Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer страница 21

Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

Скачать книгу

der kitzligsten Arbeit: Umgießen in lateinische Eleganz. Aber der Anfang war gemacht, und der Fürstabt blieb entschlossen, dort, wo der Wortschatz des Cicero nicht ausreichte, den Mutterlaut bestehen zu lassen, denn es galt den lateinischen Gugelleuten zu zeigen, daß es ihrer Eleganz an Saft gebreche. Er konnte es keck wagen. Sie kamen, auch wenn sie lächelten. Man wußte, daß man ausgefüttert und mit vollem Säckel heimkehrte.

      Zu gleicher Zeit hingen die Eidgenossen einen Brief in Zürich öffentlich aus, mit ihrer Länder und Städte Secret und Insiegel bewehrt. Sie sprachen den Pilgern der untreuen Läufe halber Sicherheit zu und Geleit, zwischen Bodensee und Rhein durch all ihre Städte, Dörfer, Länder, Gebiete, Gerichte, Zwinge und Bänne frei ihres Leibes und Gutes zu wandeln und zu fahren.

      Die Kaufleute, Bettelmönche, Loliharden und alles fahrende Volk redeten den Brief überallhin aus. Sie lockten den feisten Bürger gern vom warmen Neste weg auf die Landstraße und hatten ihre Freude an Zuzug und Masse. Im weiten Umkreise des Gnadenortes spannten sie ihre Netze und schuppten die Fische – oberflächlich wohl im Vergleiche zur Häutung am Gnadenorte, denn was da auf der Landstraße von der offenen Hand lebte, hatte kein Recht, jemand den alten Adam auszuziehen und den neuen, der vom Ablaßsegen funkelte, über Ohren, Augen und Herzen zu werfen – aber immerhin ergötzlich genug.

      Der Frühling und Sommer wurde den Einsiedlern heiß und manch eines Häuslers Säckel verblutete in die Taschen der Maurer und Zimmerleute. Klaus Weßner stieg mehrmals in seine Mausefalle hinunter und liebkoste die angeschimmelten Lederbeutel, ehe er sie rinnen ließ. Das Dorf schallte vom Hiebe der Beile und vom Pochen der Hämmer. Der schwarze Adler, der rote Ochs ließen die verräucherten und bespienen Wände ihrer Herrenzimmer abkratzen und auf tünchen; der Pfau, der andere Ochs und besonders der weiße Wind schlugen ihr Inneres mit guten Stoffen aus. Pfau, Ochs und Windhund erwarteten die vornehmen Herren.

      Im Haus an der Teufelsbruck türmten sie das Gerät in zwei Kammern und zimmerten einen Notstall amSihlhang zurecht; Mensch und Vieh mußten für die beiden Wochen der Engelweihe weichen. Bänke und Tische standen rings um das Haus auf blankgeschälten Pfählen. Herr Wilhelm sollte mit Frau und dem Kleinen für die Zeit hinüber ins Pilgerspital, das hochgiebelig am Eingang von Einsiedeln stand, um Priester, Studiosi und Kranke aufzunehmen, bis die Kammern überfüllt waren.

      Dem Fürstabt summte der Kopf von Verordnungen: Beichtväter, Feuer, Wachen, Prediger, Krämer, Bäcker, Metzger, Wirte … je höher der Sommer stand, desto mehr Sessionen mit aller Welt Obrigkeit. Und Propst Diebold seufzte nach der Beschaulichkeit des letzten Winters, wie der Fisch im Boote nach der Welle.

      Hans Ochsner erhielt eine neue Rüstung. Er war mit andern hundertfünfzig auserwählt. Die sollten an der Schindellegi,auf der Klause, an der Alpbruck und der Teufelsbruck, unter den Klostertoren und in der Kirche Wache stehen, der Vagabondie, dem Aussatz und anderer Pestilenz zu wehren. Schirmer hießen sie und waren alle Erlesene des schwyzer Schlags, die ihren Mann zu fassen wußten. Ihnen allen drohte das Schelmenbuch der Reisläufer. Sie lauschten begierig, wenn einer vom Bodensee herüberkam und etliches über den Kaiser Max und den schwäbischen Bund zu reden wußte.

      Die Schiffe der beiden Schiffergenossenschaften zu Zürich lagen frisch geteert im Uferwasser. Die Meinradsbrunnen weithin auf den Straßen waren gereinigt.

      Auf dem Brühl vor dem Kloster standen zwei Kanzeln, und am Galgenberg waren Pranger und Trülle neu gezimmert worden.

      Im Stalle der Abtei schnoben die beiden Engelweihochsen unter der Feiste, ein jeder seine fünfundzwanzig Zentner schwer, ihrem Ehrentage entgegen, da sie, schwarz-gelb geputzt, in feierlicher Prozession zur Schau geführt werden sollten, ehe sie ihr Fleisch und Fett dem Bratspieß überlieferten.

      Der große Wechselschuppen war angefüllt, und an den Bretterbuden der Kramgasse, die vom Frauenbrunnen aus das Dorf abwärts lief, verhallten Axtschlag und Sägesingen der Vorarbeit.

