Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer страница 29

Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

Скачать книгу

Entschlüsse war sein Unfrieden nicht behoben. Er konnte nicht finden, was ihn bedrängte.

      Die Kleine war verschwunden. Er suchte sie nicht. Es war gut, daß sie fortblieb. Die Leute hatten übel gelacht, die Frau im Böcklistande hatte ihn angefahren. Sollte die Kleine kein Böckli haben? Ihr war hart genug geschehen.

      Theophrast ging langsam dem Pilgerspital zu. Er war bedrückt wie jeweils, wenn er nach Hause schlich, da er den Änderle heimlich im Walde getroffen hatte, obwohl ihm der Änderle verboten war.

      Und er mußte an die kleine Seiltänzerin denken. Nur daß er immer weniger ihrer Hiebe und Not gedachte, sondern sie mit fliegendem Röcklein und wippendem Haar über das Seil springen sah. Wenn er die Kunst auch könnte! Ihm kam ein Lächeln der Freude über die Lippen, er erinnerte sich des zierlichen Dankes, da sie ihr Böcklein erhalten hatte und das seine dazu. Aber dann waren die Großen dazwischen gekommen. Durfte er nichts schenken? Durfte das Mägdlein nichts von ihm … das wars vielleicht. Nur für die Großen sollte sie freundlich sein.

      Wenn er sie suchte, sie riefe und fragte, warum die Großen an ihr böse und häßlich würden? Es überkam ihn bei diesem Gedanken quälend, wie er es noch nie gefühlt hatte … nein, wie er vorhin erst gefühlt hatte, als die Großen lachten und er sein Gesicht verstecken mußte. Das war eine andere Angst, die nicht auf Prügel, zornige Worte und Mienen hinauslief, sondern ihn am eigenen Herzen verzagen ließ. Er wußte schließlich nur, daß er davongelaufen wäre, wenn er die kleine Tänzerin gesehen hätte.

      Wohl ahnte er nur das frühe Aufdämmern, das sein Wesen durchschauerte, da ihn zum erstenmal Scham besiegte. Er legte endlich das beklemmende Gefühl und seine halben Gewißheiten auf die erträglichste Weise zurecht, indem er meinte, es sei sehr dumm, zwei schöne Böckli herzugeben, und die Großen seien über seine Torheit aufgebracht und belustigt gewesen. Eine Last fiel ihm vom Herzen, als er diesen Schluß gefunden hatte. Je mehr Reue er über die vergeudeten Leckerbissen empfand, desto weiter verlor sich das Grinsen und Augenzwinkern der Großen, das ihn beschämt hatte.

      Sein Herz blieb unbefleckt, wenngleich eine heimliche Not in ihm nachzitterte. Es trieb ihn über die vielen Treppen des Pilgerspitals in die Kammer seiner Eltern hinauf, ohne daß er die Mutter suchte. Er holte seinen sorgsam geborgenen Kram aus dem Versteck und breitete ihn vor sich hin.

      Da lagen die Knöpfe und Nägel, das Seidentüchlein und das blaue Band, der Ballen Hanf und der Strick – seine ganze Fürsorge lag vor ihm, und aus den vielen wertvollen Dingen sollte nun etwas entstehen, das ihn als kunstreichen Mann erwies und eine Torheit wohl aufwiegen konnte.

      Jeder Knopf hatte ein Öhr, auch die Schelle, die er im Brotsack trug. Er holte die Schelle heraus. Der Strick war zu dick für die Öhre. Da half der Hanf. Er zog etliche Fasern aus dem Ballen und drehte Fäden, wie es Mutter und Großmutter an Winterabenden machten, wenn die Spindel über das Estrich tanzte. Das gelang zwar nicht so schön, und die Fäden wurden reichlich naß, aber sie schlüpften durch die Öhre, und er konnte die Schelle an sein blaues Band binden, zu beiden Seiten der Schelle aber je zwei Knöpfe. Er legte das Band über seinen Bauch, so daß die Schelle schön in der Mitte hing, und hatte einen stattlichen Gürtel.

      Wenn die kleine Tänzerin den Gürtel trüge, wie würde die Schelle klirren, wie möchten die gelben Knöpfe blitzen! Er lehnte sich an die Wand zurück. Über ihn hauchte der Abend kühl durch das Fenster in die heiße Kammer hinein.

      Wenn er auf dem Seile so springen könnte? Und höher noch müßte ers! Daß sie ihm staunend zusähe. Er würde dann hoch herab auf den schwarzen Kopf des Meisters springen, daß der Laur hinfällt und weint vor Kopfweh und ihn bittet, nie wieder so hart mit ihm zu sein. Dann zieht er ihm die Gerte aus dem Stiefelschaft, zerbricht sie und wirft sie weit über die Leinwand fort. Er führt die kleine Tänzerin zu dem Böcklistand und kauft für sie – soviel er will! Und wer sein Maul zu Schimpf verzieht, der bekommt eins drüber mit dem Schwert! So …

      Theophrast war aufgesprungen, hatte sein Schwert ergriffen und hieb auf die Kissen des Bettes ein.

