Die Suizid-App. Peter Raupach
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Suizid-App - Peter Raupach страница 5
„Ja, hier Felix …“
„Guten Tag, Arztpraxis Doktor Schwenker, Schwester Evelin. Weshalb ich anrufe ist, der Doktor möchte wissen, ob bei Ihnen soweit alles in Ordnung ist? Die Packung, die Ihnen der Doktor mitgegeben hat, müsste ja nun auch schon so gut wie alle sein…oder?“
„Danke der Nachfrage. Bei mir ist soweit alles okay. Ich wollte sowie morgen…äh nein, nächste Woche wegen der Verlängerung der Krankschreibung…“
„Sie haben Glück, der Doktor macht mittwochnachmittags Telefonsprechstunde, kleinen Moment ich stell durch!“
„Aber…“
„Ja hier Doktor Schwenker?“
„Äh, ähm hier ist Felix…Die Schwester hat..“
„Ach Herr ….alles kein Problem. Dafür sind wir ja da. Weshalb zahlen Sie sonst Krankenversicherung?
Also wie sind Ihnen die Tabletten bekommen?
Herr …? Sind Sie noch dran?“
„Ja, ja bin ich. Also, Herr…Herr Doktor Schwenker, die Sache ist die…ähm…dass es mir schon wieder ganz gut geht, denke ich. Da brauchte ich die Tabletten nicht.“
„Aha, verstehe. Nun gut. Also hören Sie zu. Sie sollten die Tabletten nehmen. Nein nicht sollten, sondern müssen. Sie sind doch ein intelligenter Mensch. Was hatten Sie noch gerade gemacht…ach ja hier steht es…Sie sind Banker. Na da können Sie doch rechnen und verstehen doch sicherlich eine Menge von Ungleichgewichten zwischen Soll und Haben, stimmt‘s?“
„Aber ich…“, murmelte Felix.
„Na sehen Sie. Und so ein Ungleichgewicht liegt bei Ihnen jetzt vor. Da sind chemische Botenstoffe im Ungleichgewicht. Das geht nicht innerhalb von vier Wochen weg. Mag sein, dass es Ihnen im Moment etwas besser geht, denn Sie gehen ja auch zur Selbsthilfegruppe, wie man mir berichtete… Aber das ist ja gerade das Tückische an dieser Krankheit. Sie gaukelt Ihnen vor, es ist wieder alles in Ordnung, um dann mit voller Wucht wieder zu kommen. Also seien Sie vernünftig und nehmen dann gleich, wenn Sie aufgelegt haben die erste Tablette. Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren. Ich stell zurück zur Schwester, danke!“
„Schwester Evelin…also die Verlängerung schicke ich Ihnen zu. Ach ja, noch eins. Es ist eine Bitte. Sollten Sie sich doch gegen den ärztlichen Rat entscheiden und die Tabletten nicht einnehmen, so bittet Sie der Doktor, dringend die Packung zurück zu bringen. Sie ist Eigentum der Praxis.“
„Ja, geht in Ordnung. Danke.“
„Auf Wiederhören.“
Gleich nachdem Felix aufgelegt hatte, nahm er die Tablettenschachtel, ging in die Küche und füllte ein Glas Wasser. Was soll‘s, dachte er und drückte sich eine der schwarzroten Kapseln in die Hand.
Wird mich schon nicht umbringen, war sein Gedanke, als er die Kapsel mit dem Wasser runter schluckte.
Dann kamen die Zweifel wieder. Waren die Kapseln der Ausweg aus der Depression oder der Einstieg in die Abhängigkeit von einem Medikament?, dachte er. Die Frage ließ ihn in den nächsten Minuten nicht mehr los. Das Internet konnte hier nicht weiterhelfen. Es gab nur Werbung für Arzneimittel und Foren, die ihn jedes Mal noch tiefer hinunter zogen.
Mechanisch zog er seine Schuhe an, nahm seine Jacke und verließ die Wohnung. Er wollte in eine möglichst weit entfernt gelegene Apotheke. Das Medikament hatte er mit.
