Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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der Mutter und ihre Fragen, die stets bewegter geklungen hatten, eingeschüchtert war.

      So fand sie beide Herr Wilhelm. Die Frau berichtete mit verhaltener Stimme und bedeutsamen Blicken das Erlebnis Theophrasts.

      und er hat uf die Engel gewart’t.“

      Das Kind sah zu seinem Vater auf, als müsse ihm eine Erklärung für das Gemunkel der Mutter werden. Herr Wilhelm erkannte den Blick. Er schüttelte langsam den Kopf und redete zu dem Knaben.

      „Wer derselb gewest sie, des sollt ihr euch nit bekümmeren, wollend hoffen, er seie ein gueter Gesell gewest. Aber du mußt bedacht sin und wohl versehen. So dir all Ding ze Zeichen und Wundern werdind, möchtist ein schweren Stand uf der Welt han.“

      Theophrast verstand den Vater nicht. Er war noch in den Jahren, da ein Kind den unmittelbaren Lauten der Mutter folgt. Aber die ruhigen Worte ließen ihn doch vergessen, daß es aus den Fragen der Mutter wundersam gebebt hatte.

      Wilhelm Bombast fügte hinzu:

      „Du sollt mich gen Abend zu denen Geißlern begleiten, die kunnten meiner begehrn, dann sie liegend unter ohnmenschlich harter Regul. Und solltu mir den Eimer nachtragen. Ufdaß du nit allso allein streifest.“

      Er sagte es mit besorgtem Blick auf sein Weib, das kaum die Bürde des Spitalwesens aushielt; wie mochte sie noch des eigenwilligen Knaben warten!

      Und er seufzte leise. Ihm ward mehr und mehr die Freude auf seines Lebens Feierabend entrissen.

      Herr Wilhelm hatte die Jahre her ein kleines Häuflein Geld zusammengetragen. Er durfte die schmalen Tage seiner landfahrenden Zeit vergessen. Aber soweit reichte der Pfennig nicht, daß er die Frau und den Knaben hätte von den Mönchen freikaufen können. Obwohl er, ein freier Mann und von Adel, ein Weib ehelichte, dessen Familie ein Wappen führte, war seine Nachkommenschaft dem Kloster fällig. Die Mutter blieb hörig, das Kind folgte nach altem Rechte der böseren Hand.

      Und er mußte Zusehen, wie das Weib, von Haus und Dienst bedrängt, vor der Zeit verblühte. Aber er hatte ja viel zu schaffen und scheute die rauhen Wege nicht. Man litt ihn wohl. Doch man litt ihn, und auch das bedrängte zuweilen den verschlossenen Mut.

      Wenn das Schwabenjörgeli unter ihm durch den hohen Tann zur Teufelsbruck niederzottelte und er die Börse am Gürtel um etliche Plappart härter fühlte, wars ihm, als sei wieder ein Schritt in die Weite gewonnen. Er träumte, daß er vermittels eines runden Sümmchens an einem fernen Ort zu Brot und Haus gelangen werde, wo man sein Weib nicht aufbieten könne, und alle einen Frieden hätten.

      Dann sollte sein Ehstand neu erblühen, wenn die Eis Ochsnerin nicht mehr auf Heimatboden stand, der ihre Kraft aussog. Er wußte wohl, daß sie zäh am Ochsnerhaus hing, aber er kannte auch ihre Treue und Liebe zu ihm. Sie würde ihnen beiden nachfolgen und, wenn etliche bittere Zeit verstrichen wäre, die Wohltat erfühlen, ihres eigenen Hauses Herrin zu sein und eine Muße zu gewinnen. Herr Wilhelm träumte, daß die rauhen Hände der Eis weich und zart sein könnten, daß sich die müden Furchen ihres Gesichtes glätten und ihre Wangen rosenrot erblühen würden. Doch sprach er nie zu ihr von diesen heimlichen Wünschen. Sie hätte ihn kaum verstanden.

      Er kannte die Haushalte ringsum. Überall welkten die Weiber in jungen Jahren unter ihrer Last. Die Männer, wenn sie länger im Überschuß der Kräfte standen, griffen nach den Mägden, und es gab wenig wohlbestellte Höfe, darin mit der Kinderschar nicht auch etliche Kegel aufwuchsen. Der Bombast von Hohenheim, wiewohl er einer Sehnsucht nach Seßhaftigkeit bedachtsam gefolgt war, hatte die Ochsnerin nicht nur der Heimstatt wegen gefreit. Da er die Heimstatt besaß, begehrte er in der Ehefrau das Weib, das ihm mit zarter Schönheit und süßem Rausch die reifenden Jahre bekränze. Er war kein Bauer, der nimmt, was ihm in die Hände fällt, und nach gesättigtem Triebe der Bodenkrume und dem Viehstand lebt. Sein Blut war alt und gar, sein Geist rege. Während er die stöhnende Not seiner Kranken beriet und heilte, Salben und Tränke bereitete, wollte er die Gewißheit einer schönen, beglückenden Stunde haben.