      Die letzte Zufuhr kam von Wattwil herauf. Zwölf Karren mit Druckwerk: Chroniken, Gebete, Heiligenbilder, Ausgaben der Engelweihbulle aus den Offizinen von Nürnberg, Ulm, Straßburg, München und Freiburg.

      Die große Göttin

      Els Ochsnerin war zwei Tage vor dem Feste mit aller Arbeit soweit gekommen, daß sie Mann und Kind in die fernhinschauende Giebelkammer des Pilgerspitals einholen konnte. Die meisten Gottshausfrauen, die unter ihrer Aufsicht gefront hatten, waren entlassen worden. Sie saß am Abend dieses letzten schweren Tages blaß, abgemagert daheim, erwartete Bombast von Willerszell her. Sie war allein und sprach dem Krüglein Milch nur mäßig zu.

      Die Fenster standen offen. Mit dem kühleren Hauch drangen in den herdwarmen Gadem die Stimmen einiger Krämer herein, die am Tische vor dem Ochsnerhause eine letzte Rast gemacht hatten, um Erkundigungen einzuziehen und die vom Paßwege erschöpften Tiere ein wenig stehen zu lassen. Der alte Ochsner wußte, wohin er die Gäste zu weisen hatte. Er stand an der Teufelsbruck auf einem Posten, es gingen ihm von Einsiedeln her die Winke zu. Er gab seinen Rat bedachtsam, als müsse er sich für die oftgestellte Frage jeweils besinnen. Das ehrte den Gast und schuf Vertrauen.

      Theophrast huschte im Hause umher. Er schleppte einen Brotbeutel hochgeknotet am Hals und füllte ihn mit den nützlichsten Dingen für den Auszug.

      Er kannte den Weg hinüber, aber seine wahre Länge hatte er erst im Frühjahr ausgemessen, als sieden schwarzen Änderle henkten. Da war er zum erstenmal auf eigenen Sohlen bis auf den Galgenberg vorgedrungen, und zwar allein.

      Der Änderle hing am Galgen, machte große Augen und streckte die Zunge heraus. Die Augen starrten auf zwei Raben, die ober dem Änderle auf dem Riegelholz saßen und, da sie sich von dem glasigen Blick immerhin getroffen fühlten, vorsichtig bald mit dem einen bald mit dem andern Auge herunterfunkelten. Theophrast suchte einen flachen Stein, der gut durch die Luft pfiff, und hätte den einen Raben fast getroffen. Die schwarzen Vögel schwangen fort gegen das Stift zu und krächzten. Theophrast bekams mit dem Gewissen: am Ende hatte er die heiligen Raben des St. Meinrad erschmeißen wollen, sie strichen zur Gnadenmutter hinüber und würden es nicht verschweigen. Der Änderle sah zum Querbaum hinauf und bleckte die Zunge, obwohl die Raben fort waren. Das war unheimlich, wenn er auch sonst ruhig hing.

      Theophrast setzte sich an den Straßenrand dem Gehenkten gegenüber. Nach Einsiedeln blieb ein gutes Stück. Dort hätte er den Götti besuchen können. Doch der mochte ihn nicht, und er mochte den fetten Götti ebensowenig. Der brodelte immer aus seinem schleimigen Hals: „Frästli, daß Gott erbarm, bist als ein dürftigs Büebli und hast kein Heiligen nit.“ – Zum Götti wärs aber näher gewesen als heim. Theophrast sah immer wieder zurück. Haus und Teufelsbruck hatte der Erdboden verschlungen, sie lagen in der Schlucht. Hätte die Mutter ihn am Tage vorher mitgenommen und nicht eingesperrt, als sie den Änderle henkten, so hätte er nicht auf eigene Faust gehen müssen. Und es war kaum des weiten Weges wert. Er hing ganz still, sah den neuen Balken an, bleckte dabei die Zunge, und seine Hände waren hinter dem Rücken zusammengebunden. Er hätte höchstens mit den Füßen stoßen können. – Und vor ihm haben sie alle Angst gehabt, nur der Theophrast nicht. Er hat den Änderle gut gekannt, denn er hat weitum alle Vogelnester gewußt. Sie haben ihn geprügelt, weil er einmal mit dem Änderle im Borzerwald war und das Kiebitzei von ihm genommen hat. Seit der Zeit ist es schwer gewesen, Freundschaft zu halten. Alles mußte verschwiegen bleiben. Und der Änderle konnte erzählen, wie weit er über allen Bergen gewesen war. Jetzt aber mußte er bleiben, konnte nichts mehr als die Augen verdrehen und die Zunge blecken. Seine Füße hingen einer über dem andern, als seien sie über Schnee gelaufen und frören. Theophrast stand auf und ging unter den Galgen, um zu fühlen, ob des Änderle Füße wirklich so kalt seien, wie er tat. Er streckte sich, aber erlangte sie nicht. Da kam ein Klosterknecht mit Pferd und Karren den Weg vom Stift her. Er kannte das Kind und nahm es auf dem Karren mit.

      „Der

Скачать книгу