Mit der Wut des Überlebens. Lars Gelting

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Mit der Wut des Überlebens - Lars Gelting

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lange zu suchen. Zwischen den wirr herumliegenden, von Gras überwachsenen Gesteinsbrocken war die planmäßige Anordnung der sieben Erhebungen leicht zu erkennen. Überwuchert von dichtem Efeu, von Holunder- und Faulbeersträuchern reihten sie sich entlang der Mauer, nur wenige Schritte seitwärts vom Herrenhaus.

       Erwartungsvoll zwängten sie sich durchs Gesträuch, räumten Trümmer von der steinernen, flachen Oberfläche der Gräber, zerrten das Gras mitsamt den Wurzeln hoch, um endlich die Inschriften zu entziffern.

      Da war im ersten Grab ein >Maximilian von Blankenburg< begraben worden, der Name verwittert, nur schwer zu entziffern, das Ritterwappen nur noch als mal vorhanden zu erkennen.

      Im Grab daneben ruhte die >Frau Margarta<. Sie brauchten einige Zeit, bis sie den Namen mehr geraten als entziffert hatten, anderes war nicht zu erkennen.

       Mühsam legten sie so Grabplatte für Grabplatte frei, und wussten endlich, das gesuchte Grab war an dieser Stelle nicht zu finden.

       Noch einmal gingen sie um das Haus herum, suchten entlang der Mauer, entlang von Speicher und Stallungen, nichts!

      „Seid ihr sicher, dass es ein Grab hier an der Burg ist?“

      „Wo sollte es sonst sein?“

      „Vielleicht auf einem Friedhof in der Nähe. Jedes Dorf braucht einen Friedhof.“ Moshe wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß aus dem Gesicht, blickte fragend zum Einsiedler.

      „Die Dörfer hier oben sind Friedhöfe, da lebt heute keiner mehr, aber Johannes ist hier an der Burg geblieben. Ich bin mir sicher!“ Er wandte sich um, betrachtete aufmerksam die nähere Umgebung außerhalb des Burgbereichs.

      „Er hat immer gesagt „Ich gehe hoch zur Burg, muss was begraben!“ und war dann auch immer bald wieder zurück. Es ist hier! Aber vielleicht suchen wir an der falschen Stelle.“ und wie in Gedanken und an jemanden anders gerichtet: „Es wäre ja auch zu einfach!“

       Sie folgten seinem Blick nach außen, sahen über die mit niedrigem Buschwerk und Gesträuch zugewachsene Fläche vor der Burg hinweg. Dahinter, gut hundert Schritte von ihnen entfernt, der Wald.

      „Außerhalb?“

       Er nickte ruhig, ging voran, stieg mit seinen bloßen Füßen über die bemoosten Steinquader hinweg, und hielt sich sogleich zielstrebig nach links, auf das Herrenhaus zu.

       Moshe blieb unschlüssig stehen, sah über das vor ihm liegende Gelände hinweg, „Ihr scheint eine bestimmte Vorstellung zu haben!“

       Der andere blieb stehen, drehte sich zu ihm herum, „Nur eine Vorstellung: Wenn wir die kurze Nachricht richtig verstanden haben, waren es nur drei Gräber. Man wird sie vom Haus aus sehen können. Hier am Burgtor würde ich sie nicht suchen!“ Er wandte sich um und ging entschlossen ausschreitend weiter.

       Und während zu ihrer Linken die Mauer mit jedem Schritt in die Höhe wuchs, bald über Mannshöhe, fiel das Gelände auf der anderen Seite rasch ab. Schon nach wenigen Schritten versanken die Bäume unter ihnen, und sie konnten ins Land hinaussehen. Sahen unter sich im warmen Licht des späten Nachmittags den Wald und, in einiger Entfernung, mehrere Häuser und eine Kirche, klein wie Spielzeug. Auf schmalem, wohl nur noch drei Schritt breitem Weg näherten sie sich dem Haus, und Therese spürte deutlich, wie hinter ihr mit jedem Schritt der Widerwille und der Zorn Moshes anwuchs.

