Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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sie sprachen nicht laut, was sie heimlich murrten. Einer sah den andern verstohlen an, darum daß er ihm etwan sein Ding verhehle.

      Viele mußten verbluten. Sie brachen unversehens nieder und ergossen sich, wenn man sie aufhob, aus dem Munde wie volle Schläuche.

      Wilhelm Bombast, obgleich von Tübingen her gegen die Franzosen wohl gerüstet – sein Lehrmeister Saliectus war einer der ersten gewesen, die das Quecksilber bekömmlich zu dosieren wußten – konnte nur wenige retten.

      Er ritt am Andreasabend sein Schwabenjörgeli aufwärts gegen die Klause. Über den Etzel zogen dunkle Wolken, deren Wülste hell aufgeflockt waren, sie verhießen nichts Gutes. Bombast war bei der alten Krütlin gewesen, um ein Abkommen über ihre Jüngste zu treffen. Das Mädchen hieß Gritli. Sie sollte von Mariä Empfängnis ab seiner Eis beistehen.

      Bombast konnte es nicht mehr tragen, daß seines Weibes Kraft im Hauswesen wie von einem bösen Fieber verzehrt wurde. Als die letzte schwere Arbeit dieses Jahres getan war, hatte Frau Eis etliche Tage liegen müssen.

      Da ruhte sie blaß und still in den Kissen, sie lächelte matt, wenn Bombast sich zu ihr neigte. Ihre Augen lagen groß in den Höhlen, ihr Kinn war hart geworden. Und Bombast suchte mit bekümmerten Blicken die zarte Lieblichkeit ihres Mädchengesichtes. Aus ihren Augen flehte es ängstlicher, daß er nur schweigen möge. Und er sprach nicht aus, was ihn preßte, und schonte sie. Ihre Hände wurden in dieser Zeit der Ruhe weiß und weich, so daß die Adern sie dunkler zu durchpulsen schienen. Und Bombast hatte, während er ihre Arme und Hände streichelte, das lastende Empfinden, als wüchsen die Adern seines Weibes unsichtbar über die Grenzen ihres Körpers hinaus und schlügen in dem Boden Wurzel. Bombast hielt seinen gärenden Mut, solange er vor seinem verschmachteten Weibe stand. War er allein, brach der verhaltene Sturm in heißen Flüchen und Gebeten aus ihm. Er haßte zu dieser Zeit das gefräßige Haus an der Teufelsbruck, darin er verhungern mußte.

      Lange ließ sich Eis Ochsnerin nicht im Bett halten. Das Haus begehrte sie, sie war ihm unterworfen. Als die rauhen Tage über den Etzel niederstürmten, befiel sie ein trockener Husten, der nicht weichen wollte. Und Bombast erinnerte sich der alten Krütlin, die ihm ihre Jüngste als Magd angeboten hatte, da er sie von der Krupp heilte. Das war vor drei Jahren geschehen.

      Gritli Krütlin ging damals langbeinig und ungestalt. In diesen Jahren war sie hoch und voll erblüht. Ihr Gesicht schwieg unter einer klaren geradlinigen Schönheit, die gefühlvolle Frauen als leer und stumpf beargwöhnen, während ein ungestillter Mann hinter ihr flammendes Leben erträumt. Gritlis Brust drängte das Mieder.

      Die alte Krütlin zeigte ein unsauberes Lächeln, als sie die Tochter, ihren Spätling, dem angesehenen Arzte zuführte.

      Und Bombast erschrak leicht, als hätte ihn unversehens ein nasser Zweig gestreift. Für einen Herzensschlag wünschte er, die Magd nicht gedungen zu haben. Aber im Ochsnerhause war schon alles weit und breit ausgetragen worden: die Alten gaben das Essen, und Bombast zahlte den Lohn. Er schämte sich seines kurzen Zögerns, als habe er einen Schritt in die Untreue getan. Und so fiel der Handschlag, den er der jungen Magd bot, hastiger aus, als seinem würdevollen Gehaben sonst entsprach. Die alte Krütlin, des vereinbarten Lohnes froh, war schon unsicher geworden. Nun klatschte sie belebt ihrer Tochter auf den Arm und meinte ermunternd:

      „Mir ist wohl, dann sie ist bi Üer Edel nit an ein lausigen Mann ton, und ich besorg nützit nit. Mine Ougen werdind schwach vor das junge Bluot. Do sänd aber Mannslüt gnueg im Ochsnerhüsli und sänd mir guet vor alle Zuofäll. Dann einer alleinig, der wär zeviel. Heint ist der Tag recht vor ein Mageddingen: Sant Andräabend.“

      Die Alte gluckste ihre lockere Freude in sich hinein, doch Bombast konnte seine Ruhe wahren, denn das Mädchen hatte die Mutter abgeschüttelt und war zornig errötet.

