Mit der Wut des Überlebens. Lars Gelting

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Mit der Wut des Überlebens - Lars Gelting

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diesen Schlüssel nur mit größter Vorsicht benutzen!“ Starr und zugleich vielsagend sah er sie an, und sie verstand.

      „Er hat mich aus Magdeburg gerettet, und ich lebe seit bald zwei Jahren frei in seiner Familie, ohne dass diese Forderungen an mich gestellt hat. Ich vertraue ihm!“

      „Johannes vertraute in dieser Sache niemandem! Es ist zu viel Geld, und es ist nicht die Zeit, um zu vertrauen!“

      „Johannes konnte sich das leisten, ich bin aber eine Frau! Ich habe niemanden sonst, außer ihm und seiner Familie, und ich vertraue ihm wirklich!“

       Er sah an ihr vorbei, sah hinüber zu Moshe, lange, ergründend und wandte sich dann entschlossen dem Kruzifix zu.

       Behutsam angreifend drehte er das „INRI“, bis es dem senkrechten Holz folgte, hob dann Kreuz und Gekreuzigten so aus dem Metallrahmen, dass man endlich einen Dukaten zwischen Rahmen und Kreuz hindurch schieben konnte. Vorsichtig drehte er nun das Kreuz, bis der Querbalken parallel zum senkrechten Rahmenteil stand, wendete es ganz sachte und schob langsam die zuvor verriegelte Rückwand des Kreuzes zur Seite.

       Atemlos hatte sie der Verwandlung zugesehen, reckte sich jetzt leicht vor, um in den sichtbar gewordenen Hohlraum sehen zu können.

       Er sah auf, lächelte zum ersten Mal und hielt ihr das geöffnete Kreuz auf der Hand entgegen, „Ein Meisterstück! Es enthielt eine Reliquie.“ Er zog die Hand zurück, sah kurz in den Hohlraum hinein und blickte sich dann suchend um, bückte sich und klaubte einen dünnen Holzspan vom Boden. Mit diesem fuhr er in den Hohlraum, hob vorsichtig ein feines Pergamentröllchen heraus und legte es ihr ebenso vorsichtig auf die geöffnete Hand, „Nur festhalten! Noch nicht aufrollen!“ Sehr behutsam, geradezu ehrfürchtig legte er das Kreuz auf die rohe Steinplatte und nahm das Pergamentröllchen mit spitzen Fingern wieder an sich.

      „Wisst ihr, wem das Kruzifix gehörte?“ Sie beobachtete, wie er das Röllchen vor den Mund hielt, so als wollte er hindurch pusten, und wie er seinen warmen, feuchten Atem dagegen hauchte.

      „Ja!“ Er hauchte wieder. „Es gehörte dem Abt eines Klosters bei Stettin!“ Hauchen, „Das Kloster war überfallen und zerstört worden. Wir kamen damals zu spät.“ Er hauchte besonders lange. „Wenn wir es sofort aufmachen, wird es zerbrechen.“ Er hauchte noch einmal, rollte das Pergament behutsam auseinander und hielt es dann gegen das Licht: – 3. Lucia – Benedicta 1525 –

       Sie konnte nicht lesen, erkannte aber die klar und deutlich geschriebenen Zahlen und Buchstaben. „Hat Johannes das geschrieben?“

      „Ja! Das hat Johannes geschrieben!“ Der Anflug eines erkennenden Lächelns überzog sein Gesicht, „Könnt ihr lesen?“ Er schaute auf, wies dann mit dem Kinn auf das Geschriebene, „Die „3.“ kann ich mir noch nicht erklären, aber wir werden sehen. Lucia – Benedicta ist der Name eines Menschen, der 1525 gestorben ist!“

       Ihr zugewandt, und nach einem schnellen Blick auf Moshe: „Johannes hat alles, was er im Laufe der Zeit zusammengetragen hat, auf dem Friedhof derer von Blankenburg in Sicherheit gebracht. Ein altes Rittergeschlecht. Haben hier ganz in der Nähe gehaust.“

      „Auf einem Friedhof?“ Ungläubig sah sie zuerst auf das Pergament, dann zu ihm.

      „Könnt ihr euch einen sichereren Ort vorstellen?“ Wissend, mit hochgezogenen Augenbrauen sah er sie an, sah zu Moshe.

      „Wir sollten uns aufmachen, bevor es zu spät ist! Es ist nicht weit!“ Er schaute noch einmal auf das Pergament, rollte es und legte es vorsichtig zurück in den Hohlraum, fügte das Kruzifix wieder zusammen und gab es ihr zurück.