      „Da vorn, das könnte es sein!“ Der Einsiedler sah sich zu ihnen um, wies weitergehend mit ausgestrecktem Arm wohl fünfzig Schritt voraus. Dorthin, wo die von Efeu überwucherte Mauer vor blauem Himmel endete. Ein schmaler Vorsprung schob sich dort ins Nichts. Schob sich wie eine von der Sonne warm beschienene Halbinsel aus blankem Fels ein ganzes Stück aus dem Abbruch hinaus. Im vorderen Teil des nur mit kniehohem Buschwerk bewachsenen Vorsprungs eine mächtige Kiefer. Zäh und tief hatte sie sich im Stein festgekrallt, hielt ihn vermutlich in gleichem Maße, wie er sie, und reckte ihre gebogenen Arme weit über den Abgrund hinaus.

       Zunächst interessiert, betrachtete Moshe den Vorsprung mit jedem Schritt skeptischer, „Sieht eher aus, wie eine ideale Hinrichtungsstätte, wie ein Galgenort.“

       Die schroffen Abbruchkanten des Vorsprungs musternd, registrierte Therese die Nähe zum Haus, „Wer will schon einen Halunken vor seinem Fenster baumeln sehen? Gräber könnten dort schon einen Sinn ergeben.“

       Und offensichtlich gab es einen Sinn: Deutlich, und noch bevor sie den Vorsprung erreichten, konnten sie die drei gleichen Erhebungen erkennen. Dicht nebeneinander lagen sie im flachen Kraut und Gras direkt unter der Kiefer, vom Haus aus gut einzusehen.

       Verdutzt standen sie dann einen Moment vor den kleinen Vierecken. Keine zwei Schritte lang und weniger als einen Schritt breit wirkten sie, wie verschlossene Kisten. Vergessen, in den Boden eingesunken und nur eine handbreit herausschauend.

      „Kindergräber!“ Therese musterte die grauen Steinplatten, die jedes Grab bedeckten und deren Inschrift noch gut zu lesen war. „Alle drei Kinder sind im Jahr des Herrn 1525, im Mai gestorben!“ Sie sah auf, „Vielleicht war da auch Krieg.“ „Sieht mir eher nach Pest aus!“ Moshe wies mit dem Kopf über die Schulter zurück zur Burg. „Warum sollte man sie sonst hier draußen begraben?“

      „Hier außen ist das Grab!“

      Der Einsiedler beugte sich über das Grab auf der rechten Seite, wischte sorgfältig mit der flachen Hand über die Grabplatte, „LUCIA–BENEDICTA“, so hieß das arme Kind.“ Lächelnd sah er auf, vermied es Moshe anzusehen, „Wir haben es gefunden! Ein gutes Versteck!“

       Er beugte sich wieder vor, tastete mit den Fingern unter dem Überstand der Steinplatte entlang nach einer Stelle, an der er gut angreifen konnte. Mit einiger Anstrengung hob er die Steinplatte an, löste sie ungehindert vom Untergrund und schob sie ein Stück zur Seite. Ein starker Geruch nach Pech entströmte der kleinen dreieckigen Öffnung. Der Einsiedler kniete nieder, versuchte unter der Öffnung etwas zu erkennen.

      „Ich sehe nur schwarzen Grund, sieht wie Bretter aus!“ Aufstehend zu Moshe: „Lasst uns die Platte ganz abheben und aufs andere Grab hinüber schieben.“

       Es waren tatsächlich Bretter. Roh und pechgetränkt lagen sie dicht nebeneinander, füllten den Innenraum des kleinen Vierecks aus, erinnerten an eine sorgfältig gefertigte Luke, unter der eine Holztreppe in die Tiefe führen könnte.

      Der Einsiedler zog im Niederknien ein Messer aus seinem Gewandt, schob es zwischen Holz und Außenwand, hebelte so eines der ersten Bretter heraus, hob danach die nächsten Bretter einfach ab und sah vornübergebeugt in die schmale Öffnung, zunächst interessiert, dann ungläubig, reglos. Langsam, so als stemme er dabei ein schweres Gewicht in die Höhe, erhob er sich, sah sie einen Augenblick schweigend an, ernst.

      „Wir haben es gefunden, und ich fürchte, da liegt genug, um alles Unheil der Welt auf sich zu ziehen!“

       Sie hatte jede seiner Bewegungen mit Spannung verfolgt, sah ihn jetzt an, unsicher, während Moshe neben ihr niederkniete, in die Öffnung hineinlangte und einen prallen, schweren Lederbeutel heraushob. Beide sahen sie zu, wie Moshe den Lederriemen löste, den Beutel ganz öffnete, vorsichtig hineingriff, zwei Münzen heraushob und sie aufmerksam

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