Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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nun schlafet er wohl, Theophrast. All sins Herzens Qual hat ein Bschluß. Er ist tot.“

      Da neigte sich das Kind spähend über das weiße Gesicht und wollte erkennen, was der Tod sei. Aber es wurde vom Vater sanft aufgerichtet, denn die Büßer traten nahe heran. Ihr Meister fragte und erhielt Bescheid. Ein Kreuz schlug er über den Toten und winkte Herrn Wilhelm, aus dem Kreis zu treten.

      Die Geißler standen dicht um ihren Gefallenen und murmelten auf des Meisters Geheiß halblaute Gebete. Sie hatten schon hinter Kolmar erwartet, daß der Bruder sterben werde.

      Dann nahmen ihn die acht stärksten auf. Sie zogen schweigend dem Kloster zu, und viele folgten ihnen bis an die Mauern nach.

      Auf dem Heimwege fragte Theophrast den Vater:

      „Was tuend die mit ihm?“

      „Sie graben ihn ein und ziehen alsdann weiter.“

      Die Antwort befriedigte Theophrast vollkommen, denn er hatte am Tonfall der Worte erlauscht, daß sein Vater zu einem großen Mann auch nicht anders gesprochen hätte.

      Als sie im Schwarme der Leute an dem buntbemalten Wagen und dem abgeblachten Platze vorbei kamen, faßte Theophrast des Vaters Hand fester und meinte:

      „Das muoß ein Narr sin, so er dem Gugelvolk zwen guete Schafbock gibt und tuet sie nit selbsten ein!“

      Herr Wilhelm, dessen Herz andere Dinge füllten, nickte nur, und Theophrast fand sich in seiner Welterkenntnis sehr bestärkt. Er beschloß, kühngemut der kleinen Verführerin zu begegnen und sie bei gutem Winde trefflich anzufahren, darum weil sie ihm mit zwei schönen Schafböcken so schmählich entlaufen war.

      Schon bei dem Engelweihschmause am Tage des Hauptfestes kam es, da die ersten Schüsseln genossen waren und mancher Wein seinen Weg gefunden hatte, zur friedsamen Parteiung der Kleriker. Anfänglich lag freundschaftlich flüsternde Befangenheit über den geräumigen Tischen des großen Abteisaales. Doch man aß nicht schlecht und schlürfte den erfreulichsten Trunk.

      Um den Tisch des Fürstabtes und des Legaten schlich es am längsten mißtrauisch auf Zehenspitzen. Der Legat war in spanischer Edelmannstracht erschienen, er unterhielt sich nur mit Standespersonen, soweit sie Latein und Italienisch geläufig sprechen konnten. Fürstabt Konrad von Rackeiberg aber hatte, vertrauend auf den Wein, in seine Nähe Herren geladen, die ebensowenig von dem römischen Wesen hielten, Wild und Weib gut kannten, ein untadeliges Wappen trugen, vorerst noch beharrlich schwiegen, aßen und tranken.

      Herr Diebold saß am zweiten Tische. Und dieser Tisch wurde gleich zu Beginn des Mahles rege. Sie redeten nicht laut, aber lebhaft und zungengewandt. Herr Diebold hatte zunächst von Nikolaus de Donis gesprochen, und ein Reichenbacher Mönch hielt eine Lobrede auf den gelehrten und freisinnigen Freund in flüssigstem Latein. Den meisten an Herrn Diebolds Tisch huschte dabei ein Lächeln der Befriedigung über das durchgearbeitete Gesicht, und das Lächeln blieb, es löste die Zungen. Man wußte, man kannte, etliche zitierten sogar aus Briefen. Ehe die erste Schüssel geleert war, fühlte sich jeder geborgen. Und die erlauchtesten Namen der Zeit, Ruhmestitel manches Klosters und mancher Universität, schlangen das geistige Band um die Stirnen dieser Männer. Sie erkannten einander nach wenigen Worten, ihre Augen glänzten, ihre Lippen wurden schmal und heiter, in Blick und Mundwinkeln zuckten bereits Neugier und Ironie, die Fußangeln der geistigen Freundschaft. Sie waren bei sich und unter sich. Dankbar, daß sie für eine Stunde des Genießens vor aller Barbarei ihrer Brüder und der Oberen geborgen waren, tranken sie Herrn Diebold zu, und er, der nun ein halbes Jahr in Fron der Kerzen- und Zeichenbank, des Hausund Kellerwesens, der Berufungen, Quartiere, Krämerei und Polizei gelegen hatte, feierte die Auferstehung seiner beschaulichen Winterfreuden, wie einen wohlverdienten Triumph.

