Bodos zornige Seele. Kurt Pachl

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Bodos zornige Seele - Kurt Pachl

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hat das auf das Bohrloch da unten«, fragte Bodo nach einigen Sekunden der Stille. »Kann die Leitung nach oben überhaupt noch funktionieren?«

       Ole schüttelte den Kopf.

      »Mit Sicherheit gibt es da keine Verbindung mehr. Am Bohrloch oder aus der Leitung, die sich bei der Explosion mit Sicherheit von der Plattform gelöst hat, strömt die schwarze Brühe ins Meer. Hast du eine Ahnung, wie tief hier gebohrt wurde?«

      »Wie tief die eigentliche Bohrung war, weiß ich nicht«, antwortete Bodo. »Aber das Bohrloch liegt in 1 500 Meter Tiefe.«

      »Da unten ist es stockdunkel. Da kann man nur Tauchroboter einsetzen. Dieses Desaster wird uns noch sehr lange beschäftigen«, brummelte Ole.

      »Wartet einmal.«

      Marco lief wieder zum Fernsehgerät, um den Ton lauter zu stellen. Zu sehen war wieder die Reporterin. Es war inzwischen 23:05 Uhr.

      »Die Deepwater Horizon steht noch immer in Flammen«, sagte die Reporterin; nun etwas ruhiger. »Wir haben neue Informationen über die Mitarbeiter. Nach offiziellen Angaben befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion 126 Arbeiter auf der Plattform. 115 von ihnen haben bislang überlebt. 17 Mitarbeiter sind zum Teil schwer verletzt. Elf Männer werden vermisst. Es wird sicher noch einige Stunden dauern, bis die angeforderten Löschboote vor Ort sind. Da besorgte Bürger von amtlichen Stellen keine Auskünfte erhielten, haben sie unseren Sender angerufen. Vor allem Fischer und namhafte Tourismusunternehmen, aber auch viele Naturschützer wollen wissen, wie es, da unten am Bohrloch – in 1 500 Meter Tiefe – aussieht. Sie wollen vor allem wissen, ob weiterhin Öl aus dem Bohrloch austritt. Es ist uns leider nicht gelungen, wenigstens einen der Führungskräfte ans Telefon zu bekommen. Das Innenministerium und die Beamten der MMS sowie der Küstenwache wiegeln ab oder gehen nicht ans Telefon.

      Es gelang uns, zu dieser späten Stunde, mit einem anerkannten Wissenschaftler zu sprechen, der als Offshore-Experte bekannt ist. Er bat darum, seinen Namen nicht zu nennen. Für ihn steht es völlig außer Frage, dass sich da unten mindestens 300 000 Liter Rohöl in den Golf von Mexiko ergießen werden. Pro Tag wohlgemerkt. Welche Mengen, wann und wo die Strände erreichen, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand sagen. Das wird von der Windrichtung und Windgeschwindigkeit abhängen. Die wichtigste Frage ist natürlich, wann das Leck geschlossen werden kann.«

      Der letzte Satz der Reporterin wurde jäh unterbrochen.

      Die Türe von Bodos Zimmer flog auf, und Bradly kam hereingestürzt. Im ersten Moment war es schwer einzuordnen, ob er nur aufgelöst war oder schwer betrunken. Er stolperte auf Bodo zu, und warf sich vor ihm auf die Knie.

      »Diese Schweine … diese Verbrecher … Die werden mich ruinieren«, schluchzte er schwer verständlich. »Der ganze Golf von Mexiko wird in Öl schwimmen. Bodo, Bodo, wie soll es jetzt weitergehen?«

      Es war weit nach Mitternacht, als Marco und Ole Bradly endlich beruhigt hatten, und ihn auf sein Zimmer bringen konnten. Dort griff er sofort nach einer Whiskyflasche und schüttete den Rest der Flasche in einem Zug in sich hinein. Wie vom Blitz getroffen sackte er in der Mitte des Zimmers in sich zusammen, und blieb regungslos liegen. Marco und Ole hievten den Betrunkenen auf sein Bett.

      »Verdammt«, knurrte er im Schlaf in sein Kopfkissen. »Verdammt.«

      Bodo war auf seinem Zimmer geblieben. Er schaltete das Fernsehgerät aus. Angekleidet legte er sich auf das Bett. Morgen würde es ein schwerer Tag werden. In Biloxi und wahrscheinlich im gesamten nördlichen Bereich des Golfs von Mexiko würde sich das Leben schlagartig ändern; für viele Jahre.

      Er brauchte seit vielen Jahren wenig Schlaf. Mit offenen Augen starrte er an die Decke. Iris hatte ihm mehrere Male angeraten, sich mit autogenem Training zu befassen.

