Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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von der Hand des Burschen auf das Seil gesprungen und lehnte in der Gabel des Bockes. Der Mann rief ihr ein Wort zu. Das Kind richtete sich auf, indem es beide Arme breitete und das Gleichgewicht mit kleinen Rucken des Oberkörpers zu erhalten strebte. Dann lief sie, die Augen starr in die gegenüberliegende Bockgabel gerichtet, hurtig über das Seil. Sie fing sich gerade noch am Holze.

      Der Mann schrie hinauf und ließ die Gerte pfeifen. Die Kleine kauerte so, daß Theophrast in ihr Gesicht sehen konnte. Das Gesicht zuckte, aber die Lippen blieben fest. Nur die Augen standen ängstlich offen. Sie war nicht geschlagen worden, schien aber doch einen Hieb gefühlt zu haben. Theophrast wurde blaß wie das Mädchen. Sein Herz schlug. Er hatte einen Schrei verbissen, als die Peitsche ausfuhr. Zum erstenmal fühlte er, daß sein Herz schlug.

      Das Mädchen lief zurück. Diesmal glücklicher, denn sie vermochte zu halten, mit einem Schwünge zu wenden und neu zu beginnen. Unter ihr tappte der Bursche immer mit. Doch sie mochte zu schnell laufen. Ihr Meister schalt heftig, indem er neben ihr herzottelte und mit der wippenden Gerte spielte, als wolle er die Füßchen mit kleinen Hieben hemmen.

      Sie versuchte es langsamer. Der Bursche stellte sich bereit, denn das Mädchen warf Arme und Oberkörper verzweifelt nach rechts oder links, es spreizte das Bein ab und versuchte eine Zeitlang, den schwebenden Fuß wieder auf das Seil zu bringen. Dann fiel die Kleine, haschte das Seil, klammerte sich mit Händen und Beinen daran. Die Gerte biß zu. Das Mädchen ließ mit einem Schrei los und wurde von dem Burschen aufgefangen. Der Mann fluchte und drohte, sein Gesicht wurde rot. Das Kind stand vor ihm, die Augen geschlossen, weiß bis auf den vollen, kleinen Mund, der ein wenig klaffte. Inzwischen ging der Bursche wieder zu seinem Platz beim Bock. Hoppla! Die Kleine trippelte hin und schwang sich aufs Seil.

      Theophrast ballte die Fäuste, er keuchte vor Anstrengung, denn er stand mit seinem ganzen Wesen der kleinen Tänzerin auf dem Seile bei. Mehrmals mußte sie von dem Burschen aufgefangen werden, und die Gerte biß noch mehrmals zu. Aber die Kleine weinte nicht. Dann gelang ihr doch die schwere Aufgabe. Sie tanzte ohne zu fallen, langsam und gleichmäßig hin und zurück. Ihr Meister schien zufrieden. Er klatschte kurz in die Hände, sie setzte sich in eine Bockgabel, strich ihre rote Wolle aus den Schläfen und lächelte befreit.

      Der Bursche reichte ihr eine lange Stange. Sie griff rasch darnach und holte die Stange bis zur Mitte auf. Und alle Kunst schien gewonnen.

      Sie tanzte vor- und rückwärts, blieb in der Mitte des Seiles stehen, kniete nieder und stand wieder auf, sprang, daß der Strang schwirrte, und fing ihn wieder mit den Sohlen so sicher, als fühle sie den treuen Boden der Wiese. Die Übung war bald beendet.

      Sie ließ die Stange fallen, glitt am Seil nieder, hielt sich mit beiden Händen, schaukelte etliche Male hin und wieder, sprang leicht und schön ins Gras.

      Theophrast war froh, doch seine Freude bedrängte ihn. Das Mädchen stand nahe und rieb einen brennenden Striemen, der ihr quer über die Wade lief. Theophrast dachte an die Salben seines Vaters. Sein Wunsch zu helfen war so heftig, daß er alle Scheu überwand, die Lücke weiterzerrte und rief:

      „Maideli, kumm!“

      Das Kind sah auf, witterte vorsichtig nach dem schwarzhaarigen Mann hin und huschte nach einer Weile bedachten Lauschens zwischen den Wagenrädern durch ins Freie.

      Theophrast lief ihr entgegen und faßte ihre Hand.

      „Kumm, der Laur hat dir weh ton. Min Vater hat ein guet Salben vor din Bein.“

      Beide liefen, bis sie in Sicherheit waren. Die Kleine lächelte, schien aber ihren Freund nicht verstanden zu haben. Als er talab gegen das Spital wollte, blieb sie stehen und zeigte auf die Bretterbuden, durch deren Zeilen die Leute drängten.

