Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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und seiner Freunde, des Canonikus Thomas Wolf, des Adolfus Ruscus und Georg Erlebachs.

      Nicht nur vom Rhein und aus dem östreichischen, auch von Schwaben, Franken, Bayern her und von Sachsen und Böhmen wußten sie stille und laute Geister zu beschwören, die über allen spitzfindigen Zank der Schola, über Realismus und Nominalismus hinweg zum Sonnenglanz der olympischen Muse zurückgefunden hatten.

      Sie nannten am Tische Diebolds von Geroldseck Gott, Christus, Maria und die Heiligen nicht eitel, sie halfen ihren Beteuerungen mit Jupiter, Apoll und Minerva. Herkules, der die heitere Erde vom Rücken des Atlas auf seine prächtigen Schultern genommen hatte, vermochte ihre Reden besser zu stützen als das gotische Ungetüm St. Christoffel, das mit aller mystischen Welt des Glaubens auf den zottigen Achseln durchs Wasser geplanscht war.

      Etliche erwähnten auch des Desiderius Erasmus, der in Paris lebte, London und Italien besuchte, deutsche Lande aber mied, obwohl er auch da einen guten Ruf unter Kennern genoß.

      So lebte ein nicht geringer Teil der Welt an diesem Tische. Die Gespräche wurden kaum lauter, wenn auch die Wangen sanft erglühten.

      Hingegen erwachte der andre Tisch des Saales um so merklicher, besonders der Kreis um Kuonrad von Rackelberg. Da ließen sich die geistlichen und weltlichen Herren von ihren Dienern aufwarten und tranken zu gleichen, vollen und halben, obwohl der Wormser Reichstag zwei Jahre vorher die Sitte des Zutrinkens verboten hatte. Und sie wurden bald voller.

      Zunächst erwärmten sie über dem Weidwerk, da einer behauptet hatte, daß man den Falken nach alter deutscher Weise besser blende, als mit der Haube. Durchs untere Lid sei ein Faden zu ziehen und daran das Lid aufzubinden. Die meisten verlachten die veraltete Ansicht und traten polternd für die Blendkappe ein. Und das Gespräch sprang bald auf die Politik ab. Maximilian, seine ritterlichen Eigenschaften in Ehren, war Gegenstand ihres derben Gespöttes. Unverrichteter Dinge kam er aus Burgund. Er hatte kein Geld mehr, also auch kein Heer. Wie wollte er seinen ewigen Landfrieden stützen. Auch sein Reichskammergericht war aus dem Leim gegangen, da man weder Richter noch Commissarien zahlen konnte. Auf dem Lindauer Tag hatten die Stände alle Hilfe rundweg ausgeschlagen, und der Kaiser war mit leerem Säckel zornig abgereist, ohne den Abschied zu erwarten. Kein Ritter wird unter Reichsgericht und -Steuer gezwungen werden, geschweige besserer Adel. Darauf konnte man ruhig trinken.

      Der Legat spitzte unvermerkt die Ohren, als sei ihm das Deutsch verständlich, das über Maximilian herging. Er hatte seinen Kreis mit dem Hofleben des Papstes leicht unterhalten, obwohl er die verfänglichsten Vergnügungen des Heiligen Vaters verschwieg. Und er fand Anerkennung, als er, nicht ungewandt, eine verhältnismäßig harmlose Kurzweil Alexanders IV. beschrieb: in einem Hofe des apostolischen Palastes rossige Stuten von turkmenischen Hengsten beschälen zu lassen. Nach den rossigen Stuten fiel das Gespräch auf die Weiber. Man ließ durchblicken, daß die Cursetta allgemein beachtet werde. Der Legat lobte das Frauenzimmer, wie man einen gutgezogenen Jagdhund preist. Etliche äußerten Zweifel, um die Eitelkeit des Legaten aufzustacheln, und er meinte lächelnd, daß er ihre Neugier befriedigen würde, wenn er nicht auf barbarischem Boden stünde, wo man kaum sicher sei, daß nicht jeder Genuß in Bestialität ausarte. Er würde die Cursetta nackt auf einem Tische tanzen lassen. Man spöttelte, aber der Legat blieb kühl und erzählte die Affäre seiner Geliebten, um zu beweisen, daß er nicht vor ein paar hundert Augen zu verstecken brauche, was ganz Rom gesehen und bewundert hatte.

      Die deutschen Herren hatten den Gesprächsstoff der Italiener erwittert und wieherten bald mit geblähten Nüstern und wässerigen Äuglein. Auch in den beiden Nebensälen waren sie über die Notbrücke der Politik in das Sumpfland geraten. Die Zote goß ihren Spülichtkübel über die Tische der Abtei.

      Eines einzigen jungen Mönches Schamröte blühte fremd unter den erhitzten Köpfen, und nur der feiste Bruder Clemens von Augsburg achtete der Qual des jungen Mannes, der nach Mut zur Flucht rang. Der gespaltene Schweinsrüssel ober den Wulstlippen des Augsburgers zuckte vor Vergnügen, wenn er merkte, daß der junge Bruder heimlich erbebte und einen scheuen Blick über die Runde huschen ließ.

