Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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und eng umschlungen, in gesammelter Wucht, durch die Vordermänner zu brechen, wenn es galt. Sie stellten sich zurecht, wurden durchschaut und dichter umlagert, man machte Miene, sie fortzuschieben, aber der Nachdrang war zu stark. Die Köpfe wurden röter, die Augen drohender, die Mäuler standen voll Schaum und platzten von Flüchen, die Finger zerrten an dem, was sie zu halten hatten, jede freie Hand war geballt, und die Ellbogen arbeiteten. Ein Schimpf und Knuff zählte nicht, sie hörten und fühlten drüber hinweg. Bisweilen sammelte sich die Ungeduld an einem Ruf. Der hinderliche Nebenmann wurde Genosse; sie brüllten einmütig: Uftun! Uf! Terzzit!“ Dann wurde der Schwarm dichter und schob einen Fuß breit vor, die Ordner wurden an das Tor gepreßt.

      „Räudigs Kuttenvolk! Versoffen Plattenhengst! Schmeißet das Nönnle usm Bett! Ufton!“

      Sie paukten mit den Stiefeln gegen das Holz. Die beiden verlorenen Ordner brüllten und schwuren allen die fallend Sucht, den hitzigen Ritt und die Franzosen in den Leib.

      Endlich fiel die helle Stimme der Zeitglocke. Das Menschenknäuel verstummte, schwankte ein wenig zurück, als hole es aus. Die Riegelbalken scharrten an der Tür und fielen. Der Haufe brach ein. Die Ordner waren machtlos. Aber Herr Diebold hatte sich etlicher fester Hände versehen. Die packten und warfen, was da wie Kriegsfurie den Wechsel stürmte, auf gut schwyzer Art gegen Mensch und Mauer.

      Und mit dem Schmerzgeheul aus einem Dutzend Kehlen war der wilde Eifer geschlichtet. Man zählte alle Glieder nach, die heil aus der Presse gekommen waren, fand den Schmerz der geprellten Stürmer gerecht, lobte die ordnende Gewalt, tat vor den Geldwechslern freundlich und bescheiden, um doch einen oder den andern verrufenen Schinderling unterzubringen. Man täuschte sich, versuchte vor der Kerzenbank und im Zeichenamt noch einmal sein Glück mit dem falschen Gelde, wurde übel angeblasen und ließ für diesmal allen Profit dem Kloster der lieben Frau und Ernährerin unbenagt. Im Hintergründe klafften die Eisentruhen und fletschten ihre Riegel. Neben jeder Eisenkiste standen zwei Klosterknechte, die kurze, blitzende Schwyzeraxt in der Faust.

      ***

      In Gottes Namen fahren wir,

      Siner Gnaden geren wir.

      Nu helfe uns die Gotteskraft,

      Der reinen Ilgen Mutterschaft.

      Christ uns genade!

      Kyrileis!

      Die Heiligen all helfend uns!

      Nah und fern entwuchs der eintönige, uralte Gesang den Staubwolken der Pilgerstraßen. Ein Kreuz zog voraus. Der Heiland hing grell bemalt daran, zuweilen blinkte sein Leib golden oder silbern in der Sonne, immer hielt er den Kopf sterbensmüde zur Brust geneigt, und es schien, als glitte sein lidverhangener Blick traurig über den Weg hin, den er getragen wurde.

      Waren die dunklen Menschenzüge auf die Höhen des Etzel, des Schnabelbergs, des Haggenecks und Katzenstricks gekommen, flackerten sie auf wie von neuem Leben. Sie hielten, knieten nieder und winkten der Lilie in Dornen, der Rose im Himmelstau, dem Zederbaum ohne Wurm in hundertjährigen Gesängen und Gebeten zu.

      Dort sahen sie das Heil vor Augen: von Türmen geschützt, in Geläute gehüllt, die breite Basilika, die den engelgeweihten Gnadenhort beschirmte. Die Träger entrollten das Fahnentuch, zuweilen kostbare Stoffe, deren Flammenspitzen von schweren Goldquasten gestreckt wurden. Auf dem Fahnenblatte blühten in bunten Farben die Namenssymbole Christi und Marias, die Gestalt eines Märtyrers, einer Heiligen. Der graue Zug hob sich, froh der ragenden Türme und winkenden Glocken. Bald, bald war die Buße in all der schweren Pilgrimsnot getan.

