörte. Dieses Mal war er selbst von den Ereignissen betroffen gewesen. Der Traum konnte nur ein Traum gewesen sein, obwohl er in seiner Art äußerst lebensnah wirkte und ihm auch jetzt noch so gegenwärtig war wie in der Nacht, als er aufwachte. Die Sache mit dem Blut war Theo aber alles andere als geheuer, da der Fleck an genau der Stelle auf dem Kopfkissen aufgetaucht war, an der es auch der

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