Mit der Wut des Überlebens. Lars Gelting

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Mit der Wut des Überlebens - Lars Gelting

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      „Natürlich wollen sie das gerne, aber ich tu´s dann nicht mehr. Wirklich! Nicht wenn ich so viel Geld irgendwo im Baum hätte!“

      „Und wie willst du denen erklären, woher du das Geld hast? Die luchsen dir deine Kröten schnell ab, wenn sie erst einmal davon wissen.“

      Mikola verstand nicht, zog die Stirne kraus, „Das wäre das erste Mal, Trissa! Wirklich! So schnell luchst mir keiner mein Geld ab! Ich würde diese schönen Beutel einfach vergraben. Genauso wie Johannes das auch gemacht hat. Oder ich würde sie irgendwo in einen hohlen Baum stopfen. Da könnte ich doch ganz in Ruhe leben!“

      Wissend, die Augenbrauen weit hochgezogen, blickte sie zu ihm herüber.

      „Hört sich erst mal gut an, aber auf die Idee kommt jeder und deshalb ist es wohl wirklich die schlechteste aller Möglichkeiten.“

      „Was willst du denn anders machen? Das ist doch wohl die einzige Möglichkeit, die du hast, wenn du plötzlich so eine Menge Geld in die Finger bekommst, oder?“ Mikola reckte wieder sein Kinn vor, wartete auf eine Antwort.

      „Und wenn dich jemand beobachtet? Ausschließen kannst du das nie! Auf jeden Fall bist du dein Geld dann los.“ Sie sah hinüber zum Feuer, wo die Holzscheite bis auf die Glut heruntergebrannt waren. „Ich hätte es wohl auch so gemacht, aber da waren, gottlob, die Goldbergs davor …

       Moshe zügelte das Pferd, stoppte den Wagen fast ruckartig. Und für einen Augenblick standen sie auf dem holprigen Weg, sahen sich an. Er verstand nicht, furchte die Stirne, und sein forschender Blick zeigte deutlich, dass er nicht an ihren Worten, sondern an ihr zweifelte!

      „Vergraben wollt ihr das Geld?“ Erstaunt und durch seine Reaktion verunsichert, hob sie kurz die Schultern und nickte nur. Er wandte sich langsam wieder um, kopfschüttelnd, und gab dem Pferd die Zügel frei.

      „So viel Geld zu vergraben wäre nicht nur bodenlose Dummheit, es wäre geradezu Sünde!“ Eine Zeitlang sprach er nicht mehr, fuhren sie schweigend den holperigen Weg entlang, der jetzt etwas anstieg und sie in weitem Bogen um einen Wald herumführte.

       Unvermittelt dann: „ Schlagt euch das aus dem Kopf! Geld kann man nicht vergraben! Man kann Abfall vergraben, und man kann Tote vergraben, aber Geld kann man nicht vergraben!“

      „Warum sollte ich das Geld nicht vergraben können?“ Ihr Oberkörper bog sich leicht nach hinten und dabei etwas von ihm weg. Nicht verstehend, auch ein wenig ärgerlich zog sie ihre Augenbrauen zusammen. „Johannes hatte das Geld auch vergraben, und es hat doch funktioniert.“

       Jetzt zog er das ganze Gesicht ungeduldig in Falten, „Seid vernünftig, Frau! Das war etwas ganz anderes! Hätte euer Mann das Geld abholen können, so hätte er das Geld ganz sicher nicht an anderer Stelle wieder vergraben. So viel Geld muss man anlegen!“

       Sie blickte ihn von der Seite an, verständnislos, „Anlegen.“ warf das Wort einfach so dahin.

      „Ja, anlegen!“ Er wandte sich ihr kurz zu, immer noch ungeduldig, „Geld ist nicht einfach nur totes Metall, das man vergraben kann. Glaubt das doch nicht!“ Mitten auf dem Weg vor ihnen lag ein dicker Felsbrocken, der vom Wald herunter gerollt war. Moshe hielt den Wagen schon weit vor dem Stein an, gab ihr die Zügel, „Verschwindet wenn es ernst wird!“

      „Wenn es ernst wird?“ Sie sah zu, wie er vom Wagen herunterstieg, zog die Stirn in Falten.

