Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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Kräften in den Stäben hängend, taumelig, kreideweiß, mit hervorgetriebenen Augen, noch die Kraft fand, seine Zunge zu blecken. Allein die Anstrengung blieb nicht ohne Folgen. Kreischend, johlend vor Vergnügen, stürzten die Leute zurück, rannten einander um und rollten auf der Erde: dem Gedrillten entfuhr der Mageninhalt in weitem Gusse. Dann schlug er hin, und man warf den atemlosen Jungen lachend etliche Geldstücke zu, ließ auch einige in den Käfig springen.

      Theophrast sah das voll Staunen. Er merkte erst, als die Leute auseinandergingen, daß ihn die kleine Seiltänzerin am Wams zog.

      Er hatte mit der Mutter einmal in dem eingeblachten Raume der Vorstellung zugesehen. Von einem Feuerfresser war er tief erschüttert worden. Die Kleine aber zeigte in einem roten Fähnlein, das über und über mit Glasperlen benäht war, nur solche Kunststücke, die sie wohl beherrschte, und der schwarzhaarige Meister setzte ihr weiter nicht zu. So hatte sie in Theophrast keinen sonderlichen Eindruck hinterlassen. Ihm war bang geworden, als sie aufs Seil sprang, dann aber warf er sein Geldstück ohne Befangenheit in ihren Zinnteller. Nur die beiden vergeudeten Böcklein wurmten ihn heftiger. Doch sagte er der Mutter nichts davon.

      Da nun die kleine Tänzerin neben ihm stand und seinen Brotbeutel begierig musterte, sah er sie feindselig an.

      Doch sie lächelte und flüsterte:

      „Nimm dein schön Haller! Kauf Bockeli, gut Bockeli.“

      „Du Gugelvolk, loufst eimweg! Dir sollet ich eins weisen!“

      „Nit schimpf, nit zank, Bockeli kauf!“

      Sie nahm ihn bei der Hand, und er folgte widerwillig. Hinter einem Strauch kauerte sie nieder und deutete einladend daneben auf den Rasen.

      „Zeig dein schön Haller, gut Bübli.“

      Sie schlang ihren Arm um seinen Hals und preßte ihre Wange an die seine. Theophrast aber stieß sie heftig fort, und sie ließ sich ins Gras fallen, blieb liegen, vergrub das Gesicht in die Arme, als habe er ihr weh getan. Da wurde es dem Büblein bang, es kniete zu ihr, faßte das dichte Kraushaar und wollte ihren Kopf wenden, um zu sehen, ob sie spiele oder wirklich weine. Sie warf sich blitzschnell um, lachte und fuhr mit hurtigen Fingern in den Brotbeutel, nahm was sie greifen konnte und rannte davon. Sie hielt das Seidentüchlein in der Hand. Und in das Tüchlein hatte die Mutter die schönen Haller gebunden.

      Er jagte ihr nach, fiel einmal hart über sein Schwert, so daß die kleine Diebin einen guten Vorsprung gewann. Er gab nicht auf. Sie rannte einigen Jungen zu, die ihrer unweit zu warten schienen, und stellte sich hinter den stärksten.

      Theophrast hielt ein und kam das letzte Stück zögernd näher.

      „Die soll min siden Tüchli geben“, rief er.

      Die kleine Schlange aber schmiegte sich an den Wilhelm Fenkh, den Ältesten vom ,Weißen Wind', und keifte:

      „Er zank, er schimpf und will slak!“

      Da entschied der Wilhelm Fenkh: „Du muoßt ein Buoß zahln.“

      Theophrast pochte auf sein gutes Recht: „Ich zahl kein Buoß nit umb das Gugelvolk. Sie hats us min Bütel gstohln.“

      Wilhelm Fenkh meinte mit großem Ernst: „Willtu ein Schwert führn, und loßt dir usm Bütel stehln?“

      Theophrast drohte: „Min Vater wird iich weisen!“

      Wilhelm Fenkh nahm der Kleinen das Tüchlein ab und entschied:

      „Din Vater sollt miner müßig gan.“

      Da sprang Theophrast unversehens zu und entriß dem starken Bengel das Tuch, fuhr damit ab. Es glückte nicht weit. Einer warf ihm seinen Prügel zwischen die Füße. Theophrast schlug hin, und die ganze Horde lag über ihm mit Knuffen und Tritten. Er deckte sein Tüchlein mit dem Bauche und schrie:

      „Helfet, guete Lüt, helfet!“

      Etliche Große blieben auch bei dem balgenden Haufen stehen und meinten, dem Theophrast geschähe recht, da er dem Wilhelm Fenkh das Tuch entrissen.