      „Gehen wir!“ Geschmeidig stand er auf, ging einfach los. Folgte zielstrebig einem im hüfthohen Farn nicht erkennbaren Pfad am Grund der Senke, stieg dann, ohne den Schritt zu verlangsamen, einen Hügel hinauf und blieb endlich stehen. Keuchend und schwitzend stiegen sie auf ihn zu, folgten seinem ausgestreckten Arm, der den Hügel hinauf wies.

      „Es ist gleich dort oben! Wartet hier noch einen Augenblick. Manchmal lagert dort Gesindel, und dem solltet ihr nicht unbedingt vor die Füße laufen.“ Ohne eine Erwiderung abzuwarten wandte er sich um, stieg weiter hügelan und war unversehens verschwunden.

       Moshe warf ihr einen kurzen Blick zu, mit krauser Stirn, aus den Augenwinkeln, blickte dann sofort wieder zu der Stelle, wo der andere soeben verschwunden war, misstrauisch! „Mir traute er gar nicht, aber wir haben ihm alles anvertraut! Hoffentlich war das auch der richtige Rupert!“ Und einen Moment später: „Kommt, lasst uns mal langsam weiter nach oben steigen. Wir sind ja gewarnt und können selber aufpassen, aber ich möchte nicht dumm hereingelegt werden.“

       Beunruhigt stieg sie hinter ihm her, keuchend: „Wenn ich noch nicht einmal einem Einsiedler vertrauen kann! Außerdem hat Johannes ihm ja auch vertraut!“

      „Scheinbar ja nicht so ganz!“ Er blieb stehen, konzentrierte sich mit zusammengekniffenen Augen auf einen Bereich, der nur etwas höher und wenige Schritte vor ihnen lag. „Immerhin hat er ihm die genaue Lage des Verstecks nicht anvertraut.“ Er wies mit dem Kinn voraus, „Da vorn ist es!“

       Seinem Blick folgend konnte sie zwischen Bäumen und Gesträuch grobes Mauerwerk erkennen, grün bemoost, teilweise wild überwuchert. „Da ist er verschwunden und noch nicht wieder aufgetaucht.“ Und schon nach einem kurzen Augenblick: „Ich gehe da jetzt rein und sehe nach ihm! Bleibt noch ein wenig und haltet Augen und Ohren auf.“ Die ganze Zeit über hatte er konzentriert zum Gemäuer hinüber gesehen, wandte seinen Blick auch jetzt nicht ab, sah sie nicht an, ging einfach entschieden los.

       Einen Moment blieb sie verschnaufend stehen, sah hinter ihm her, sah hinüber zur Mauer, sah ihn entschlossen darauf zustapfen und setzte sich ebenso entschlossen in Bewegung: Zu allererst war es ihre Sache! Außerdem war ihr unbemerkt ein neuer Nerv gewachsen, dessen Empfindlichkeit sich jetzt zum ersten Mal bemerkbar machte: das Misstrauen! „Johannes vertraute in dieser Sache niemandem!“ Sie würde es zukünftig ebenso machen!

       Vor ihr verschwand Moshe zwischen den Mauerresten, hatte sich nicht einmal umgedreht, hatte gar nicht bemerkt, dass sie ihm dichtauf gefolgt war. Sie beeilte sich, wollte ihn nicht aus den Augen verlieren. Stieg direkt hinter dem Fragment einer Mauerecke mit beiden Armen balancierend über die bemoosten Reste der einstigen Burgmauer und sah ihn wieder vor sich. Ohne Hast bewegte er sich jetzt vorbei am eingestürzten Speicher und zwischen den überall herumliegenden Gesteinsbrocken auf das ehemalige Herrenhaus zu. Ein mächtiges, hohles Gemäuer, dessen nicht mehr ganz spitz zulaufenden Giebelwände auf die übrigen Mauerreste hinabschauten und in dessen tiefen Fensterhöhlungen sich gelber Löwenzahn, Stechpalmen und Kiefernschösslinge nach der Sonne reckten. Und vor dieser Ruine stand groß und hager, mit verschränkten Armen der Einsiedler, stand dort in einer Aura, als wäre er der Herr dieses morbiden Ortes.

       Sie beeilte sich, Moshe noch einzuholen, kam nur wenige Schritte nach ihm an und hörte ihn fragen: „Nun?“

       Der andere wartete einen Moment, bis sie ganz herangekommen war, sah mit einem angedeuteten Lächeln mehr zu ihr: „So hatte ich mir das gedacht, und das ist gut so!“ Mit einer andeutenden, flüchtigen Handbewegung wies er irgendwo und nirgends hin: „Wir haben das Gemäuer für uns allein! Machen wir uns an die Suche!“

       Er wandte sich um, ging zielstrebig los. Mosche rührte sich einen Atemzug lang

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