      Als er an seiner Rache müde geworden war, hob er das Band mit der Schelle und den Knöpfen auf, besah es fast verächtlich und warf es in einen Winkel. Ihm nach flog alle andere Fürsorge, mit der er sich vom Ochsnerhaus hergeschleppt hatte.

      Es war dunkel geworden. Er fühlte Hunger und wollte nun die Mutter suchen.

      Während er, auf den Zehen stehend, den Holzriegel hob, begannen alle Glocken zu läuten. Er hielt eine Weile an und lauschte.

      In das schlagende Dröhnen und summende Singen des vollen Geläutes schmetterten die Posaunen und Trompeten ihren reschen, trotzigen Laut. Den Schwall durchbrach aus dem groben Geschütz, das vor der Abtei aufgefahren war, der erste Schlag, ein Zeichen für die Feuerwerker und Böllermeister auf den Höhen rings.

      Theophrast jauchzte. Er hatte den Riegel zurückgeworfen und strebte, so eilig es in der Finsternis ging, über die Stiegen hinunter.

      Sie läuteten, bliesen und bollerten das Fest der großen Engelweihe ein. Während das Knäblein Theophrast über die finsteren Stiegen und Gänge des Pilgerspitals zu den Menschen tastete, umdrangen ihn die rufenden Stimmen, als seien Tore gesprengt, als stehe eine neue Welt offen.

      Er hatte aus erster dunkler Wirrsal des Herzens den Weg gefunden, tastend noch durch finstere Gänge und über knarrende Treppen, eingeschüchtert von dem Unsichtbaren, aber umwallt von rufenden Stimmen.

      Quellenlaut und Sumpfnebel

      In weitem, dichtem Kranz standen viel Tausend am andern Tag rings um die Klostermauern. Sie hatten geruht, sich gütlich getan und brauchten nicht ans Weiterkommen zu denken. Sie waren begierig, den hohen Klerus, Vornehme und Reiche, die von Roß und Sänfte herbeigeschleppt waren, demütig hinter dem Kreuze ziehen zu sehen. Als das Geläute anhob und aus den offenen Toren der Kirche heller Jubelton drang, schmolzen die dunklen Mäntel, die staubgrauen, breiten Hüte in eine dichte Masse zusammen, aus der Tausende schaulustiger Augen blitzten.

      Ein schweres Goldkreuz leitete die Prozession, ihm nach drangen die Kreuze und Fahnen der Pilger. Fremde Priester trugen den Schatz der Heiligtümer und Weihgeräte, die funkelnd nach jahrelangem Kirchendämmern das Sonnenlicht an den gediegenen Spitzen und Zacken und in den zahllosen Edelsteinen fingen und wieder aussprühten. Den Zug der Priester beschloß Herr Diebold. Dann führte eine Schar von singenden Schülern den Fürstabt und den Protonotar. Herr Konrad von Rackeiberg im Pontifikalschmucke, Onofrio de Nartia im prunkenden Kirchengewand. Seine Dalmatika aus gelber Seide mit Musterung von grünem Samt trug goldgestickte, perlbesetzte Bandstreifen, sie wurde von Kennern laut bestaunt. Beide schritten nebeneinander, ihnen zur Seite die Assistenten.

      Nach einem Abstande, der von zwanzig Schwyzern im Harnisch, mit geschulterter Hellebarde gehalten wurde, folgte der sonderbare Zug, auf den die Neugier des Volkes am meisten brannte.

      Noch in später Stunde des Vorabends war die Nachricht von Mund zu Mund gegangen, daß sechzig Geißler aus der Kurpfalz eingetroffen wären. Dort wütete schon ein Jahr lang die Pest. Die Geißler nächtigten in einem Klosterschupfen. Ihr Meister hatte verkünden lassen, daß keiner mit einer Weibsperson sprechen dürfe, weshalb das Frauenzimmer ihnen fern zu bleiben habe. Sie würden eine Statt wählen. Am morgenden Tag, der ihnen einzig für den Gnadenort gewährt sei, würden sie während der Prozession und gegen den Abend hin auf der Geißelstatt die Buße vollziehen. In der Prozession sollten sie von den vornehmsten Wallfahrern begleitet sein.

      Sie gingen nicht gleichmäßigen Schrittes wie die übrigen. Die einen trippelten, andre langten weit aus und bogen die Knie, als läge eine schwere Last auf ihnen, etliche wankten todmüde, und es gab einige, die

Скачать книгу