      „… Bockeli …“

      „Was willtu, Maidli?“

      „… kain Fennik? Du? Kauft Bockeli gutt, molto, serr gutt … Bockeli …“

      Sie rieb den Bauch und kostete, als schmölze ihr etwas Delikates zwischen Gaumen und Zunge.

      Theophrast lachte, er hatte gesehen, daß ihr Finger auf einen Lebzelterstand wies.

      „Du willt kein Salben nit, aber Böckli schmeckend dir wohl!“

      Er begriff nun auch, was sie unter Fennik meinte, und holte den Plappart aus seinem Brotsack. Die Kleine funkelte das Geld lüstern an und wollte es ihrem Ritter entreißen. Der aber hielt sein Gut fest.

      „Du! Der Plappart ist kein Pfennig nit, sundern da gangend viel Haller drauf. Den hab ich vom Götti, der hat meh Geld als der Herr Kuonrad uf dem Stift.“

      „… schön Fennik kauft serr gut Bockeli …“

      „Der kaufet Schafbock und vor min Vater ein ander Jörgeli, dann der Schwabenjörgeli ist fast alt. Der hat uns hertragen uf Einsiedlen von der Tüfelsbruck und hinket mannigs Mal.“

      Die Kleine ging ganz nahe an ihn heran und sah ihm scharf auf die Lippen. Sie hatte verstanden, daß er von den süßen, runden Honigkuchen sprach, die als Einsiedler Schafbock weitum bekannt waren, aber die Geschichte vom Schwabenjörgeli verstand sie nicht und fürchtete Ausflucht dahinter.

      Sie faßte also die Hand, darin der Schatz lag, und zog den Plappart gegen eine Bude, auf deren Bank die süße Herde weidete.

      Theophrast erstand zwei Böcklein, und da die Lebzeltnerin im Ochsnerhaus an der Teufelsbruck bekannt war, erhielt er auch seinen guten Rest an Hellern. Er nahm das Geld erstaunt, denn er hatte nun statt des einen Stückes eine Handvoll. Und die kleine Seiltänzerin blickte bewundernd auf die volle Hand. Sie kannte das Geld besser, sie sammelte mit dem Messingbecken ein. Viele süße Schafböcke glitten unerlöst in den Brotbeutel zurück.

      Als nun Theophrast ihr den einen Honigkuchen reichte, lächelte sie zärtlich und führte den zierlichen Knix aus, mit dem sie zu danken pflegte, wenn eine Münze in das Sammelbecken klapperte. Das Büblein wurde rot vor Freude. Er reichte ihr rasch noch den andern Kuchen, und sie knixte wieder. Er vergaß die Großen ringsum, die spöttisch lachend auf das artige Paar sahen, und langte in seinen Sack, um mehr Böcklein für die kleine Seiltänzerin zu kaufen. Aber die Frau, der das geschmeidige Wesen nicht zu gefallen schien, fuhr ihn an:

      „Nu gang! Das wallsch Gogelvolk hat gnuog!“

      Einer meinte: „Der lässet bi guter Zit Haar.“

      Etliche lachten laut. Ein feister Städter kniff der kleinen Tänzerin in die Wangen und brodelte über feuchte Lippen:

      „Du Katz! Frißt Böckli gern, was? Willtu han, du Katz?“

      Er versuchte sie zu streicheln, da entwischte die Kleine zwischen zwei Buden, und Theophrast stand allein.

      Er kannte das breite Grinsen und die zwinkernden, verkniffenen Augen von den Tischen des Ochsnerhauses her, wenn dort die Männer und Frauen saßen und sich nach dem schweren Etzelweg gütlich taten. Es kam auch vor, daß ein fremder Mann an ihm seinen Witz probierte. Aber dann war das Lachen der andern redlicher. Jetzt bei der Bude mit den süßen Böcklein überkam ihn eine jähe Angst, als müsse er sein Gesicht vor den Larven verbergen, deren grinsende Mäuler und zwinkernde Augen ihn bedrängten. Es stieg ihm heiß und beklemmend auf. Er zog den Kopf ein, versteckte das Gesicht hinter einem Arm und schlich davon, als habe er etwas stehlen wollen und sei ertappt worden. Hinter den Buden begann er zu laufen. Er sah nicht rechts noch links und nahm den Arm erst vom Gesicht, als er bestimmt wußte, er werde von niemand mehr der

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