Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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      So wußte Theophrast, wie weit es eigentlich nach Einsiedeln sei, wenn einer nicht reiten noch fahren konnte, darum auch wollte er sich und die Seinen für alle Fälle versehen. Es wurde der Brotsack voller und die Sorge des Theophrast leichter.

      Zwei Nägel und vier Knöpfe lagen zu unterst im Sack. Ein Ballen Hanf, weil nur ein kurzer Strick aufzutreiben war. Ein Stück Tuch, wenn Hose oder Ärmel ein Loch bekämen. Ein Strumpf, zu dem der Zwilling fehlte. Eine Glasscherbe, mit der man Aufgeharschtes von Tisch und Bank kratzen konnte, daß die Mutter beim Scheuern eine Erleichterung fände. Eine Schelle, mit der er läuten wollte, wenn er die Mutter im Gedränge verlor. Der Plappart, den ihm der Götti zu hl. drei König geschenkt hatte, um Schafbock beim Lebzelter, Lichter für die Gnadenmutter, wächserne Arme und Beine, vielleicht auch einen jungen Maulesel für den Vater zu kaufen, denn das Schwabenjörgeli war schon alt. Aber auch für alle Fälle ein tüchtiger Keil Brot und ein Stück Käse: es konnte etwa alles Brot in Einsiedeln ausgehen, dann wollte er mit dem seinen der Mutter und dem Vater beistehen und sich recht als einen vorsichtigen Mann erweisen. Er hatte die Nahrung für diesen Zweck längst beiseite gebracht. Überdies führten auch die Pilgeri Brot und Käse in ihren Säcken mit. Dazu kamen noch fünf Nüsse, ein blaues Band, so lang, daß es zweimal um seinen Bauch ging, ein Bogen Druckwerk aus irgendwelchem Buche, den hatte Theophrast unter einem der Gasttische gefunden, und wer weiß, was für wichtige Dinge darauf standen. Dann noch ein Stück Kette, das einen Übeltäter fesseln konnte, wenn einer sich an Vater oder Mutter vergriff. Die Läufe waren ungetreu. Etliche Hutzelbirnen. Und jenes bunte Seidentüchlein, das ihm von der Mutter nach langem Für und Wider geschenkt worden war, als der Vater ihr zwei schöne, neue aus Zürich mitgebracht hatte.

      Mit dem Brotsack schleppte sich Theophrast seit frühem Morgen und fuhr alle Winkel aus, um nichts zu vergessen, was den Seinen von unberechenbarem Nutzen sein konnte. Ein leises Fieber befiehl ihn, als er endlich das Schwabenjörgeli an der Krippe vor der Tür fand und wußte, daß der Vater von Willerzell zurück sei. Sie mußten fort. Er brauchte nur noch sein Schwert umzubinden.

      Das Schwert lag im Gadem unter der Ofenbank. Der Marx hatte es aus Eschenholz geschnitzt. Die Schneide war mit Eichengalle schwarz gefärbt, Griff und Bügel mit Zwiebelschale goldbraun. Das Schwert schnitt den dicksten Schierling glatt durch.

      Im Gadem saßen Vater und Mutter. Die Mutter lehnte an des Vaters Schulter und hielt die Augen geschlossen. Aber der Vater sah unwillig drein. Theophrast hörte noch:

      „… ist Ohnrecht an uns, bist ausgeronnen, und du bist min und des Buben, sunst niemands.“

      „Ist dannocht min Hoimat, Bombast, und ich müesset vergohn“, flüsterte Eis.

      „Sie händ es nit vergessen; ich bleib der Schwöb, und steh ich gleich im Einsiedeler Dienst. Nu flackerts am Bodensee und Rhein, sie sänd von Tag zu Tag mehr in den alten Zorn verbissen. Balde so brennend sie – und blüetend. Dann wird min Heimat bespien und min Bluot von aller Bosheit geschmächt.“

      „Du bist hie wohlgelitten, Bombast, und ich müesset vergohn.“

      Theophrast sah nicht gern, wenn Vater und Mutter beisammen saßen. Eine ungewisse Scheu bedrängte ihn dann. So oft er konnte, trennte er sie. Beide liebte er, doch den Vater anders als die Mutter. Er vermochte nicht diese Liebe zu vereinen.

