Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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der kämpfenden Seele, die an ihren Grenzen wund geworden ist! Deine Welle führt den Trost von hundert bestandenen Fehden mit, weither, hundert Geschlechter weit. Keine Kraft war an dir verschwendet. Sing dein Lied, du reifes Blut, Blut der letzten Wellen, die am lautesten, schönsten singen! Bombastblut, sing, singe, du bist alt geworden und also mündig!

      Während Theophrast gereinigten Herzens unter dem Kolter lag und diesem seltsamsten Liede lauschte, war sein Vater in die Küche gekommen, wo die Mutter das durchnäßte Gewand am Ofenreck aufgehangen hatte. Herr Wilhelm warf seine Tasche auf den Tisch, daß es klirrte. Die Mutter sah fragend hin, der Mann ging zornblaß auf und nieder. Frau Eis wußte: sie durfte jetzt nicht gehen, ohne ihn gehört zu haben, sie durfte aber auch nicht fragen, sondern hatte ruhig irgend etwas zu schaffen, das nicht zu laut und nicht zu leise wäre, als sei alles in guter Ordnung. Sie zog an den trocknenden Kleidungsstücken, daß sie nicht schrumpften, maß Hirse in den Breikessel, goß Milch und Wasser dazu, legte die Glut frei und schob harziges Spanholz von allen Seiten auf das rote Häufchen. Bald flackerte es unter leisem Knistern. Zum Glück begann Bombast, denn sie war fertig.

      „Nu ist mir sine Gnaden guet entfahrn, Graf Eitelhans zu Barbi uf Brunsberg und Biberlingen, daß ihn der Tuifel schänd! Der hat mir zwenzig Guldin verheißen, so ich ihn von sinem Grimmen erledig, und ich hab min oleum glesi drufgesatzt bis uf den letzten Tropf. Nu ist er entwischt. Der Wirt vom Pfauen hat ihm noch ein silbrin Wehrgehäng verpfändt. – Er lässet mir ein günstigen Grueß bstelln, und ich sollet nit murren, dann er wollet bi günstiger Gelegenheit mir nit zwenzig, sundern an fünfundzwenzig Guldin schicken. Do sulln wir satt sin von siner gräflichen Gnaden! Und ich muoß uf Zürch, so guet es will gohn, daß ich ein Bernstein kouf und mir ein nüs oleum destillier. – Ei Frou, zu dreien Malen bin ich Tag vor Tag bi dem Gauchen gewest, hab ihn purgiert und die Ader gelassen. Hab ihn ouf die Füeß gestellt, dann er ist allbereits übel gelegen. Und ist ihme ein Stein abgangen als ein Nuß groß. – Eis, gib ein Trunk und Bissen, daß sich mine Gail nit verschlägt. Ich will froh sin, dann diese Tag sänd umb.“

      Eis war flink mit Trunk und Imbiß bereit, und Herr Wilhelm meinte, indem er kaute:

      „Do sänd wir um ein Merkliches geschmäleret von dem Gouchen.“

      „Laß guet sin, Bombast.“

      Eis streifte wieder die Kleider des Kindes aus, und der Vater fragte, da er fast sein ganzes Frästeli am Ofenreck hängen sah. Sie erzählte ihm das Abenteuer.

      Bombast saß auf der Bank, eine Falte zerschnitt seine Stirn zwischen den Brauen, da seine Eheliebste meinte:

      „Mir ist nit allerweg heimelich bi dem Kind. Er fraget viel und er luogt ohnbedacht. Ich kunnt nit glouben, daß es mit dem Männli am Orgelchor menschlich sije gewest. Es ist ein heiliger Ort, do solltu nit din Kopf schüttlen. Es kunnt ein Wunder geben, ohn daß einer des gewahret.“

      Sie strich verlegen über ihr schlichtes Haar hin und bekräftigte: „Und ist desglichen unter dem heiligen Brunnenstrahl trieben worden. Meinest, dem Bübli sije dasselbig us ihme selbs zuogfallin? Ich gloubs nit. Es war der heilig Strahl! Unser Frästeli ist sunderlich, mir banget umb sinetwillen.“

      Sie rührte im Kessel und wagte nicht recht zu ihrem Gatten hinüberzusehen, denn sie offenbarte des Herzens Heimlichkeit nicht gerne, kaum vor dem eigenen Gewissen. Sie war im tiefsten Wesen keusch und jungfräulich. Der Mann befremdete sie und scheuchte sie in sich zurück. Nur ein drückendes Bangen brachte die Worte über ihre Lippen, denn sie erkannte in dem Kinde bereits den Mann. Aber sie hätte auch diese Bangigkeit allein getragen, wenn nicht Bombast auf anderes Sinnen hätte abgelenkt werden müssen und – wenn er nicht seines Zornmutes entladen gewesen wäre. Denn Herr Wilhelm konnte aus der Enge seines Alltags zuweilen gewaltig aufbrüllen, so besonnen und schwergemut er sonst blieb.