      Als dieser Bruder begann, erblaßte der junge Mönch, denn die Worte züngelten über den Tisch, als seien sie nur an ihn gerichtet. Bruder Clemens erzählte, aller Ohren nahmen durstig ein:

      „Eins Becken Marxen Walters Fraue ist im Kindbett gelegen. Er war sunst Gaismaier genennt, in St. Jergen Pfarr. Der hat dieselbig Zeit umb seine Magd in dem Haus gebullet, daß sie seins Willens war und sich hälsen ließ. Die wollt sein Willen nit tun und sagt es der Frauen. Die Frau beredt die Magd, daß sie ihn sollt auf die Nacht an ihr Bett bstellen, und daß er nit ein Wort saget und still wär. Das tät die Magd. Also leget sich die Frau an der Magd Statt in der Magd Bett. Da kam der Beck, tat ihr so übel nit und flüsterte: ,Wann mein Weib also freundlich wär als du, das wollt ich gern.“ Tat ihr demnach Bescheid, daß sie still bleib, er wollet bald wiederkehren. Auf sollichs ging der Beck zu seinem Knecht und spricht: ,O Lieber, gang hin, die Magd möcht gern ein Liebs von dir, ich trauet mich nit, sie sag es mein’ Weib? Sollichs saget er, dann er forcht ein Kind. Und hoffet, so geb sie das Kind mit Glimpfen dem Knecht. Also ging der Knecht hin zu seiner Frauen und meinet auch, es wär die Magd. Zu Morgen saß der Beck, sein Knecht und die Magd bei einander in der Stuben und aßen ein Suppen. So trat die Frau in die Stuben und spricht: ,Mein Mann, du issest billiger ein gut Ei im Schmalz und etwan zween, dann ich hatt das zu dir nit versehen, daß du in einer Nacht bist also zu zweien Malen freudig. Warumb han ich mich nit langost in der Magd Bett gelegt! Du bist je länger, je freudiger.' Da ward der Beck verstan und gab dem Knecht und der Magd Urlaub und weigeret ihren Lohn. Da verklagten sie den Becken vor dem Bürgermeister, und der Beck ward beschickt. Also ist dieser Handel offen worden. Doch ward der Knecht auf dem Rathaus für dem Meister gelobt von der Frauen.“

      In das Gelächter, Glucksen und brodelnde Behagen klangen die letzten Glocken. Und keiner hörte die Stunde als der junge Mönch. Ihm kam das Ave wie ein Freundesruf, der einen wüsten Traum zerwirft. Es gab ihm Mut, daß er aufstand und vorgebückt aus dem Saale lief, als müsse er hinter schützendem Buschwerk dem Feinde entfliehen. Seine Hände lagen zitternd auf dem Herzen, er flüsterte:

      „Heilig Jungfrou, sije bedankt, daß du mich host erlöst!“

      Im Hofe des Klosters war alles still. Ein Wächter stand unter der Seitenpforte der Basilika und gab dem Mönche den Weg in das Kirchenschiff frei.

      Der junge Mann sog die schwere Luft gierig ein. Der hohe Raum war von rotem Lichte erfüllt, und Schritte der beiden bewaffneten Ordner, die das Feuer der Opferstände zu hüten hatten, schauerten durch die Stille.

      Er hastete nach dem Hochchor und warf sich auf die Stufen des Altars. Die Gebete der Completzeit fielen ihm von den Lippen, ohne daß er ihren Inhalt merkte. Er krümmte sich noch unter der Gewissensmarter der letzten Stunden. Und dann wußte er, daß die Gebete gesprochen waren. Sein Herz war gelöst, er konnte es entladen.

      „Herr! Complete Zit! Tu uf die Pforten des Abgrunds und loß sie schlücken, daß sich die Höllen mäst, dann siehe, das Wild ist feist!

      Complete Zit, Herr Gott! Wir sänd all gel vom Brand der Weltsunn als die Frucht des Felds! Schick üns: der niederschneidet und verbrinnt, dann alls ist toub und vom Unkrout ersticket!

      Wo ist din Stein, Herr, wie ein Mühlstein in der Hand dins stärkisten Engels, daß er die groß Hur zermalmet: Wehe, es ist der Drach los! Alls brinnt vor Sünden!

      Warumb gibest du kein Schwert mir in das Moul, daß es die Heiden schlüg! Warumb so bin ich ein siden Fähnli in dem Wind ihres Speiwerks und ihrer Wollust und bin kein Fels nit, darab sie zerspitteren!

      Du hast mir das Wort inton, das süeß schmecket, do ichs uf der Zungen spür, süeß und ein Füer, als die Rache des Gewissens. Aber do ich es verschlungen, krimmet es

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