Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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sie sehen, und min Herz zittret, der Mund aber ist versieglet, und die Ougen decket ein Schleier vor Menschenfurcht.

      Ich sehe des Tüfels Hörner us ihren hochen Stirnen brechen, die eine Zung hänt, triefend vom Weine des Weltwissens, und die Ougen hänt, als sijen sie des heiligsten Gottes voll.

      Ich hör das Glächter der Höllen us ihnen brechen, deren Bluot feist ist vom Tran der Wollust, und deren Händ nach dem Fleische zitteren.

      Und du gibest mir nicht din Tou uf mine lechzinden Lippen, nur eines Fingers Spitz, und umb mich her brinnt die Höllen!“

      Er preßte sein Gesicht gegen die kalten Steine und schluchzte. Und er lag eine Zeitlang in tiefster Ermattung. Ihm war, als schwebe er zwischen Eis und Flammen im Sternenraum.

      Ein klirrender Schritt erschreckte ihn. Der Knecht drückte ein verlechzendes Licht aus, entnahm dem vollen Opferkasten eine Kerze und pflanzte sie auf den Stachel.

      Der junge Mönch hüllte sein Gesicht in beide Hände und erhob sich. Er atmete tief, als sei er wunderbar befreit, sein Herz schlug, als habe es ein Leben überwunden. Er wußte nicht, wie lange er gelegen war. Seine Knie knickten noch einmal vor dem Allerheiligsten zusammen, er wollte die Kirche verlassen; da trieb es ihn vor die Gnadenkapelle. Sehen, nur sehen! Er sah den goldgepanzerten Mantel und Schleier. Das Perlenschimmern und Glitzern der Steine. Unter der schweren Krone das rosige Gesicht, die kleinen Schlitzaugen, die hochmütigen Brauenbögen, das Mündlein mit den satten, gleichgültigen Lippen, die glatte, gedankenlose Stirn.

      Die Kiefer des jungen Mönches schlotterten, ihn fror in der schwülen Luft. Seine Augen standen weit offen und maßen die Reichtümer, glitten immer wieder zurück zu dem hölzernen Gesicht, dessen lauernde Unberührtheit Gedanken weckte, die ihm die Haare sträubten. Er fühlte den Drang und die Unermeßlichkeit der Gebete, Seufzer, Hoffnungen – alle an diesem Bilde aus Holz und Stein zerschellend. Lüge! Sie alle opferten ihrer Seelen heimlichsten Brand der Himmelskönigin nicht, deren Reinheit sie nie begriffen. Sie opferten ihr Innerstes dem Holzbild auf, das sie mit schwülem Prunk betäubte, durch geile Sattheit demütigte.

      Der Mönch ballte die Fäuste. Seine Augen liefen voll. Lüge, Lüge und Ausgeburt des Schreckens der Lüge vor ihrer eigenen Erbärmlichkeit! Das – das zwingt vor einem toten Holz in den Staub. Der Adlerschrei des Gewissens gellt über ihnen, und sie beten das geschnitzte Holz, die geschliffenen Steine, das Gold, ihr Gold, und die gereihten Perlen an, daß der Schrei des Gewissens in ihnen verstumme.

      Der junge Mönch schloß die Augen. Zorntränen stürzten über seine Wangen. Seine Hände streiften einander, als wolle er sie vom Schmutze reinigen.

      Dann schlug er seine Hände vors Gesicht, schritt eilig durch die Kirche, über den lautlosen Klosterhof, in den Schlafsaal der Abtei. Dort holte er aus dem Strohsack seines Bettes ein Beutelchen mit Geld und verließ das Kloster.

      Er ging über den Brühl, durch die Wagenburg und die Gasse nieder. Überall aus den offenen Fenstern scholl der heisere Lärm der Betrunkenen. Die Gasse war erfüllt von lachenden, schreienden Leuten.

      An einem Wirtshaus hing ein Wams aus, zum Zeichen, daß hier aufgegebene Pfänder feil seien. Dort erstand der Mönch ein Lederkoller und einen kurzen Spieß.

      Und er wanderte rüstig talab. Seinen Weg beleuchtete der Mond, und der Biberbach rauschte bald lauter, bald leiser.

      Ihn umfing die große Wundernacht des neubürtigen Lebens. Keine Regung hielt ihn zurück. Sein Gelübde war von ihm gefallen.