      Als sie ihn kennen lernte, war er der Fremde überdrüssig und hatte sich die Ruhe des Ochsnerhauses und das gesicherte Leben voll Behagen durch den Leib blühen lassen. Aber nun erschreckte er sie manchmal mit einem Ungestüm, das sie nicht fassen konnte. Nahm er sie dann in seine Arme, preßte er sie und liebkoste sie so wild, als sei er ein Jüngling, wagte sie kaum den Drang zu erwidern und glaubte beinahe, er wollte ihr auch mit seiner Liebe ein Leides tun.

      Herr Wilhelm sah finster drein. Er war zu oft durch die Sternnacht geritten. Auch er wußte, daß jene funkelnden Gewalten mit bildender Influenz den Menschenleib durchdrängen, aber er fühlte, daß sie die äußersten Maschen und Knoten seien, darin eines Menschen Leben befangen ist. Der große Gott, dem ein Sternhaufe kaum des Schöpferwinkes wert war, konnte keinen Engel gesendet haben, um das Frästeli zu bewahren. Aber Bombast ließ der frommen Mutter den Glauben unbenagt von Worten, er hielt ihn für einen Trost. Denn er sah, daß ihr der Sohn entwuchs.

      Wilhelm Bombast meinte nur:

      „Das seh ich wohl, er fallt in dieselb Beschwer dann ich, do ich jung war und ein Kind. Er findt kein Gefährten nit. Und sie wollend ihn nit. Schlahend und schätzen ihn, solang er ist schwach und kann sines Leibs ihrer nit erwehrn. Die Menschen sänd als das Viehe. Was nit alle Siegil und Märk ihrer Art treit öffentlich, das wollend sie erstoßen und zertreten oder sie fliehends als die Pest, und brächt einer das bluetend Herz dar. Ihm müessend die Zeichen manglen der Herd. Wohl dir und wehe, du kleiner Mann! Allein – wirdu allerweg din Muotterle han, so dir dine nassen Kleider wird trücknen?“

      Es fielen ihr Tränen von den Wimpern, des Mannes Rede klang schwer. Sie legte ihren Arm um ihn, das tat sie selten. Er fuhr ihr lind übers Haar, doch sah er an ihr vorbei, als stünde die verräucherte Wand nicht vor seinen Augen.

      „Elsula, des solltu nit so bekümmert sin. Ich hab in sinen Jahren kein Muotterle ghät und kein Vater. Hab müessen singend gohn und bin dannocht miner Kunst ein Wohlerfahrner worden, daß sie üns ernährt.“

      Eis Ochsnerin hielt ihre Tränen zurück, weil sie merkte, daß ihres Mannes Gedanken einen andern Weg flogen. Sie hatte nicht geweint, weil ihr um die Menschenart des Söhnleins bangte, sondern weil ihr manchmal sterbensmüde war und sie vor einem frühen Ende zitterte, das die Ihren verwaisen möchte. Sie schwieg aber und wollte das alte Lied des Bombast nicht hören. Sie hing zu sehr am Ochsnerhaus und an dem Rauschen der Sihl.

      Nach dem Pontifikalamte des letzten der drei Festsonntage – der Legat hielt es – wurde die große Engelweih mit eidgenössischen Spielen beschlossen.

      Geblieben war nur, wer ein Stück Geld übrig hatte und die Heimfahrt bei bequemer Gelegenheit zu Roß und Sänfte leichter nehmen konnte. Den Wirten lag für diesen letzten Tag ein auserlesener Rest im Keller, und die Küchen dunsteten erquicklicher als an den Tagen des Massenfutters. War auch allezeit tüchtig eingeladen worden, so wußten die Wirte, daß am letzten Sonntage nur im Besten geschlemmt und gedämmt werde, soviel nur die Haut hielt. Zuvor aber eine ehrliche eidgenössische Arbeit.

      Die Armbrust- und Hakenschützen zogen unter Pfeifen und Trommeln zu ihrer Zielstatt, weither vom Zürchersee, aus Schwyz, Luzern und St. Gallen waren noch etliche zugestoßen. Und jedem Zug der Männer folgte je einer der Knaben in guter Ordnung mit Armbrust, Spieß und Hellebarde, die Kurzwehr an der Seite. Es gab kleinbeiniges Volk darunter, das gewaltig ausgreifen mußte, um Schritt zu halten, Jungen, die kaum ins achte Jahr sahen, aber gleichwohl trotzig und ihrer Wehr sicher, als wüßten sie eines freien Kriegsvolkes Zukunft in ihren Herzen.

      Für diesen Tag war Hans Ochsner seines Harnisches ledig, er trug den langen Spieß und das Schwyzerschwert zu anderthalben Händen. Das war sein Eigentum und sein Bekenntnis. Das blanke Plattenwerk und die silberne Hellebarde gehörten dem Kloster. Er wartete auf die Stunde, da er des Spieles mit Spieß und Schwert ledig wäre, dann sollte er, befreit vom engen Kleide, ein kraftausschöpfendes Schwingen bestehen.

      Denn es war

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