      „Der Stein.“ Er stand jetzt vor dem Wagen, wies mit der Hand voraus, „Ein guter Platz für einen Hinterhalt. Würde mich nicht wundern, wenn da schon jemand ausgenommen wurde.“

      „Und was mache ich dann?“

       Er hatte sich schon abgewandt, war schon los gelaufen, „Dann wartet unten hinterm Berg auf mich!“ Lief dann soweit den Hang hinauf, dass er hinter den Stein sehen konnte. Beruhigt kam er wieder zurück und bugsierte den Wagen vorsichtig über den schrägen Hang am Stein vorbei. Wieder auf dem Weg sah er sie mit hoch gezogenen Augenbrauen an:

      „Das sind diese harmlos aussehenden, aber wirklich gefährlichen Stellen!“

      „Vermutlich haben uns die Halunken schon von weitem gerochen und sich dann lieber aus dem Staub gemacht.“ Sie sah zurück, warf einen kurzen, angewiderten Blick über die Schulter auf den Haufen frisch abgezogener Schaf- und Kuhfelle, die sich hinter ihnen auf der keinen Ladefläche zu einem unansehnlichen Haufen türmten. Der Gestank, der von diesem verwesenden Haufen ausging, hatte sich in der warmen Mittagssonne so verdichtet, dass er ihnen den Atem verschlug, sobald der Wagen zu langsam fuhr oder sie anhalten mussten. Angelockt von diesem Duft schwirrten hunderte von Fliegen aufgeregt um sie herum, schlossen sich irgendwann dem grün schillernden, summenden Heer an, welches den blutverschmierten Haufen als Brutstätte entdeckt hatte.

      „Wahrscheinlich stinkt das Geld nachher genauso, und ich werde den Gestank nie mehr los.“

      „Na, wenn ihr das Geld vergraben wollt, dann seid ihr Geld und Gestank bald los!“

       Sie ruckte ein Stück zur Seite, „Mein Gott! Ich weiß halt nicht, was ich anderes mit dieser Menge machen soll. Und ich habe Sorge, dass mir das Geld, das Johannes in Jahren zusammengetragen hat, einfach aus den Händen rinnt. Warum versteht ihr das nicht?“

      „Natürlich verstehe ich das! Aber eine solche Menge Geld zu vergraben ist und bleibt falsch!“ Er nahm den Zügel in eine Hand, wandte sich ihr mehr zu,

      „Ihr könnt Geld mit Getreide vergleichen: Wenn man es vergräbt oder zu lange liegen lässt, verliert es an Wert und wird vom Ungeziefer aufgefressen. Sät man es aber auf einen guten Acker, dann bringt es vielfachen Gewinn. So müsst ihr das verstehen!“

      „Ah ja, Getreide.“ Sie verstand nichts!

       Er wandte sich ab, nahm die Zügel wieder in beide Hände.

      „Habt keine Sorge, wir helfen euch schon!“

       Einen Moment lang sah sie ihn noch von der Seite an, unsicher, nachdenklich. ´Wie Getreide!´ Hörte sich ganz einfach an. ´Getreide´ hatte sie ja jetzt genug, fehlte nur noch der Acker. Sie sah hier keinen Weg für sich, atmete resigniert durch und sah wieder nach vorn.

       Zurück in Leipzig half alles gute Zureden nichts: Unbelehrbar und eigensinnig bestand sie darauf, die Geldbeutel in ihrer winzigen Kammer zu verstauen.

       Allein in ihrer Kammer ging sie zielstrebig zu Werke, zerrte den Bettkasten von der Wand und begann, die nach Kadaver stinkenden Beutel zwischen Wand und Kasten zu stapeln. Verbissen schleppte sie einen schweren Beutel nach dem anderen über ihr Bett, hielt dabei die Luft an, wandte zum Atmen das Gesicht ab. Endlich wurde der Ekel übermächtig: Sie drohte in einer dicken Suppe aus Aas- und Fäulnisgestank zu ertrinken, musste an die Luft.

       Draußen, vor der Tür, rutschte sie an der Wand herunter, atmete durch. Nicht einmal die Hälfte der Beutel hatte sie verstauen können, es war unmöglich. Die Beutel mussten weg! Wie? Wohin? Gedankenverloren stierte sie geradeaus ins Nichts.

       Wenige Schritte neben ihr wurde die Tür aufgestoßen. Izaak Goldberg kam aus dem Haus, stapfte mit festen, schweren Schritten hinüber zum Pferdestall

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