      Von Reuchlin hörte man, daß er an den kurpfälzer Hof zu Johannes von Dalberg, der noch immer die rheinischen Akademiker führte, ehestens ziehen werde. Ihm war das Leben in Tübingen und Stuttgart vergällt, er war sogar seines Lebens nicht sicher, da der Augustiner Holzinger vom jungen Herzog Eberhard zum Kanzler der Universität ernannt worden war. Reuchlin hatte den wüsten Gesellen zu Lebzeiten des alten Herzogs, Ruhm seinem Andenken, hinter Schloß und Riegel gebracht. Holzinger, der Freund des jungen Fürsten, trachtete dem berühmten Gelehrten mit gleicher Münze heimzuzahlen. Und Reuchlin war kein Mann, der seine Fehden jenseits des Schreibpultes und der Lehrkanzel führen mochte. Er schrieb seinen Freunden klägliche Briefe, denn er scheute auch, da er zäh an dem gewohnten Besitze hing, die Reise mit Sack und Pack auf Landstraßen, wo er des Leibes und des Gutes nicht viel sicherer war.

      Da kamen etliche mit leiser Elegie, die von den andern unter halbem Lächeln angehört wurde, auf das Benificium des Klosterlebens zu sprechen, dessen Frieden und Abgeschiedenheit den Wunderbaum an Gelehrsamkeit, Trithemius, den Abt zu Sponheim, ungekränkt wachsen ließ. Tritheim war streng kirchlich geblieben, schicklichermaßen wurden die Einrichtungen der Kirche gelobt, wenn man ihn nannte; das gehörte zu Tritheims Lebensstil. Sie kannten ihn fast alle. Man stellte sich gerne gut zu dem Berühmten. Er sammelte für ein Werk, das alle Gelehrten seiner Zeit anführen und ihre Verdienste preisen sollte.

      Doch fiel der Name des Unruhgeistes Konrad Celtes wie eine Befreiung in den Kreis der Wissenden. Die Kirche war gelegentlich Tritheims gepriesen, man hatte geistige Absolution für etliche Gespräche, die einen geschätzten Förderer der Musen betrafen, der offenkundig heidnisch empfand und lebte. Fast jeder wußte irgendeine andre Stätte, wo er des unermüdlichen Celtes Einfluß und Wirken im Dienste der Poesie erfahren hatte. Und man brauchte sich nicht zu hüten, von den zahlreichen Liebschaften des fahrenden Gelehrten zu erwähnen, deren Freuden er selbst in ungeschminkten Liedern aller Welt preisgab, aller Welt, die feingeschulte Ohren besaß und ihr Vergnügen an eleganten Versen finden konnte.

      Auch gegenwärtig – so berichtete ein Reichenbacher – sei er einer Dame erlegen, aber nicht in Liebesgluten. Er werde in Wien bleiben, die Universität Ingolstadt habe ihn für alle Zeit verloren. Celtes machte Ingolstadt wohl den Vorwurf eines dummen, saueren Bieres, das einer nur tränke, der verdürste, aber im Grunde sei es doch die Frau des Rechtsgelehrten Fontulanus gewesen, die ihn ausgebissen habe. Sie hätte dem Poeta Laureatus anfänglich gute Zeiten verheißen und wäre alles an allem ein Weibsstück von angenehmer Ründung und kräftigem Begehren; die ihr gefielen, brauchten um Amt, Titel und sonstige Vorteile der alma mater nicht bange zu sein – nur stünde sie nicht mehr in der ersten Blüte, während Celtes, der Kenner, den zarten Flaumhauch eben gereifter Frucht liebe und abgefingerte Süßigkeiten verschmähte. Die Fontulanin sei in dem ungleichen Kampfe Siegerin geblieben, denn sie hätte den Mann und fast die gesamte jüngere Universität auf ihrer Seite gehabt, während Celtes nur über etliche Giftpfeile verfügte. Die seien bald verschossen gewesen, und zwar in allen Metren des göttlichen Horaz, und seien an der gegerbten Haut seiner Feindin abgeprallt. Da habe er weichen müssen.

      Vielen war die eigentliche Ursache des Umzuges nach Wien unbekannt gewesen, denn Celtes hatte verbreitet, er suche Wien zu erreichen, um hier eine gelehrte DonauGesellschaft im Geiste der Poesie zu gründen.

      Von Celtes kam man auf Cuspinianus, der, zwanzigjährig, von Maximilian in einer glänzenden Fürstenversamlung, unmittelbar nach den Exequien Friedrichs III. mit dem apollinischen Lorbeer gekrönt worden war. Der Liebling des Adels! Er stünde vor dem medizinischen Doktorgrade und müsse demnächst Rektor werden. Neben diesem Wunder an Jugend, Kunst, Rhetorik und Gelehrsamkeit werde selbst der erfahrene Celtes einen schweren Stand haben. Denn Celtes, wiewohl kaum vierzig, altere, daran sei leider nichts zu ändern. Das üppige Leben im Wechsel mit Entbehrungen, die Ruhelosigkeit … man müsse ihm wünschen, daß er in Wien einen warmen Herd fände.

      Und an diesem frommen Wunsche fanden die Zungen und Herzen aus der bedrohlichen Nähe der Husaren und Türken zurück an den Rhein, wo Johann Wimpheling fast alle Städte zwischen Basel und Köln

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