      Da er nun unter den Wetterwolken heimritt, nagte er an dem, was er aus der dunstigen Kammer der Krütlin mit forttrug, wie ein Hund an einem ausgekochten Röhrenknochen, mehr des Nachgeschmackes wegen. Er konnte sich Zureden, daß er dabei ins Gleichgewicht fallen werde, wenn auch noch eine leise Unruhe nachzitterte. Er kannte sein Herz und er war gewohnt, es zu zügeln, denn niemals war er ein schöner Mann gewesen, auch nie geschmeidig genug, daß er in eines Weibes trunkenen Blick gesehen hätte.

      Als aber die Krütlin den Andreasabend erwähnte, hatte eine zweite schwere Welle aus seiner Brust gegen den Hals geschlagen, so daß er dem Mädchen dankbar blieb um ihres zornigen Errötens willen. Auf dem einsamen Wege ebbte die Welle aus.

      Er hatte an einem Andreasabend, damals ein Knabe von acht Jahren, das erste nackte Weib gesehen. In einem Bauernhause, wo er auf seinem Wege an die Regensburger Schule zu Sankt Emmeran Nachtquartier bekommen hatte, schlief er unter der Steige. Der Lichtschein einer klaffenden Tür weckte ihn aus den ersten schlummertrunkenen Atemzügen. Sein Magen regte sich noch, und er dachte von der Magd oder der Frau einen Bissen zu erbetteln. Der knauserige Bauer lag bereits in der Wolle, das wußte er. Zunächst lauschte er und hörte tappende Schritte. Dann sang eine Frauenstimme:

      „Sant Andres, Mannbescherer,

      Du treuer Magdelehrer,

      Hie stah ich splitternackt.

      Wann soll die Stund ankummen,

      Daß einer mich genummen,

      Unde mein Brautbette knackt?“

      Das fahrende Schülerlein schob vorsichtig seinen Kopf in den Türspalt und erschrak, da er die Magd sah. Sie war von dem Lichte, das auf dem Estrich stand, beleuchtet wie die Eva eines Münsterportals, unter der ein Fackeljunge seines Herren wartet. Er meinte auch eher ein bemaltes Steinbild zu sehen, das durch Gottes oder des Teufels Willen von seinem Kragstein in dieser Nacht hierher gebracht worden war, denn das Weib stand mit erhobenen Armen regungslos und starrte in einen finsteren Winkel hinein, während die Lippen, leise bebend, den Andreassegen summten. Der Knabe hielt es, da er ruhiger geworden war, für das beste, niederzuknien und ein Kreuz zu schlagen. Unversehens kams ihm dabei über die Lippen: „Heilig Mutter Eva, bitt vor mich!“

      Und langsam schlich er wieder auf sein Stroh zurück. Er war erstaunt, daß sein knurrender Schülermagen an dem sonderbaren Gesichte satt geworden war. Schon deshalb hielt er die Erscheinung lange für ein Wunder. Den Andreassegen aber hatte er gut behalten. Auf der Regensburger Schule vertraute er die Begebenheit einem Bachalaren an, der darüber in triefende Zoten ausbrach und ihm den Spottnamen „St. Andres“ auflud. Ein trübes Licht war über das Abenteuer gegossen. Er litt lange darunter, wurde den Frauen gegenüber unsicher, konnte ihnen nicht mehr in die Augen sehen wie ehedem.

      Dieses längst verwundene Kindheitserlebnis hatte die alte Krütlin durch ihr Geschwätz heraufbeschworen, und die flehende Gestalt jener Bauernmagd schien an den Körperformen und Zügen der Gritli ein neues Leben zu gewinnen.

      Ungewollt falteten sich die Hände des Arztes über dem Sattelknopf, und er murmelte:

      „Führ mich nit in Versuchung umb mines Weibs und Kindes willen!“

      Er wurde an seinen eigenen Worten wacher, strich das Barettlein aus der Stirn.

      „Was ist? Du wirst nit. – Ein Gebet, mehr als not tuet, ist ehender lästerlich, als ein Fluoch zeviel. Du sollt nit bitten umb ein Ding, das ist in dines Muets Gewalt geben. Sunst drohet dir der gefährlich Verlaß, und diner menschlichen Schwächen hangend die Zügel schlaff.“

      Er schüttelte ungeduldig den Kopf, und das Schwabenjörgeli schüttelte auch den seinen. Es hatte die langen Ohren zurückgelegt, denn sein Herr redete sonst nicht laut zu sich selber.

      Bombast

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