Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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steile Wegstück unter die Füße nehmen und konnte überdies barhaupt hinter dem Himmel dreinschleppen. Es gelang ihm nur den Degen abzuschnallen. Herr Diebold winkte die Kapläne, Evangelier und Epistier dicht um den Legaten her, der sich trotz aller Sonnenglut fest ins Pluviale wickelte. Die Meßschellen übertönten sein Sporenklirren. Er preßte die Lippen zornbebend gegen die gefalteten Hände und machte durchaus den Eindruck eines gottesfürchtigen Mannes.

      Die Pilger drängten mit Kreuz und Fahne Zug um Zug nach. Sie hatten das Mißgeschick des Legaten nicht gesehen. Nur die Letzten konnten bemerken, daß aus dem Gefolgswagen zwei Frauenzimmer sprangen, die geschäftig an eine Sänfte traten und in ihrer lauten, schnellen Sprache auf eine Person einredeten, deren silbernes Gelächter durch alle Schleier drang. Das Gefolge hatte den Befehl erhalten zu warten. Auch etliche Pilger der letzten Schar schienen an dem Segen des päpstlichen Gesandten vorläufig genugsam erquickt. Sie beschlossen, aus dem Zug zu treten und im Schatten, abseits der Straße, zu lagern.

      Dort säumten sie nicht lange ungesättigt. Kaum hatte sich der Staub gelegt, entschlüpfte der Sänfte eine Dame, die in ein weitfaltiges Gewand von dunkelblauer Seide gehüllt war. Ihr wurde ein roter Hut aufgesetzt, dessen Krämpe tief über den Nacken fiel. Sie sprach und lachte ungebührlich laut. Sie deutete lebhaft auf den Zug und dann zum Waldesrand hinüber. Zwei Diener schleppten einen Teppich in den Schatten, und Frauenzimmer folgten mit Körben.

      Die bewegliche Dame warf sich auf den Teppich, und ihr bauschiges Gewand umfloß sie weit. Sie schleuderte den Hut in den Rasen, tastete über ihr blauschwarzes Haar, das sie mit kostbaren Bändern aufgebunden trug. Man richtete ihr aus den Körben an. Den ergötzten Pilgern, die unweit saßen und kaum zu reden wagten, lief das Wasser im Munde zusammen. Und wie sie schwatzte und lachte, den Dienern und Mägden etliche Bissen zuwarf, sich endlich auf den Rücken wälzte, die Arme hinter dem Kopf gekreuzt und die Beine keck überschlagen, während der lange Schnabel eines roten Schuhs aus den weichen Seidenwellen hervor in der Luft wippte – wußten die frommen Lauscher, daß die beschwerliche Reise des Gesandten nicht ohne Ergötzlichkeit überstanden war. Ein Tuchhändler hockte unter ihnen, er flüsterte eine Summe, die nur das Gewand der Dame betraf, aber manchen erschauern ließ.

      Die Dame hieß Cursetta. Sie wäre im Frühling beinahe an der Tiberbrücke gehenkt worden. Ihr Geliebter, ein Maure, hatte öffentlich Frauenkleider getragen und sich den Namen Barbara beigelegt. Da die Cursetta des geschmeidigen Leibes und der Wildheit wegen zu den bekannteren Kurtisanen gehörte, fand man selbst in Rom das Verhältnis ärgerlich. Sie wurden beide eingezogen und zu einem Bußgang verurteilt, der die ganze Stadt auf die Straße lockte. Die Cursetta trug ein schwarzes Samtkleid, das ungegürtet von oben bis unten aufgeschlitzt war, und ihr Geliebter ging in Frauenkleidern neben ihr, doch hatte man ihm die Kittel bis unter die Brust aufgewunden. Der Protonotar begegnete dem johlenden Zug auf dem Parioneplatz, als er vom apostolischen Palaste nach dem Hause Massimi, dem Palais des Kardinals Carafa, ritt. Die Cursetta, vom Geschrei und den beizenden Worten der Frauen nicht weniger als von den gierigen Blicken der Männer gereizt, ließ die schwarzen Samtflügel flattern und zeigte, daß ihre Glieder des Aufsehens wert seien. Der Protonotar schätzte sie.

      Man gab die Cursetta frei, den Mauren wollte man auf dem Campo dei Fiori verbrennen, doch verkohlten nur die Schenkel, da ein Platzregen den Scheiterhaufen löschte.

      Immerhin regte die Cursetta die Wallfahrer zu allerlei erbaulichen Vermutungen an. Sie lockte über die flüsternden Lippen Histörchen und Vergleiche, die viel Verständnis entgegenbrachten. Doch dabei wurden die Pilger allmählich der belebenden Entdeckung Herr. Die Taubheit ihrer wegmüden Glieder begann sie an die Genossen zu mahnen. Sie erhoben sich ächzend und zogen steifbeinig in ihren dunklen Mänteln, unter den breitkrämpigen Hüten, gestützt auf die langen Pilgerstäbe, an der Cursetta vorüber zur Straße. Und wallten schweigend dem Orte des Heils zu, von woher die letzten Schallwellen der Hauptglocken drangen.