      Anfangs beneidete er alle Menschen, die sich einfach hinsetzen konnten, um in wenigen Minuten in einen kurzen Tiefschlaf zu fallen. Doch im Laufe der Jahre hatte er sich daran gewöhnt, die fortwährend ratternde Maschine in seinem Kopf nicht mehr abstellen zu können. Insbesondere vor Aktionen empfand er diese Gabe als ein Geschenk. Immer und immer wieder rief er Informationen, Meinungen und geplante Vorgehensweisen ab; wie aus einem riesigen Computer. Er suchte nach Fehlern und Lücken, zog viel in Zweifel, fügte neue Überlegungen hinzu - so lange, bis alles aus seiner Sicht logisch und stringent war.

      Vor einigen Monaten hatte er einen Artikel über dieses Bohrloch API 60-817-44169 gelesen.

      Mit wenigen Millionen Barrel war es eigentlich winzig; gemessen an den 60 Milliarden Barrel Öl, welches nach Schätzungen der US-Regierung unter dem Golf von Mexiko noch schlummerte, und darauf war­tete, gehoben zu werden. Dieses gesamte gigantische Vorkommen würde reichen, um die Wirtschaft und den privaten Verbrauch in Amerika voraus­sichtlich für zehn Jahre über Wasser zu halten; unfassbar - für nur zehn lumpige Jahre!

      Unfassbare zwanzig Prozent des international gewonnenen Erdöls wurden allein in den Vereinigten Staaten verbraucht. Dabei hatten die USA lediglich einen Anteil von knapp vier Prozent an der Weltbevölkerung. Aber wer wusste schon genau, ob auf dieser Erde sieben oder gar bereits acht Milliarden Menschen lebten? Und dieses Menschenmeer hatte einen unstillbaren Hunger - auf Nahrungsmittel und zunehmend auf Fleisch, auf sauberes Wasser für Mensch und Tier, auf Ackerflächen, auf Flächen zum Bauen und für Golfplätze, auf Sand und Holz zum Bauen – und vor allem auf Energie in Form von Kohle, Atomstrom, Gas und natürlich auf Öl. Weltweit gab es noch nicht einmal ansatzweise ein Konzept für die kommenden zwanzig Jahre; ganz zu schweigen für die nächsten hundert Jahre? Aber was sind schon einhundert Jahre? Soll dann das Ende der Menschheit anbrechen?

      Der Hunger nach Energie prägte seit vielen Jahrzehnten die Politik - weltweit. Bereits vor vierzig Jahren ging der Krieg um diese wichtige Ressource in die nächste Runde. Vor allem die US-Strategen hatten erkannt, dass sie sich nicht von staatlichen Konzernen wie Saudi Aramco, Gazprom, NIOC (Iran) oder PDVSA (Venezuela) und künftig von Petrobras (Brasilien) abhängig machen durften.

      Mit der Offshore-Technik hatten sogenannte Experten, im Schulterschluss mit den Politikern, die Büchse der Pandora geöffnet. Die Kosten für diese Art der unterseeischen Erdölförderung lagen 30 Mal höher als für die Gewinnung an Land. Dass sich damit das Risiko für die Umwelt überproportional erhöhen würde, wollten die Manager der großen Konzerne - und auch die amerikanischen Politiker - nicht zur Kenntnis nehmen. Manche behaupteten, dass in den Adern der Bush-Dynastie ohnehin seit jeher kein Blut floss - sondern Öl. Die heimische Versorgung mit diesem kostbaren Nass wurde als eine Frage der nationalen Sicherheit hochstilisiert. Mit dem Begriff Nationale Sicherheit wurden in den Vereinigten Staaten seit jeher Kritiker im Ansatz mundtot gemacht. Wer gegen diese Religion verstieß, war entweder ein Terrorist oder ein Staatsfeind; idealerweise beides. Eben diese Nationale Sicherheit rechtfertigte die Ölproduktion selbst an den hochsensibelsten Orten dieser Welt.

      Vor allem die großen Aktiengesellschaften hatten Hunger nach dem schwar­zen Gold. Werte, Ethik, Moral und Menschlichkeit waren in der neuen Welt der Zocker, Spieler und Hasardeure hinderlich oder gar lächerlich. Sie hatten schlei­chend und weitestgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit eine Parallelwelt geschaffen; losgelöst von der Welt der Milliarden menschlicher Ameisen - größer, mächtiger und gefährlicher als die Politik. Wann immer es sinnvoll für ihre Pläne war, sangen sie sogar das Loblied auf die Werte der Demokratie.

      Dabei hatten die Welten der Konzerne, Banken und des »Big Oil« sich seit vielen Jahrzehnten ihre eigenen Werte und Gesetze geschaffen; in ihrer eigenen Galaxie; weit weg von diesem Abschaum, der ab und zu ihre Welt störte. Für sie gab es nicht den Anflug eines Zweifels, dass sie diese Welt da draußen regierten, und mittlerweile fest in ihren Fängen hatten. Sie kauften sich Wahlergebnisse. Sie kauften sich

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