      Lag die Mutter zärtlich hingegeben an des Vaters Brust, wie in diesem Augenblicke, dann glaubte er eine entwürdigende Schwäche zu beobachten. Liebkoste Hohenheim seine Frau, empfand er deutlicher: der Vater stellt sich bloß. Er litt es, und ein sanfter Frieden erfüllte ihn, wenn beide Eltern ihm mit streichelnder Hand begegneten. Aber das sah er nicht. Hätte ers gesehen und nicht nur gefühlt, er würde ihre Liebe vielleicht trotzig abgewehrt haben. Nicht Eifersucht trieb ihn zwischen Vater und Mutter, wenn beide einander umfingen. Das augenfällige Zeichen ihrer Liebe befremdete ihn bis zum Unwillen. Er wußte nicht, daß sie selber mehr fühlten als sahen, wenn sie zärtlich zueinander waren. Und der andere schlummernde Grund blieb, daß er beide anders liebte. Er schied das Wesen des Mannes von dem der Frau ahnungsvoll.

      Noch fühlte und wußte er von dem Bande nichts, das beide unlöslich umschlingt.

      Was tut der Mann solch heimlicher Wirrnis gegenüber? Er zieht das Schwert und zerhaut die Knoten. Theophrast drängte sich mit erhobenem Schwerte zwischen Vater und Mutter.

      Er sagte: „Nu müessend wir reisen.“

      Sie wollten ihm den wohlgefüllten Brotsack abnehmen, aber er wußte seinen Willen mit Glück durchzusetzen. Der Großvater hob ihn vor die Mutter auf das Schwabenjörgeli, das unmutig über die neue Last die Ohren zurücklegte. Es hatte schon vom Stallfrieden geträumt und von wohligem Dösen und leisem Schwanken auf allen Vieren mit dämmernden Augen, vollem Magen und hangendem Kopf. Es mußte nun wieder auf Knüppel und Stein acht haben; war auch die Last geringer, der Abend lag schon in allen Gliedern. Doch kostete es nur die ersten paar widerwilligen Schritte. Dann reckten sich die Ohren wieder vor. Es galt die Teufelsbruck. Und hatte sie das Schwabenjörgeli auch hundertmal überschritten, ihr Brausen blieb ewig unheimlich. Man mußte auf alles gefaßt sein.

      Hohenheim ging schweigend neben dem Tier her, das Frau und Söhnlein trug, er hielt die Zügel. Theophrast sah über den Bergen das matte Grün des Abendhimmels, ein kühner Stern durchzitterte es. Das Herz des Kindes zitterte erwartungsvoll mit dem Gestirn.

      Und in die Freude seines Erlebens fiel bald eine fremde Bangigkeit. Er hatte einen ganzen Tag lang fröhlich Abschied genommen, nun aber wußte er immer deutlicher mit jedem neuen Stern, der durch das ermattende Licht brach, daß viel zurückgeblieben war, was nie in seinen Brotbeutel gegangen wäre.

      Er fragte die Mutter leise:

      „Warzu müessend wir fort?“

      „Wir gohnt uf die Engelwih.“

      „Werdend die Engel ze Einsiedeln sin?“

      „Die sänd allerweg.“

      „Warzu als müessend wir fort?“

      „Weil die Gnadenkapell ze Einsiedeln stoht, und die ist von den Engeln gewicht. An der Tüfelsbruck stoht aber kein Gnadenkapell nit.“

      „Als werdend wir die Engel ze Einsiedeln sehn?“

      „Das wird nit sin. Die Engelwih, do sie herniedergestiegen, ist ehedem vollbracht und uf ünser Zit nit meh.“

      „Hats einer ehedem gsehn?“

      „Es muoß so sin, dann sunst wissend wirs nit.“

      „Was hat derselbig gsehn?“

      „Wo ünser heilig Meinrad ist von denen Mörderen beiden erschlahen, hänt sie ünser lieben Frouen ze Einsiedeln Altar und Kapell ufgericht, und war alles bereit, daß man sie wihet. Und ist der Bischof ankummen, viel Pfaffen gohnt mit ihme und Münch, die wollend sie wihen uf den morgenden Tag. In der Nacht ist der liebe Gott vom Himmel gefahrn unde für denselbigen Altar und hat ehender das heilig Amt und die heilig Meß vollbracht. Er hat ein veigelfarben Meßgewand angehät. Sant Matthei, Sant Marx, Sant Lux und Sant Johann satzeten ihm, als die heiligen Evangelisten all vier, sin Inful uf das Houpt und nahmens wieder ab. Und beschach ihm alls wie dem Bischof, so er die Gnadenkapell am morgenden Tag gewihet hätt. Die Engel sänd all kummen und hänt gülden Rochfässer mit, facheten die Gluet mit ihrer Fittich Schlag, daß es rauschet. Bi dem lieben Gott gstund Sant Greger und hielt den Wadei, brauchet kein Becken nit, dann der Wadei tropfet us ihme selbs von dem himmelschen Wichwasser. Sant Peter hielt den Stab, Sant Augustin und also Sant Ambrosi

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