Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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      Was sollte er tun? Das Wämslein schien nicht sauberer, er aber floß, als sei er in die Sihl gefallen. Es blieb nichts übrig, als demütig heim zu ziehen.

      Auf dem Weg erlebte er die Genugtuung, daß die fließende Nässe allmählich versiegte, seine Fußspur wurde unmerklich. Mit dieser Entdeckung kam ein glücklicher Gedanke. Am Ofen trockneten die Großen ihre Mäntel und Koller zur Regenzeit. Er beschloß in die oberste Höllen zu kriechen und dort zu trocknen. Heimlich hoffte er, daß die Mutter nicht in der Küche wäre.

      Er hatte Glück und erstieg unbemerkt das Höllenbänklein, hoch zwischen Wand und Ofenturm. Warm wars genug, da konnte keiner klagen. Und wie er nach einer regelosen Weile seiner sicher wurde und die Augen kecker schweifen ließ, gewahrte er in greifbarer Nähe auf dem Ofenturm zwei verdeckte Bretter, die dörrende Apfelschnitze trugen.

      Niemand nimmt ein Glück für unverdient, nur das Unglück trägt den heimlichen Stachel des Schuldgefühls in sich. Die dörrenden Apfelschnitze sprachen Theophrast beruhigender zu, als etwelche Anerkennung seiner vergeblichen Tapferkeit und seiner unverschuldeten Leiden es vermocht hätte. Er nahm und aß wie ein Mann, der sagt: „Seht so bin ich: zuerst eine redliche Arbeit, aber dann auch einen günstigen Griff ins menschliche Behagen, denn Gott gibt den Seinen gerne.“

      Die Kleider des Theophrast begannen zu dunsten und rochen warm. Er blinzelte hin und wieder auf sein Bäuchlein, ob es die dunkle Wasserfarbe schon verlöre, und er streifte den letzten Vorwurf, der ihm noch am Halse hing, seinen leeren Brotsack, mit einem frohen Entschlüsse ab. Es lebte sich leidlich auf dem warmen Höllenbänklein, umgeben von den Dampfwolken verflüchtigender Sünden, in handlicher Nähe des Hutzelobstes, das seine Süßigkeit hinter einem sanften Leder im warmen Fleische sammelte.

      So hätte er lange sitzen können, ihm fehlte zu seinem innigen Behagen nichts, und er wäre endlich auch trocken geworden. Im Ochsnerhaus, wo jeder Gegenstand an die Seinen mahnte, wäre ihm sicherlich bange gewesen. Dort lag eine strenge Zucht in der Luft. Aber hier im Pilgerspital war er so frei wie im Walde; und er genoß die Unbeschränktheit dieser neuen Welt.

      Theophrast durchwitterte noch überall die Andersart der Dinge. Die Tische da unten: wunderlich genug, daß sie den gleichen Dienst taten wie die des Ochsnerhauses, obwohl sie ganz anders aussahen! Und Fremdes überall. So oft bewog ihn nur die Sicherheit, mit der die Großen an den Dingen schafften, eine Sache brüderlich dem Gleichgearteten des Ochsnerhauses anzureihen. Auch er kam, da er scharf zusah und darum mehr schied als willig glaubte, wie jeder Große, auf seinem Umweg hinter das Wesen des Ungewohnten. Mag die Fremde immerhin den bedrücken, der eine letzte Entspannung seiner ermüdeten Triebe und einen unbedingten Schutz sucht, sie befreit auch von den heimlichen Gesetzen der Gewohnheit, die langsam aber sicher Herr über jeden werden, und habe sie einer vom Grund aus selber geschaffen.

      Theophrasts Herz ward leicht auf dem Höllenbänklein im Klosterspital zu Einsiedeln und er schmauste das Hutzelobst ohne Gewissensbisse, bis er Schritte vernahm, die er kannte. Da erschrak er und ließ den eben angenagten Schnitz fallen. Die Mutter sah sogleich; das Unheil war ihr vor die Füße gerollt.

      „Frästeli!“

      Theophrast duckte sich in den hintersten Winkel der Hölle. Alles Ungewitter der letzten Stunden türmte sich drohend vor ihm.

