Die Suizid-App. Peter Raupach
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„Entschuldigen Sie…äh, von Bärenfels, Apotheke am Regina Theater, am Apparat.“
„Grüß Gott, Frau von Bärenfels, kein Problem, wo brennt‘s denn?“, fragte Berger betont aufgeräumt.
„Da läuft gerade eine Zeitbombe durch die Stadt und stellt Apothekern dumme und gefährliche Fragen. Wie kann das denn sein, Herr Berger? Ich dachte, die Patienten erhalten das Medikament nur stationär, völlig freiwillig und sind umfassend aufgeklärt…sie erzählten doch was von Belegbetten, von Fachleuten…Außerdem werden die Phase I-Testungen doch zwingenderweise nur an Gesunden durchgeführt, außer vielleicht aus ethischen Gründen bei sonst unheilbar Krebskranken! Will hier jemand noch mehr Geld sparen? Der Patient, der eben bei mir war, sah aber nicht gesund… “
„Ach …ach ja, danke für die Information. Haben Sie zufällig den Namen des behandelnden Arztes? Äh…wir würden uns sofort um den Sachverhalt kümmern…“
„Habe ich nicht! Aber der Patient war im Besitz eines Medikamentes der neuen Versuchsreihe…ich meine das geht doch nicht!
Ich habe genau dieses Medikament vor knapp sechs Wochen an die Praxen ausgeliefert…“
„Okay, okay…bleiben Sie ruhig und machen Sie sich da mal nicht so viele Gedanken. Ich nehme mal an, dass das Präparat so effizient wirkt und möglicherweise extrem wenig Nebenwirkungen aufweist, dass einzelne Ärzte…äh, äh in Ihrem Fall ein Arzt, sich leichtfertig über die dringende Empfehlung hinweggesetzt hat…ähm, na ja er hat ganz einfach die Behandlung ambulant vorgenommen. Aber Sie wissen doch selbst als Apothekerin wie manche Ärzte sind. Da kann man mit Engelszungen reden und reden…“
„Apropos Engelszungen! Herr Berger, könnte es sein, dass es sich bei dem neuen Medikament, ich meine konkret das Präparat 463, doch wohl eher um eine Art Teufelszeug handelt? Der besagte Kunde hatte gerade wahnsinnige Kopfschmerzen, einen erschreckend emotionslosen starren Gesichtsausdruck und…“
„Das soll nicht Ihr Problem sein, meine liebe Frau von Bärenfels…falls es Ihnen um die rein wissenschaftliche Einordnung des Präparates gehen sollte, muss ich Sie daran erinnern, dass dies nicht Bestandteil ihres Liefervertrages …“
„Oh, oh warten Sie Herr Berger. Ich liefere eben dieses Medikament an verschiedene Ärzte und somit führe ich es persönlich… mit meiner Reputation in den Markt ein, das heißt, ich bringe es in den Verkehr! Laut Arzneimittelgesetz…“
„Genau, Frau von Bärenfels, und dafür erhalten Sie Geld…gutes Geld! Aber lassen wir doch an dieser Stelle das rein Monetäre mal beiseite…“, parierte Berger kalt mit einem lauernden Unterton in der Stimme.
„Also, Herr Berger, da wir schon mal beim Geld sind…ich frage mich nach diesem Vorfall nun ehrlich, ob das Verhältnis zwischen dem jetzt vorhandenen Risiko und der Bezahlung noch vertretbar günstig…“
„Liebe Frau von Bärenfels, es gibt Situationen im Leben, aber wem sage ich das! Ja, es gibt Situationen, da muss man sich entscheiden. Und dann, ja und dann muss man die Entscheidungen konsequent umsetzen. Man kann ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr anders handeln. Verstehen Sie mich, liebe Frau von Bärenfels? Sie können nicht mehr anders handeln! Sie können nicht mehr zurück!
Was würde denn Ihre Bank sagen, wenn wir als Ihr Kunde, ja Sie hören richtig, wir sind Ihr Kunde, denn Sie bringen als Apothekerin unsere Produkte in den Verkehr…hören Sie bitte jetzt genau zu! Ja, was würde Ihre Bank sagen, wenn wir denen sagen müssten, dass wir nicht mehr gerne Ihr Kunde sein wollen? Antworten Sie jetzt nicht übereilt, sondern hören Sie mir genau zu!“ Bergers Stimme klang nun fast monoton, als ob er aus einem Backbuch vorlesen würde:
„Sie als Apothekerin und Unternehmerin würden es sich aufgrund einer fixen Idee leisten können, ein international agierendes Unternehmen als Kunden zu verlieren? Glauben Sie wirklich, dass das Ihrer Bank egal wäre?