      Diese Labsal hatte er nicht. Also begann die Unrast seiner früheren Jahre wieder das lockende Spiel von der seligen Ferne vor ihm. Und er wußte zuweilen nicht, was ihn mehr forttrieb: die Sehnsucht, sein Weib zu pflegen, auf daß er in ihm sein Leben genösse, oder das Neue zu gewinnen und eine gastlichere Erde unter den Füßen zu fühlen, die nicht nur tragen wollte, was auf ihr laufen gelernt hatte.

      Im Stillen hoffte Herr Wilhelm von der nächsten Zeit: der schwäbische Bund war eine gute Waffe in der Hand Maximilians, und die Hand erhob sich drohend gegen die Eidgenossenschaft. Man wird ihm sein Schwabenblut verargen. Auch Eis wird es fühlen müssen. Und so wird er einen gerechten Grund finden, die neue Weite zu gewinnen.

      Noch vor der Engelweihprozession war Wilhelm Bombast ans Lager eines jungen Menschen aus der Geißlerschar gerufen worden. Der wurde hart vom Fieber geritten und stammelte wirre Gebete. Wenn ihn der Husten befiel, warf er eine Handvoll Blut aus. Er hatte dennoch kaum gehalten werden können, als die Glocken zum Kreuzgang anhoben. Sie mußten ihm hoch geloben, er werde des Nachmittags an der Geißelung nicht gehindert sein, und sie meinten, er wäre bis dahin so entkräftet, daß ihm ein Aufstehen wohl verginge.

      Die Geißler hatten ihre Fahne neben eine Kanzel auf dem Brühl gepflanzt. Sie durften nur einen Tag verweilen. In dreiunddreißig und einem halben Tage, soviel als der Herr Jahre auf Erden gelitten, mußte die Betfahrt beschlossen sein. Auch sollte das Volk nicht Gelegenheit finden, sich irgendwo allzu lange an einem Bußwerke zu entflammen, das die Hut der Kirche leicht durchbrechen konnte.

      Theophrast trug dem Vater ein kupfernes Eimerchen nach, das am Frauenbrunnen gefüllt worden war. Die Leute ließen sie willig in den Ring treten. Die meisten knieten auf dem Rasen und beteten den Rosenkranz. Etliche Priester gingen durch die Menge und redeten den Leuten, zu. Man hütete die berauschenden Kräfte des rinnenden Blutes. Heimliche Geißelungwurde seit einem Menschenalter als Ketzerei unterdrückt; etliche Geißelbrüder waren schon verbrannt worden. Nur selten gewährte ein Bischof die blutige Betfahrt und nur dann, wenn sie ein Ziel hatte, wo die schwärmerischen Wellen in das erwünschte Strombett geleitet werden konnten. Aber die knienden, betenden Menschen erwarteten das Schauspiel der Geißelung doch wie ein Sakrament.

      Sie zogen paarweise aus dem Mauertor neben der Abtei. Auf ihren Mänteln brannte das rote Kreuz. In ihren gefalteten Händen trugen sie den dreigeschwänzten Marterriemen. Ihre Stimmen klangen mißtönig, heiser und zäh. Eine stumpfe Glut lag in den Augen, wenn sie die Lider hoben und ins Grenzenlose sahen. Sie sangen den alten Leis aus der Zeit des schwarzen Todes:

      „Nu ist die Betefahrt so guot,

      Hilf uns, Herre, durch din heiligs Bluot,

      Das du an dem Krüze vergossen host,

      Und uns in dem Elende glassen host.

      Nu ist die Straße allso breit,

      Die uns zu Unser lieben Frouen treit In unser lieben Frouen Land,

      Nu helfe uns der Heiland …“

      So kamen sie näher und schritten endlich um die Geißelstatt. Nach den letzten Worten:

      „Und bitten den viel heiligen Christ,

      Der aller Welt gewaltig ist“,

      blieben sie stehen, kehrten sich der Mitte des Kreises zu, warfen die Mäntel ab, entblößten die geschundenen Rücken; alles in langsamen, fast leblosen Bewegungen.

      Ein Seufzen schlich durch die kniende Menge. Das Geflüster

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