      Der Legat betrat die Kirche. Er hatte von den Stufen aus, zwischen Fürstabt und Prior stehend, den Segen gegeben, und alles Volk lag tief gekrümmt auf den Knien. Er schritt in der Basilika durch die Menge der Kleriker, die, erstaunt über seine unerhörte Gewandung, aber gedemütigt durch seinen fast drohenden Blick, vor der Geste des Segens ehrfurchtsvoll zurückwich, den er auch hier mit hocherhobenen beiden Armen gab. Er sank am Gnadenaltar langsam in die Knie, ohne die erhobenen Hände zu senken. Erst als er mit geschlossenen Augen und unter murmelnden Lippen der Madonna sein unsichtbares Opfer eine Zeitlang dargereicht zu haben schien, küßte er den Altar und lag tief gebeugt in einem endlosen Gebete. Seine Andacht hielt die Kleriker im Zaum, man wagte kaum zu flüstern.

      Als er sich dann erhob, war sein Gesicht eigentümlich verklärt. Er folgte unaufhörlich flüsternd dem Fürstabt und Prior, die das Allerheiligste zum Hauptaltare trugen. Und da es geborgen war, verkündigte er mit wohlklingender Stimme den besonderen Segen des Heiligen Vaters und den besonderen Ablaß, der in Rom nach schwerer Mühe und mit gutem Golde ausgewirkt worden war. Der Ablaß betraf Ehebruch mit geistlichen und weltlichen Personen. Der Protonotar ermahnte die Beichtväter und Prediger, jene Gläubigen, die von andern ungebüßten Todsünden beschwert seien, auf das Jubeljahr aller Christenheit zu vertrösten und sie nach Rom zu lenken, wo ihrer ein umfassender Ablaß harre.

      Er schloß sein Latein: „Ihr wisset alle, ich komme gleichwohl nicht mit leeren Händen in dieses unserer geliebten Mutter Kirche keineswegs ungefährliche Land deutscher Nation. Der heilige Vater kennt jene ungewissen Strömungen halber und ganzer Häresie, die mit Gottes und der heiligen Jungfrau Beistand von unserem Eifer niedergehalten werden, so daß sie niemals an die Oberfläche zu gelangen vermöchten. Darum begleitet mich der besondere Segen des Vaters aller Christenheit für euch, ihr Hirten und Kämpfer, an Christi Statt gespendet. Und auch das nicht geringe Gnadengeschenk aus dem Schatze der Kirche zur Tilgung der heimlichsten Sünden unseres Fleisches begleitet mich. Waltet eures apostolischen Berufes nach Kräften!“

      Er sprach mit ausgezeichnetem Vortrag und jener schwebenden Weisheit in der Stimme. Man vergaß seine Stiefel und Sporen; alle fühlten sich merkwürdig geeint und gestützt. Konrad von Rackeiberg würgte heimlich an einer Beklemmung, denn er wußte, daß bei dem Empfange irgend etwas verfehlt worden sei. Vor der Rede war der Fürstabt sicher gewesen, da er dem Legaten an Würde gleichstand.

      Er lud nun in seinem zweifelhaften Latein den Protonotar zum Imbiß, allein dieser nickte unentschieden, als habe er nicht verstanden, und winkte seinem Kleriker, dem er italienisch etliche Aufträge für das Gefolge zuflüsterte. Dann lächelte er dem Fürstabt zu und erkundigte sich liebenswürdig nach dem, was man ihm mitteilen wolle. Konrad von Rackelberg wurde rot und stammelte neuerdings seine Einladung, während man dem Seitentor der Kirche zuschritt. Der Legat fragte, was da eigentlich genossen werden solle. Der Fürstabt wechselte die Farbe vor Zorn. Es entfuhr ihm: „Kotz Bocksbluet! Du bist unter dütschen Edellüten, was die eintuend, möcht dir als ouch nit din wallisch Ingeweid verkrümben!“

      Der Protonotar lächelte und antwortete, daß er wohl nicht deutsch verstünde, aber hoffe, die Speisen, die seiner warteten, mögen weicher gekocht sein, als ihre Namen klängen.

      Theophrast fand zur Mittagszeit wohlbehalten ins Pilgerspital zurück, und die Mutter teilte ihm Suppe und Brot zu, doch geschah es mit einer Hast, die das Kind verdroß. Er hatte so viel Fremdes gesehen, daß er nach beruhigenden Zeichen verlangte. Er wußte kaum, was alles ihn erstaunte; ebensowenig wie die Großen, wenn sie dem Unerhörten gegenüberstehen und der Welle hingegeben, die sie trägt, schreien, ohne zu wissen, was sie schreien, opfern, ohne zu wissen, wem sie opfern. Aber er hatte noch seine Hilfen, die ihm ein Erlebnis maßen: an den verwunderten oder gleichgültigen Mienen der Großen schlichtete er das Fremde. Waren die Mienen gleichgültig, so wußte er, daß er das Befremdende durchdringen müsse, um auch groß zu sein. Bestaunten die Großen ein Ereignis, so vergaß er es bald, denn es gehörte auch ihnen nicht, und er wollte nur das, aber all das, was den Großen zukam.

      Die Küche war heiß, obwohl die Fensterläden offen standen. Pilger,

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