Von der Westendstraße aus lief er einige Minuten fast ziellos durch die Straßen des abendlichen Regensburgs. Dann sah er, dass gerade ein Bus der Linie 6 im Begriff war zu halten. Er entschied sich einzusteigen. Am Dachauplatz stieg er aus und wechselte sofort in eine wartende Linie 13. Er hätte nicht sagen können, weshalb er das getan hatte. Er wusste nur, dass er weg von seiner Wohnung wollte…war es eine Art Verfolgungswahn? Felix spürte eine merkwürdige Veränderung seines Denkens, er nahm alle Geräusche überdeutlich wahr, schwitzte und sein Puls ging schneller. Er spürte sein Herz schlagen, als ob er gerade einen Dauerlauf absolvieren würde. Waren das Nebenwirkungen des Medikamentes?, fragte sich Felix verstört.
Dann, endlich sah er eine Apotheke, doch der Bus fuhr noch ein paar hundert Meter weiter. Er stieg aus und lief die Strecke zurück. Seine Sinne waren plötzlich hypersensibel. Er roch die Luft in der Straße, Laternen blendeten und er nahm einen Familienstreit aus einer Wohnung, die sich auf der anderen Straßenseite befand, wahr. Die Geräusche nahmen weiter zu und es wurde fast ohrenbetäubend für ihn. Felix hörte Dutzende von Menschen gleichzeitig sprechen, obwohl höchstens drei Personen ihm auf dem Gehweg begegneten. Dann veränderte sich sein Sehen innerhalb von Minuten. Alle Autos, Straßenschilder und Schaufenster erhielten einen eigenartigen Glanz. Seine Augen begannen zu schmerzen von all dem Licht. Sein Gehirn hatte bereits die Anzahl aller Fenster registriert, die sich in dem Straßenabschnitt befanden, den er gerade, von der Bushaltestelle kommend, passiert hatte. Es waren einhundertsieben…
Fast fotografisch prägte er sich die Öffnungszeiten, Werbeauslagen und den Namen des Inhabers von der Apotheke ein, die er gerade betrat. Der Inhaber hieß Damian Bergmann. Es war für Felix augenblicklich wie eine Art Befreiung, denn beim ersten Schritt durch die Eingangstür glaubte er sich wieder in größerer Sicherheit zu befinden.
Doch dann wirkte plötzlich der Verkaufsraum beängstigend eng auf Felix. Sofort duckte er sich etwas. Fast meinte er, dass sich die Warenständer jeden Moment auf ihn stürzen könnten.
Zum Glück sah er dann den Apotheker hinter seinem Verkaufstisch stehen.
„Guten Tag, Herr Bergmann“, begann Felix das Gespräch. Der Apotheker schaute etwas irritiert, da er selten von unbekannten Kunden mit seinem Namen angesprochen wurde.
„Können Sie mir etwas über die Wirkungsweise, oder besser noch etwas über die Nebenwirkungen dieses Medikamentes sagen? Kann ich davon süchtig werden?“, fragte Felix den Apotheker und hielt ihm die mitgebrachte Schachtel hin.
„Darf ich?“, fragte der Apotheker höflich und nahm die Schachtel.
„Herr Bergmann, mein Arzt hat sie mir gegeben, es soll bei einer Depression helfen. Ich denke, es ist ein ganz neues Medikament, es soll auch nicht müde machen…ähm, so sagte er.“
Der Apotheker hielt die Packung von Felix in der Hand und las, für Felix gefühlte zwei Minuten, den dürftigen Text auf den Seiten der Packung. Dann schob er seine Brille hoch und meinte:
„Also, etwas kann ich Ihnen mit Bestimmtheit sagen: Von Antidepressiva sind Abhängigkeiten kaum bekannt. Das heißt, Sie können von Beruhigungsmitteln und Schlaftabletten in kurzer Zeit abhängig werden, man kann dazu auch süchtig sagen, aber von Antidepressiva nicht.
In Ihrem Fall hier bin ich überfragt. Wir Apotheker kriegen solche, ja sicher, es wird sich bestimmt um so etwas handeln…also ich meine, wir bekommen solche Erprobungspackungen fast nie zu sehen. Ihre Packung hat auch keinen Strichcode, das heißt wiederum, dass dieses Medikament in keiner öffentlich zugänglichen Datenbank registriert ist. Das muss es aber auch nicht, da es ja noch in einer Entwicklungs-