      Endlich vermochte der kleine Mann die Prügel nicht länger zu ertragen, er mußte sein Tuch freigeben. Die anderen rannten mit ihrer Beute fort, und er lag übel zerrissen, eingepulvert, mit schmerzenden Gliedern im Gras und heulte den guten Hallern und dem Tüchlein nach. Dann saß er lange und konnte nicht verstehen, wie er um sein gutes Recht und zu harten Prügeln gekommen war. Da er die Augen wieder hob, sah er die Räuber in Ordnung zurückkehren, sie trugen kurze Spieße, und in ihrer Mitte wehte an einem langen Stecken das Seidentuch.

      Er stand auf und schlich beiseite und mochte zunächst das flatternde Fähnlein nicht sehen, so bange war ihm danach. Es war ihm nie so bunt und schön vorgekommen als jetzt auf der Stange seiner Räuber. Oft hatte er es dem gleichen Zweck zuführen wollen, aber der Mutter wegen nie gewagt, den Schatz so offenkundig vor aller Augen zu tragen. Immer meinte er, man müsse ihm sonst das linde, seidene Ding wieder abnehmen.

      Heimlich wandte er sich noch einmal um. Sie waren nahe gekommen, und er entdeckte, daß ein Loch mitten in das Fähnlein gerissen war. Ihm wurde angst. Wenn die Mutter das Loch merkte … die Mutter … er fühlte erst, was ihm geschehen war.

      Wenn die Mutter nach dem Fazenettli früge? Sie hat selber die Haller eingebunden. Nun sah er auch, wie sehr sein Wams von Staub und Schmutz besudelt war, und sein Ärmel hing in Fetzen. Wie sollte er den prüfenden Augen entgehen? Anders wars mit dem Änderle gewesen. Niemand hatte ihm angesehen, wenn er mit dem Änderle im Walde war. Und den verschluckten Vogeleiern, die oben und unten aufgepickt wurden, ehe man sie austrank – denen konnte niemand mehr nacheifern. Dem Theophrast kams vor, daß eine Schuld erst peinlich werde, wenn man sie merke. Und er sann nach, wie er sein verschmutztes Wämslein reinigen könnte.

      Er kam auf den Frauenbrunnen, denn er hatte die reinigenden Kräfte des Wassers zuweilen heftig am eigenen Leibe verspürt. So schlenderte er ein wenig verzagt und versonnen, da sein Versuch mißlingen konnte, den beiden großen Türmen zu, blieb da und dort stehen, besah immer wieder sein Wams, ob es nicht doch erträglich wäre, erschrak stets und machte sich wohl oder übel an seinen Plan.

      Die vielen Rohre des Frauenbrunnens sprudelten das Wasser in einer bequemen Höhe aus, daß die Pilger beim Trinken sich nicht allzu tief neigen mußten. Theophrast stand eine Weile, er wollte abwarten, bis niemand mehr von Rohrmund zu Rohrmund ginge, um andachtsvoll auch an jenem Lauf des heiligen Quells die Lippen zu netzen, den der Heiland nicht verschmäht hatte. Allein der Brunnen wurde nie frei. Also faßte Theophrast – als nur drei Weiber tranken und kein Ordner in der Nähe schien – ein Herz und sprang unter die Strahlen. Die Weiber wollten erst seinem Übermute wehren, da sie aber sahen, daß der Theophrast bescheiden sein brennendes Gesicht und sein Wämslein wusch, meinte die eine: „Sehet den Knaben!“ Sie glaubte, er könne sich des heiligen Gewässers nicht ersättigen.

      So wurde der kleine Mann in kurzer Zeit von Kopf bis zu den Füßen triefnaß und er wäre standhaft geblieben, wenn nicht einer der frommen Frauen die Sache doch bedenklich geschienen hätte. Sie faßte ihn und entzog ihn dem Wasser.

      „Gang, Büebli, was kummt dir an mit so narrechter Täding?“

      „Ich wollet min Wammes Wäschen.“

      „O du Narr, gang hoim, sust möcht dir ein Pestilenz ankummen!“

      Es fröstelte ihn, und er sah, wie sich um seine Schuhe eine Pfütze sammelte,

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