Und denken Sie doch mal einen Moment an Ihre Tochter. Nur durch Ihr bisher sehr besonnenes Handeln konnten Sie Ihr ein Studium an der Harvard University ermöglichen.“
„Aber ich könnte meine Approbation…meine Berufszulassung verlieren und dann…“
„Ich verstehe…Ach die Welt ist doch kompliziert. Und glauben Sie nicht, dass mir das alles leicht fällt…aber ich kann nicht anders. Ich bin ein Mensch, der mit offenem Visier kämpft…und lassen Sie mich Ihnen Eines versichern, ich mag Sie, weil Sie so ehrlich sind. Deshalb haben Sie mein Wort. Ich werde mich beim Controller 463 dafür einsetzen, dass Sie unseren Beratungszuschlag in Höhe von zehn Prozent erhalten…völlig unkompliziert, ohne zusätzliche Forderungen und Sicherheiten. Ja! Ja, das mache ich für Sie!
Ist das ein Wort, Frau von Bärenfels?“
„Ja,…okay, machen Sie das bitte“, antwortete Maria fast flüsternd und drückte den Namen Berger auf ihrem Touchscreen mit dem Daumen weg, fast so, als würde sie ein Insekt zerquetschen.
Maria löste sich aus ihrer Starre und ging zur Personaltoilette. Sie nahm das auf dem Waschbecken stehende Desinfektionsspray und sprühte mehrfach auf ihr Handy, um es schließlich kurz darauf doch unter heißem Wasser abzuspülen.
Berger war während des Telefonats die ganze Zeit durch sein Arbeitszimmer gelaufen. Für die tief stehende Abendsonne, die durch das Villenfenster zartrote Strahlen warf, hatte er keinen Blick, geschweige denn einen Gedanken geopfert. Blanke Panik hatte ihn während des Gespräches gepackt. Sein Anzughemd klebte noch immer auf der Brust. Doch er war sich sicher, dass seine Gesprächspartnerin von seiner Schwäche nichts mitbekommen hatte.
Nun warf er sich völlig erschöpft in seinen Arbeitssessel und stierte ins Nichts.
„Liebling kommst Du? Du weißt hoffentlich, dass wir Karten haben?“, hörte er seine Frau aus dem Ankleidezimmer rufen. Erst jetzt merkte er, dass die Tür des Arbeitszimmers nur angelehnt war.
„Ja, ja sofort…ich muss nur noch ein Telefonat machen“, antwortete er laut zurück und bemühte sich, möglichst unbeschwert zu klingen.
Doch seine Frau Ivon stand, bekleidet mit einem hellgelben Abendkleid, einen Moment später schon in der Tür und meinte tadelnd:
„Ich hätte es mir denken können. Jedes Mal dasselbe mit Dir. Wir kommen nie pünktlich weg. Heute lasse ich Dir das aber nicht durchgehen. Du telefonierst bitte im Auto. Wofür haben wir eine Freisprechanlage? Mach Dich bitte sofort fertig!“ Dann ging sie erhobenen Hauptes wieder in ihr Ankleidezimmer.
Er liebte seine Frau viel zu sehr, als dass ihn die kleinen Vorwürfe und die fordernde Art und Weise wirklich getroffen hätten. Auch die große Liebe zu dieser Frau war letztlich eine Triebfeder für sein Engagement in der UCD.
Er konnte und wollte dieser Frau nichts abschlagen. Wenn sie glücklich war, war er es auch. Deshalb durfte und sollte Geldmangel nie eine Rolle spielen. Doch was er bereit war dafür zu tun…das durfte sie nie erfahren. Berger hatte sich das nach den ersten Todesfällen, die im Zusammenhang mit der Erprobung eines neuen Antipsychotikums der UCD vor zehn Jahren auftraten, geschworen. Gerade jetzt und hier musste er wieder an das Gespräch denken, dass das damalige Mitglied der Geschäftsleitung, ein Herr Alexander Schönherr und jetzige Vorstandsvorsitzende der UCD mit ihm in einer der oberen Etagen eines Bürokomplexes der UCD in New York City geführt hatte.
Die Sätze hatten sich in sein Gehirn gebrannt. Schönherr sagte: „Jeder forschende Arzneimittelhersteller rechnet mit einer bestimmten