      Seit Wochen schluckten sie Staub oder froren in durchnäßten Mänteln, während der Morast der Straße das Schuhwerk beschwerte und erweichte. Aus den Niederlanden, von der Ostsee, über die Vogesen, die Alpen, von der Donau her drangen sie durch Unrast der Tage und Unbill der Nächte, starrend vor Schweiß und Schmutz, übel verlaust, auf wunden Sohlen, von Bast zu Rast stumpfer und müder. Sie sahen nicht mehr die Lieblichkeit der oberdeutschen Länder und nicht die fürstlichen Berge; ihr Gehör war am ewiggleichen Tonfall der Gesänge und Gebete stumpf geworden. Das Gewissensfeuer, das sie aufgejagt hatte, schlug nicht mehr lechzend gen Himmel, sein Qualm kroch auf den Niederungen der Landstraße, erstickte und beklemmte die Herzen. Der helle Freiheitsschrei ihrer Seelen war ein dumpfes Stöhnen nach Gnade und Erlösung aus aller Erbärmlichkeit geworden. Die Sünde hatte ihre jagende Kraft verloren, sie blieb ein schleichendes, gemeines, willensfremdes Übel. Die Körper waren ausgeronnen, der Mut hing an den müden Schritten und matten Stimmen der anderen, die mitzogen, die längst nicht mehr von Haus und Arbeit sprachen, sich längst nicht mehr umsahen, nur das schwebende Kreuz oder die gleitende Landstraße im Blick hielten, heiser sangen und murmelten.

      Aber dort im Tale, von Engeln geweiht und unzähligen Gebeten seit Menschengedenken angehaucht, sprudelte der Gnadenquell. Das weite Hochtal war von seinem Segen fühlbar erfüllt. Die Pilger tauchten von den Paßhöhen nieder wie in einen heiligen See.

      Was sonst ließ ihre Herzen laut werden, ihre Augen aufflackern? Was konnte ihnen sonst mit wundersamer Erquickung die gemarterten Glieder durchstrahlen?

      Neu brannten die Sünden. Sie hatten Blut vergossen, Ehe gebrochen, gestohlen, betrogen, den Nachbar verlästert und vernichtet. Brandstifter, Schlemmer, Hurer, Verräter, Meineidige und die Feigen, deren Schuld ein Leben lang läßlich blieb, aber beklemmend wurde, da die Kräfte sanken. Alle, die durch Geld, Verwandtschaft und Macht geschützt, dem Rechte der Welt entschlüpft waren, vereint mit den Frommen, Armen und Demütigen im Geiste und auch mit jenen Bußlüsternen und Geilen im Staube, sie alle durchglühte der erste Taumel der Gnade. Der Brand der Sünden wärmte mehr, als er sengte. Er verklärte das Bußwerk der wochenlangen Entbehrung zum Verdienste. Je tiefer der Sünder stand, desto schwerer glaubte er gelitten zu haben.

      Die Erbsen und Steine in ihren Schuhen trugen und jämmerlich nachgehumpelt waren, versuchten nicht mehr auf dem Fußrande oder der Ferse zu gehen, um dem stechenden Wundschmerze zu entrinnen. Sie traten fester auf und verzerrten ihre Gesichter zwischen Qual und Lachen. Da sie das Ziel vor Augen hatten, schauerte Wollust durch ihr Leiden. Eine Stunde noch! Sie schrien die ewig gleichen Verse, und die andern hoben ihre Stimme mit ihnen.

      Zurück blieben, die gelobt hatten, den letzten Weg angesichts des Heils auf den Knien zu überwinden. Sie gürteten den dunklen Pilgerhabit hoch auf die Brust und entblößten die Knie. Sie ließen den Rosenkranz perlen, weil sie nicht mehr im Takte singen konnten, auch nicht beisammen blieben.

      Die anderen gingen schnell. Es gab ihrer, die wie Trunkene vorwärtstaumelten, um sich auf den Boden zu werfen, wenn sie den Vorsprung eines Ave Maria gewonnen glaubten, den Staub zu küssen und zu beten, bis die Brüder nachgekommen waren. Je lauter die Glocken wurden, desto höher brannten ihre Wangen, der Schweiß der Erschöpfung floß von ihren Stirnen.

      Im Orte stießen sie mit anderen Pilgerzügen zusammen und mündeten in den großen Strom, der aufwärts zu den weiten Toren zog, aus deren Dunkel es hundertfältig blinkte und aus denen, je näher sie drangen, es rauschte und brauste wie stürzende Wässer.

      Sie sangen nicht mehr. Sie schwangen die Pilgerstäbe und Rosenkränze dem Eingang entgegen, lallten, jauchzten den Namen der Gottesmutter, beschworen sie um das Gnadenwunder, ächzten ihr alle Mühsal und Schmerzen entgegen, die sie auf weiten Straßen hingenommen und hergeschleppt hatten.

      Ein Keil von Ordnern war von der Kirchenmitte in die Flut vorgebaut worden und brach die Wucht, schob die Andringenden zum linken Tore, drängte die Ausströmenden von dem rechten Tore weiter, wenn es not tat, mit kräftigen Partisanenstößen. Man wußte, daß die Ohren taub, die Augen geblendet, die übermüdeten Leiber stumpf waren.

      Und

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