      „Frästeli, du bist in der Höll und tuest Huzlen in?“

      „Mammeli, ich muoß in der Höll sitzen!“

      „Was muoßt?“

      „Daß mir alls wieder trücknet.“

      Die Mutter tastete über ihn.

      „Bi Gott, du bist naß! Wo bist gsi?“

      Da faßte Theophrast ein Herz und rief:

      „Es ist ein großer Regen an mich gfallin!“

      Die Mutter sah ihn an, daß er schon widerrufen wollte, da streifte ihr Fuß den Brotsack, sie hob ihn auf. Man hätte ihn auswinden können. Und sie sah nach.

      „Wo ist’s, das Tüechli und dine Haller, so ich dareingebunden?“

      Theophrast schöpfte tief Atem und rief:

      „Es ist ein großer Wind an mich gfallin, der hots usm Sack grissen.“

      „Kumm, Büebli, ich will dir Wind und Wetter gewiesen han!“

      Sie zog ihn vom Höllensitz, und er sperrte sich nach Kräften.

      „Ei, du bist all in Fetzen, wer hot dich allso schändlich zuogricht?“

      Theophrast schwieg.

      „So uf einmal Regen und Wind an dich gefalln, möchts och der Dunnerschlag gewest sin?“

      Theophrast sah ein, daß er nie auf solch einen günstigen Gedanken gekommen wäre. Er stand mit gerunzelter Stirn vor der Mutter, blinzelte sie keck an, denn er meinte, die ärgste Gefahr sei nun vorüber.

      „Als möchts der Dunnerschlag gewest sin, Mammeli.“

      „Dann solltu och ein letzt Ohngewitter guet bestahn“, rief die Mutter und spannte die Höslein.

      „Holt in, Mammeli, sie hänt mich allweg!“

      „Du host diner Mutter ein Luog geben!“

      Da brach es schluchzend aus ihm:

      „Nu ist das seidin Fazenettli verton, und die Haller sänd hin! Du sollt darumb nit klagen, dann sie hänt ein Fähnli darvon gmacht, das wehet im Wind, und hänt guet Böckli kouft, die schmeckend ihn’n sehre.“

      Weil nun Eis Ochsnerin sah, er wolle sie trösten, hielt sie wirklich ein, hob ihn auf den Tisch und erforschte sein Mißgeschick. So kam alles an den Tag.

      Die Mutter wußte nun, daß er schwer hatte kämpfen müssen.

      „Du bist ein Tippei überalle und loßt dir von eim Maideli stehln. Du sollt dich schämen. Kumm, so wird din Kleid nimmer trucken. Du muoßt untern Kolter, ufdaß du dich besinnest uf dine Torheit.“

      Theophrast stieg an der Mutter Hand die Treppen hinauf. Ihm war so leicht und frei zu Mut, daß er hätte singen und schreien mögen. Sie war gut, sie war viel besser als alle andern, sie hatte ihn nicht geschlagen, und ihm waren doch das Fazenettli und die Haller gestohlen worden! Sie wußte alles und er brauchte nicht mehr daran zu denken.

      Als er entkleidet war und unter der Decke steckte, breitete er, da sie mit dem nassen Gewände in die Küche wollte, seine Arme nach ihr aus und hielt sie.

      „Mammeli, so einer ist ein Tippei und allso ringmüetig, muoß er unterm Kolter stecken bliben und darf nit usschlupfen und nit ein Bein regen. Und muoß diner wartin.“

      „Nu louft dirs Moul über! Der heilig Brunn möcbt dir kein Leids nit ton haben, und ich will bitten, daß du gstundist unter dem rechten Strahl und Gott dich erlücht.“

      „Es möcht wohl der recht Strahl gewest sin, Mammeli, dann er ist mir an die Hout gfahrn.“

      Die Mutter ging, und Theophrast lag regungslos unter dem Kolter. Er dachte an Mutter und Vater, an all die Seinen im Ochsnerhause. Nie noch war ihm so friedvoll und sicher zu Mut gewesen.

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