      Wohin er trieb – er wußte es nicht. Aber ihn füllte ein heiliger Jubel. Er wußte, daß ein reines und befreites Herz nicht verderben kann.

      Im Ausschreiten, da er den Spießschuh kräftig gegen den Boden stieß, während der Biberbach die laute und stille Weise rauschte, hob es sich von seinen Lippen wie ein junger Vogel:

      „In Gottes Namen solltu sin Min Mantel, tiefe Nacht.

      Ich fahr ins nüe Leben in,

      Vom Herzen ohnbedacht.

      Mich keine Regul führt nit mehr,

      Mins Gloubens will ich blühn,

      Der Gnaden Gotts allein ich gehr,

      Die sollt min Weidschiff sin.

      Nu kumm, du Tag,

      mit guetem Streit,

      Ich biet dir frumm die Hand,

      Do mines Herzens fri Bescheid

      Baß ist dann Münchsgewand.“

      Reinigung und Verheißung

      Der Predigtglocke winkendes Geläute wurde bald überhört. Neue Pilgerscharen kamen, und jene, die eine weite Heimfahrt hatten, zogen nach wenig Tagen wieder ab. Die Predigtglocke bekam einen schalen Ton. Von den Wirten und Kaufleuten wurde der neue Zuzug mit kurzen Blicken abgeschätzt. Kaum eine Spur von einladender Liebenswürdigkeit lag mehr in ihren Augen. Alle wußten bereits, mit welchem Gewinn sie die heißen Tage bestehen würden.

      Der dichte Pilgerstrom kreiste nicht mehr vor der Gnadenkapelle. Eine breite Insel, lagen sie vor dem Altar aufgestaut, und je länger sie knien und beten konnten, desto spärlicher hatten die Trichter der Opferkästen zu schlucken.

      In den Bänken saßen die Mönche, müde, von der Hitze gedrückt, sie lauschten vorgebeugt der endlosen Beichtmühle. Immer dieselben Worte. Eigentlich hörten sie nur mehr jene Sünden, die auf zwei Jahre zurück zu dämmen waren. Gelegentlich solcher Sünden gewann ihre Zunge eine leichte Anregung und sie sagte stets das gleiche von Rom, Jubeljahr, Heiligem Vater, Absolution, und über die Vorstellungskette der Absolution rasselte die Erregung des Sprechtriebes wieder ab; erst wenn der Sünder endgültig verstummte, erwachte ihre Zunge wieder und erteilte Buße und Befreiung.

      Jener Augsburger Bruder hatte großen Zulauf. Seine Freikanzel, dort wo die Geißler geblutet hatten, war dicht umlagert. Er hielt einen Predigtenkranz über die Wunden und die Freuden Mariens, jeden Tag über eine Wunde oder eine Freude abwechselnd. Und an den Wundtagen wurde nicht weniger gelacht als an den Freudentagen.

      Theophrast fand in dieser Zeit, da eine buntverdichtete Welt ihn umkreiste, über einige Dornzäune heil und erwachter zu den Seinen zurück.

      Die Leute drängten sich um die Drille und waren über die Grimassen erfreut, die ein Bruder Sundfeger schnitt, während ihm in seinem wirbelnden Gefängnisse todübel wurde. Die Drille stand neben der Etzelstraße, sie war ein Käfig, der leicht auf einer Spindel gedreht werden konnte. Brach irgendein Landstreicher durch den Zaun der Ordner, die Wege und Stege besetzt hielten, und suchte er etliche gute Tage im Schatten der Gnadenmutter durch freiwillige und unfreiwillige Gaben zu erstehen, so mußte er seine Kunst meistern, sonst wurde er gefaßt und in die Drille getan. Und es gab kaum einen Jungen, der nicht sein Bestes drangesetzt hätte, so lange mitzudrehen, bis dem Gauchen das Innerste nach außen geschleudert war und er besinnungslos auf dem tanzenden Boden des Gefängnisses hinschlug. Dafür standen immer etliche Heller zu erwarten. Aber es gab nur wenig Pracher, die nicht in Ehren bestehen wollten, auch sie konnten etliches von den Belustigten erhoffen, wenn sie kräftig aushielten. Und so kam es zu einem Kampf zwischen den treibenden Jungen, die einander ablösten, und dem allmählich erblassenden Gartbruder im Käfig.

      Als Theophrast sich glücklich durch die Großen und Kleinen vor der Drille

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